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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §49;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des C in Wien, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 6. September 2007, Zl. 2007-0566-9-000050, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 49 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem im Bezug von Notstandshilfe stehenden Beschwerdeführer wurde vom Arbeitsmarktservice Wien, Regionale Geschäftsstelle Prandaugasse (in der Folge AMS Prandaugasse), ein Arbeitstraining beim sozialökonomischen Betrieb D mit Beginn 24. Mai 2007, 9h ("Infoveranstaltung"), zugewiesen und ihm dieser Termin in einem als Kontrolltermin im Sinne des § 49 AlVG vorgeschrieben.
Mit einem E-Mail vom 25. Mai 2007 teilte der Beschwerdeführer dem AMS Prandaugasse mit, dass er den Termin bei D nicht habe wahrnehmen können, da er zeitgleich einen Vorstellungstermin bei einem anderen Unternehmen gehabt habe. Er ersuche um Rückantwort, falls das AMS eine Bestätigung dafür brauche.
In einer am 5. Juni 2007 vom AMS Prandaugasse aufgenommenen Niederschrift über die Nichteinhaltung einer Kontrollmeldung wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer den Kontrolltermin am 24. Mai 2007 nicht eingehalten habe, da er einen Vorstellungstermin gehabt habe, einen Beleg könne er im Moment nicht vorweisen. Auf der Niederschrift findet sich der Vermerk "Kunde verweigert Unterschrift".
Mit Bescheid des AMS Prandaugasse vom 6. Juni 2007 wurde der Bezug der Notstandshilfe des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 24. Mai bis zum 4. Juni 2007 gemäß § 49 AlVG eingestellt. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe einen vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin am 24. Mai 2007 nicht eingehalten und sich erst wieder am 5. Juni 2007 bei der zuständigen Regionalen Geschäftsstelle gemeldet.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte darin im Wesentlichen aus, er habe zeitgleich mit dem zugewiesenen Termin beim sozialökonomischen Betrieb D einen Vorstellungstermin bei der F GmbH gehabt, weshalb er nicht bei D habe erscheinen können. Er habe die Sachbearbeiterin des AMS schriftlich informiert und gefragt, ob er eine Bestätigung vorlegen solle, habe aber keine Antwort erhalten. Am 5. Juni 2007 hätte er eine Niederschrift unterschreiben sollen, in der die Rede davon gewesen sei, dass er unentschuldigt nicht erschienen sei. Da dies nicht der Wahrheit entsprochen habe, habe er die Niederschrift nicht unterschreiben können. Der Berufung beiliegend findet sich eine Bestätigung der F GmbH, wonach der Beschwerdeführer am 24. Mai 2007 um 9h ein Vorstellungsgespräch betreffend die Stelle eines Außendienstmitarbeiters gehabt habe.
Mit Schreiben vom 25. Juni 2007 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer im Wesentlichen auf bekannt zu geben, wann er den Vorstellungstermin mit der F GmbH vereinbart habe und warum der Termin nicht so vereinbart worden sei, dass der Antritt des Arbeitstrainings bei D möglich gewesen wäre, wo dieser Termin bei D doch seit 3. Mai 2007 bekannt gewesen sei.
In einem E-Mail vom 2. Juli 2007 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass der Bewerbungstermin bei der F GmbH von dieser vorgegeben worden sei und aufgrund des engen Zeitfensters der F GmbH nicht habe verlegt werden können.
Ein Aktenvermerk des AMS vom 2. Juli 2007 über ein Telefongespräch mit der F GmbH lautet wie folgt:
"Telefonat DG F(...):
Man hätte sich über Bekannte kennen gelernt und Pa gab an einen Job zu suchen. Es war keine bestimmte Stelle zu besetzen, einen Einstellung vor dem Sommer wäre sowieso nicht in Frage gekommen. Eine eventuelle Aufstockung des Personals wäre mit Herbst geplant.
Gespräch wurde kurzfristig vereinbart, man ( DG ) hätte nicht immer Zeit."
Mit Schreiben vom 2. Juli 2007 hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Angaben der F GmbH vor und forderte ihn zur Stellungnahme dazu auf.
In einem Schreiben vom 26. Juli 2007 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er nicht mehr genau wisse, wann der Termin mit der F GmbH vereinbart worden sei, da er sich laufend bei Firmen bewerbe. Es sei ihm von rechtlicher Seite klar, dass eine Aufnahme einer Beschäftigung einer Maßnahmenteilnahme immer vorzugehen habe, da ihm sonst eine Leistungssperre gemäß § 10 AlVG drohe. Er habe also seine Nichtteilnahme am Termin am 24. Mai 2007 (bei D) mit einem wichtigen Grund (Vorstellungsgespräch) entschuldigt, sodass die Leistungseinstellung nicht hätte erfolgen dürfen. Bezüglich der Terminvereinbarung mit der F GmbH gab der Beschwerdeführer an, dass Arbeitslose heutzutage nicht in der Position seien, vorgeschriebene Termine, zu denen der Dienstgeber zur Verfügung stehe, abzulehnen. Er habe nicht wissen können, dass die F GmbH nicht vorgehabt habe, Mitarbeiter vor dem Sommer einzustellen, daher habe diese Information nicht in seine Entscheidung einfließen können, sich im Mai 2007 dort zu bewerben und in der Folge den von der F GmbH vorgeschlagenen Vorstellungstermin am 24. Mai 2007 wahrzunehmen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer am 3. Mai 2007 eine Zuweisung zum sozialökonomischen Betrieb D erhalten habe mit dem Vermerk, die Informationsveranstaltung am 24. Mai 2007, 9h, stelle einen Kontrollmeldetermin im Sinne des § 49 AlVG dar. Eine entsprechende Rechtsbelehrung sei erfolgt. Die Aussage des Beschwerdeführers, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass bei der F GmbH gar keine konkrete Stelle zu besetzen und eine eventuelle Aufstockung des Personals erst im Herbst geplant gewesen sei, sei deshalb nicht glaubhaft, weil der Beschwerdeführer und der potentielle Arbeitgeber sich "in einem privaten Konnex" kennen gelernt hätten und anzunehmen sei, dass insbesondere dann über derartig wichtige Umstände offen geredet werde. Darüber hinaus scheine eine diesbezügliche Nachfrage, ob eine konkrete Stelle zu besetzen sei, in jedem Fall notwendig, im vorliegenden Fall jedoch insbesondere, da sich dann nämlich gezeigt hätte, dass die Wahrnehmung des Kontrollmeldetermines, die in Folge zu einem Arbeitstraining geführt hätte, höher zu bewerten gewesen wäre als ein Bewerbungsgespräch bei einem Unternehmen, das in den kommenden Monaten keine Einstellung geplant habe. Es sei daher davon auszugehen, dass es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers um eine Schutzbehauptung handle. Der Beschwerdeführer habe daher den gegenständlichen Kontrolltermin ohne triftigen Grund versäumt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 49 AlVG lautet:
"Kontrollmeldungen
§ 49. (1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, daß das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. Die näheren Bestimmungen über die Kontrollmeldungen trifft die Landesgeschäftsstelle. Die Landesgeschäftsstelle kann auch andere Stellen als Meldestellen bezeichnen.
(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, verliert vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um die Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören."
Es kann aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer überhaupt wirksam ein Kontrollmeldetermin zugewiesen worden war (was in der Beschwerde angezweifelt wird):
Im vorliegenden Fall kommt es darauf an, ob der Beschwerdeführer die ihm angelastete Versäumung des Kontrolltermines mit einem triftigen Grund entschuldigen konnte. Geltend gemacht hat der Beschwerdeführer diesbezüglich ein Vorstellungsgespräch bei der F GmbH. In diesem Zusammenhang ist auf Folgendes hinzuweisen:
Dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht liegt der Gesetzeszweck zugrunde, dem arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 2008, Zl. 2007/08/0084).
Ausgehend davon kann aber grundsätzlich kein Zweifel bestehen, dass ein Vorstellungstermin zum Zwecke der Erlangung eines Arbeitsplatzes bei einem Unternehmen einen triftigen Grund im Sinne des § 49 AlVG bildet (vgl. auch Krapf/Keul, AlVG, Praxiskommentar, Rz 828) einem zeitlich kollidierenden Kontrolltermin fern zu bleiben. Ansatzpunkte dafür, dass der hier geltend gemachte Vorstellungstermin nicht ernst gemeint, sondern nur vorgeschoben worden wäre oder dass sich der Beschwerdeführer für eine Stelle beworben hätte, von der von vornherein feststand, dass er sie mangels Eignung nicht werde erhalten können, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Keine Relevanz kommt hingegen dem Umstand zu, dass das Unternehmen F erst in einigen Monaten eine Einstellung hat vornehmen wollen und der Frage, ob der Beschwerdeführer davon gewusst hat. Es war nämlich im Sinne der obenstehenden Darlegungen jedenfalls gerechtfertigt, die Gelegenheit eines angebotenen Vorstellungstermins zu ergreifen und damit Schritte zur Beendigung der Arbeitslosigkeit zu setzen. Daran ändert es nichts, wenn sich der Beschwerdeführer um eine erst in Zukunft freiwerdende Stelle möglichst frühzeitig bemüht und dabei den Terminwünschen des Unternehmens F Rechnung getragen hat.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. Juli 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007080247.X00Im RIS seit
06.08.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013