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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde 1. der H M, geboren 1971, 2. des E M, geboren 1993, und
3. der E M, geboren 1994, alle vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Mag. Dr. Bernhard Glawitsch und Mag. Ulrike Neumüller-Keintzel, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 18. März 2005, Zlen. St 46/05, 47/05 und 48/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 18. März 2005 wurden die beschwerdeführenden Parteien, alle mazedonische Staatsangehörige, gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 sowie § 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus Österreich ausgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien seien zuletzt am 6. Mai 2001 unter Zuhilfenahme eines Schleppers illegal nach Österreich eingereist. Am 11. November 2004 hätten sie die Asylanträge zurückgezogen, über die Asylverfahren sei demnach seit dem 11. November 2004 gemäß §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig negativ entschieden worden. Die beschwerdeführenden Parteien verfügten weder über gültige Reisepässe noch über fremdenrechtliche Bewilligungen, die sie zum Aufenthalt in Österreich berechtigten. Sie hielten sich daher nicht rechtmäßig in Österreich auf. Den Fremdenakten sei zu entnehmen, dass sich die beschwerdeführenden Parteien bereits zwischen 10. März 1993 und 27. Jänner 1995 und weiters zwischen 29. Juli 1998 und 22. September 1999 illegal in Österreich aufgehalten hätten. 1995 hätten sie Österreich freiwillig verlassen, 1999 wären sie abgeschoben worden. Die Zweit- und Drittbeschwerdeführer seien in Österreich geboren und gingen hier zur Schule. Sie beherrschten ihre Muttersprache kaum. Die Erstbeschwerdeführerin sei seit drei Jahren berufstätig, seit sechs Monaten würde sie bei einem namentlich genannten Unternehmen arbeiten. Bereits am 24. November 2003 hätten die beschwerdeführenden Parteien beim Magistrat Linz um einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen angesucht. Über diese Anträge sei bis dato nicht entschieden worden. Eine Ausweisung würde daher in nicht unbedeutsamer Form in das Privat- und Familienleben eingreifen. Dieser Eingriff werde jedoch dadurch relativiert, dass sich auch der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerein illegal in Österreich aufhalte und auch gegen ihn die Ausweisung verfügt worden sei.
In der Berufung gegen den Erstbescheid hätten die beschwerdeführenden Parteien unter anderem ausgeführt, dass sie die Asylverfahren nicht aus freien Stücken, sondern auf Anraten des Bundesministeriums für Inneres, beendet hätten, weil sie Anträge auf Erteilung humanitärer Niederlassungsbewilligungen gestellt hätten und nach gängiger Praxis über solche Anträge nur entschieden würde, wenn keine anderen Verfahren offen wären. Darüber hinaus sei unberücksichtigt geblieben, dass die gesamte Familie der Erstbeschwerdeführerin in Österreich lebe.
Auf Grund der langen Abwesenheit aus Mazedonien fehle ein soziales Netz und die hohe Arbeitslosigkeit mache es dem Gatten der Erstbeschwerdeführerein mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht möglich, Arbeit zu finden, weshalb eine Rückkehr nach Mazedonien existenzbedrohend wäre. Eine Ausweisung sei daher unverhältnismäßig.
Die belangte Behörde erkannte einen nicht unbedeutenden Eingriff in das Privat- und Familienleben auf Grund der ins Treffen geführten Integration (Dauer des Aufenthaltes, Geburt und Schulbesuch des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin in Österreich, zahlreiche Kontakte zu Freunden und Bekannten in Österreich) an. Insofern die beschwerdeführenden Parteien auf eine existenzbedrohende Situation hinwiesen, sei ihnen zu entgegnen, dass es ihnen trotz der in Mazedonien herrschenden Arbeitslosigkeit von mindestens 35 % möglich wäre, eine Arbeit zu finden, und mit der gegenständlichen Ausweisung nicht angeordnet werde, dass sie in einen bestimmten Staat auszureisen hätten oder dass sie allenfalls abgeschoben würden. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.
Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben würden, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsbewilligung (Einreise- und Aufenthaltstitel) bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen würden. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe auch von der Ermessensbestimmung des § 33 Abs. 1 FrG zu Ungunsten des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht werden müssen.
Das Vergehen der Schlepperei gehöre zu den schwerwiegendsten Verwaltungsübertretungen (bzw. gerichtlich strafbaren Handlungen), diese Art der ("organisierten") Kriminalität erfordere ein rigoroses Vorgehen, da auch die damit einhergehende "Begleitkriminalität" aus sicherheitspolitischer Sicht ein Gegensteuern unerlässlich mache. Das gewichtige öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens erstrecke sich auch auf die Hintanhaltung der zur Hilfenahme von Schleppern. Das "Sich-Schleppen-Lassen" stelle ein der Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens widerstreitendes Verhalten dar.
Eine Verpflichtung, ein allfälliges Verfahren bezüglich der Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung abzuwarten, bestehe aus Sicht der belangten Behörde nicht.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf dem Boden der insoweit unstrittigen Feststellungen der belangten Behörde, dass die beschwerdeführenden Parteien ihre Asylanträge am 11. November 2004 zurückgezogen haben und sie nicht im Besitz von Einreise- oder Aufenthaltstiteln sind, begegnet die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass sich die beschwerdeführenden Parteien unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, keinen Bedenken. Damit ist die Tatbestandsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt.
2. In den Erkenntnissen vom 18. Mai 2006, Zlen. 2006/18/0034 bis 0036, und 22. April 2008, Zlen. 2005/18/0153, 0154, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit von derselben belangten Behörde getroffenen Ermessensentscheidungen befasst, die Begründungen aufweisen, die der Begründung des vorliegend bekämpften Bescheides im Wesentlichen gleichen, und hat diese Begründungen als unzureichend qualifiziert. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse verwiesen.
3. Demzufolge war auch der vorliegend angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordndung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. Juli 2008
Schlagworte
Ermessen besondere Rechtsgebiete Verfahrensbestimmungen Ermessen Ermessen VwRallg8 Begründung von ErmessensentscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005180173.X00Im RIS seit
12.08.2008Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008