Index
21/03 GesmbH-Recht;Norm
AlVG 1977 §12 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2007/08/0236 E 2. Juli 2008Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. Kurt Wolfmair, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 47/III, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 10. Juli 2007, Zl. LGSOÖ/2007-0566-4-000340-4, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit an die Beschwerdeführerin gerichtetem Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steyr vom 26. April 2007 wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes für die Zeiträume vom
26. bis 31. März 2002, vom 1. bis 14. November 2002 und vom 4. Dezember 2002 bis 31. März 2003 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen. Ferner wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in der Höhe des Gesamtbetrages von EUR 4.600,02 verpflichtet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zu Unrecht bezogen, da sie seit 29. April 1992 im Firmenbuch als handelsrechtliche Geschäftsführerin der H. GmbH eingetragen sei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, am 26. März 2007 habe die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steyr festgestellt, dass die Beschwerdeführerin neben ihrem Dienstverhältnis zur H. GmbH auch die Funktion der handelsrechtlichen Geschäftsführerin ausübe. Bereits durch den wirksamen gesellschaftsrechtlichen Bestellungsakt ergebe sich im Wesentlichen die Pflicht des Geschäftsführers zur Geschäftsführung, sodass der Anstellungsvertrag eine bloße Ergänzung des Organverhältnisses bewirke. Arbeitslosigkeit liege erst vor, wenn auch die Hauptleistungspflicht, soweit sie mit der Innehabung der Funktion eines Geschäftsführers einer GmbH zwingend verbunden sei, nicht mehr bestehe, d.h., dass auch das Organverhältnis erloschen sein müsse. Ob der Geschäftsführer tatsächlich eine Tätigkeit entfalte, sei ohne Bedeutung. Diese Grundsätze gälten auch für Zeiträume, in denen der Betrieb vorübergehend saisonbedingt geschlossen sei. In den vorgelegten Arbeitsbescheinigungen sei als Berufsbezeichnung jeweils "Geschäftsführerin" angegeben gewesen. Die im Antragsformular relevante Frage im Punkt 7. sei jeweils verneint worden. Anlässlich ihrer Antragstellung beim Arbeitsmarktservice habe die Beschwerdeführerin nicht bekannt gegeben, dass sie die Funktion eines handelsrechtlichen Geschäftsführers innehabe. Dadurch habe sie einen Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 AlVG verwirklicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist dann, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.
§ 25 Abs. 1 AlVG sieht vor, dass bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten ist, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Gemäß § 25 Abs. 6 AlVG ist eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch die regionale Geschäftsstelle, zurückliegen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Geschäftsführern von Gesellschaften mit beschränkter Haftung muss zwischen der Bestellung zum Geschäftsführer und dem Anstellungsvertrag unterschieden werden. Durch die Bestellung wird die gesellschaftsrechtliche Funktion des Geschäftsführers mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten begründet. Durch den Anstellungsvertrag werden die zusätzlichen, rein schuldrechtlichen Beziehungen im Innenverhältnis zur Gesellschaft geregelt. Sein Hauptinhalt auf Seiten des Geschäftsführers ist die nähere Ausgestaltung der durch das Organschaftsverhältnis vorgezeichneten Verpflichtungen zur Dienstleistung und zur Geschäftsbesorgung. Bereits durch den wirksamen gesellschaftsrechtlichen Bestellungsakt ergibt sich im Wesentlichen die Pflicht des Geschäftsführers zur Geschäftsführung, sodass der Anstellungsvertrag eine bloße Ergänzung des Organverhältnisses bewirkt. Durch die Beendigung des Anstellungsverhältnisses wird nicht einmal die Hauptleistungspflicht des Geschäftsführers (soweit sie mit der Innehabung der Funktion nach dem GmbH-Gesetz zwingend verbunden ist) zur Gänze ausgesetzt, sondern es wird nur die nähere Ausgestaltung der durch das Organschaftsverhältnis vorgeschriebenen Verpflichtung zur Dienstleistung und zur Geschäftsbesorgung, also das "Wie" der Ausübung derselben aufgehoben. Die bloße Beendigung des Anstellungsverhältnisses allein vermag daher die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG nicht zu bewirken und den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu begründen. Da die Hauptleistungspflicht des Geschäftsführers nach wie vor besteht, ist es auch gleichgültig, ob er für seine Geschäftsführertätigkeit weiterhin ein Entgelt erhält oder nicht. Auch auf die tatsächliche Tätigkeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses kommt es nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2007, Zl. 2006/08/0270, mwN).
Die genannten Grundsätze gelten auch für Zeiträume, in denen der Betrieb vorübergehend (saisonbedingt) geschlossen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2000/08/0154, mwN).
Der Widerruf des Arbeitslosengeldes erfolgte daher im vorliegenden Fall zu Recht.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass objektiv unrichtige Angaben im Antrag auf Arbeitslosengeld allein noch nicht die Rückersatzverpflichtung nach § 25 Abs. 1 AlVG wegen "unwahrer Angaben" oder "Verschweigung maßgebender Tatsachen" begründen. Schon die Verwendung der Begriffe "unwahr" (und nicht bloß "unrichtig") bzw. "verschweigen" deutet nämlich auf eine subjektive Komponente hin, das heißt, dass von jenem Arbeitslosen nichts rückgefordert werden kann, der zwar objektiv falsche Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis vom wahren Sachverhalt gemacht hat (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 21. November 2007, mwN).
Die Beschwerdeführerin kannte allerdings den wahren Sachverhalt, nämlich dass sie handelsrechtliche Geschäftsführerin der H. GmbH war. Auf Grund der ausdrücklichen Nennung von "Geschäftsführer" im Klammerausdruck bei der Frage "Ich stehe derzeit in Beschäftigung" im Antragsformular musste ihr auch klar sein, dass sie ihre Funktion als handelsrechtliche Geschäftsführerin anzugeben hatte.
Die sich aus der in § 25 Abs. 1 AlVG vorgesehenen Sanktionierung ergebende Verpflichtung von Antragstellern auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, hinsichtlich maßgebender Tatsachen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen, soll sicherstellen, dass der Behörde, die zahlreiche gleichartige Verfahren relativ rasch abzuwickeln hat, grundsätzlich die für den Leistungsanspruch maßgebenden Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zur Kenntnis gelangen. Der Rückforderungstatbestand "unwahre Angaben" liegt daher jedenfalls dann vor, wenn die Behörde in einem Antragsformular eine rechtserhebliche Frage stellt und diese Frage in Kenntnis des wahren Sachverhaltes unrichtig oder unvollständig beantwortet wird. Da die Angaben zur Geltendmachung einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Antragsformular die Behörde in die Lage versetzen sollen, ihrerseits zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht, ist das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem ein Antragsteller meint, die darin gestellten Fragen nicht vollständig oder richtig beantworten zu müssen, von ihm zu tragen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. November 2007, mwN).
Es kommt daher beim Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz Fall 1 und 2 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigen maßgebender Tatsachen) nach dem offenkundigen Zweck der Norm nicht darauf an, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde hätte leicht festgestellt werden können, so wie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahrer Angaben im Antragsformular ohne Belang ist. Maßgeblich ist nur, ob der fragliche Umstand in Beantwortung der Fragen im Antragsformular richtig und vollständig einbekannt oder dem Arbeitsmarktservice gleichzeitig oder doch rechtzeitig vor Anweisung des jeweiligen Leistungsanspruchs in einer zumindest gleichwertigen Weise (zum Beispiel durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung) mitgeteilt wurde (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. November 2007, mwN).
Auch das Vorbringen in der Beschwerde, dass die Beschwerdeführerin nach Beratung durch ihren Steuerberater das Antragsformular auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld ausgefüllt habe, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil für die richtige und vollständige Beantwortung der hier in Rede stehenden Frage allgemeines Alltagswissen ausreicht, sodass der Beschwerdeführerin die Falschauskunft auch dann als vorsätzlich zuzurechnen wäre, hätte sie diese im Glauben an eine bestimmte Rechtsauffassung des Steuerberaters gegeben. Die Ursache dieses Rechtsirrtums ist insoweit nicht von Bedeutung; von Relevanz ist lediglich, dass die Beschwerdeführerin den obigen Grundsätzen nicht entsprochen hat, nämlich eine Frage nach tatsächlichen Verhältnissen entsprechend diesen Verhältnissen wahrheitsgemäß zu beantworten.
Im Übrigen kommt es auch nicht darauf an, dass auch noch ein zweiter Geschäftsführer vorhanden gewesen ist und ob die Beschwerdeführerin als Gesellschafterin eine Sperrminorität gehabt hat und an die Weisungen der Generalversammlung gebunden gewesen ist. Gleichfalls nicht von Bedeutung ist es, ob die Geschäftsführungstätigkeit unentgeltlich erfolgt ist.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 2. Juli 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007080195.X00Im RIS seit
06.08.2008Zuletzt aktualisiert am
05.03.2012