TE Vwgh Erkenntnis 2008/7/3 2005/18/0172

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Veröffentlicht am 03.07.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des M M in L, geboren 1967, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Mag. Dr. Bernhard Glawitsch und Mag. Ulrike Neumüller-Keintzel, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. April 2005, Zl. St 71/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 13. April 2005, wurde der Beschwerdeführer, ein mazedonischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 sowie § 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus Österreich ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei zuletzt am 5. Juni 2001 illegal unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist. Am 11. November 2004 habe er seinen Asylantrag zurückgezogen, über das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei demnach seit dem 11. November 2004 gemäß §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig negativ entschieden worden. Der Beschwerdeführer verfüge weder über einen gültigen Reisepass noch eine fremdenrechtliche Bewilligung, die ihn zum Aufenthalt in Österreich berechtigen würde. Er halte sich daher nicht rechtmäßig in Österreich auf. Nach eigenen Angaben hielten er und seine Familie sich mit Unterbrechungen bereits langjährig in Österreich auf. Die Kinder seien in Österreich geboren und gingen hier zur Schule. Sie beherrschten ihre Muttersprache kaum. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau seien seit drei Jahren berufstätig, seit drei Monaten würde der Beschwerdeführer bei einem namentlich genannten Unternehmen arbeiten. Bereits am 24. November 2003 hätten der Beschwerdeführer und seine Familie beim Magistrat Linz um einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen angesucht. Über diese Anträge sei bis dato nicht entschieden worden.

Aus dem Fremdenakt sei hervorgegangen, dass der Beschwerdeführer und seine Familie von 1993 bis 1995 legal in Österreich aufhältig gewesen seien. Da ihre Aufenthaltsbewilligungen nicht verlängert worden seien, seien sie in ihre Heimat zurückgekehrt. Am 13. September 1999 sei der Beschwerdeführer illegal wieder nach Österreich eingereist, mit Bescheid der Erstbehörde vom 29. September 1999 sei er aus Österreich ausgewiesen und in der Folge am 30. September 1999 nach Slowenien zurückgeschoben worden.

In der Berufung gegen den Erstbescheid habe der Beschwerdeführer unter anderem ausgeführt, dass die Asylanträge für sich und seine Familie "auf Anraten der Behörde (BMI)" zurückgezogen worden wären, weil die Voraussetzungen für die Erteilung humanitärer Niederlassungsbewilligungen gemäß § 19 Abs. 2 Z.6 iVm § 10 Abs. 4 FrG gegeben gewesen wären und nach gängiger Praxis über solche Anträge nur entschieden würde, wenn kein anderes Verfahren offen wäre.

Der Beschwerdeführer halte sich seit dem rechtkräftig negativen Abschluss des Asylverfahrens (11. November 2004) insofern rechtswidrig in Österreich auf, als ihm seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. An dieser Beurteilung vermöge der Hinweis nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer das Asylverfahren aus freien Stücken beendet habe, weil kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG bestehe und auch die Voraussetzungen für eine Inlandsantragstellung im Sinn dieser Gesetzesbestimmung nicht gegeben seien, weshalb kein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG vorliege.

Angesichts der Tatsache, dass die Kinder des Beschwerdeführers (E, geboren 1993, und E, geboren 1994) in Österreich geboren seien, hier zur Schule gingen, die mazedonische Sprache kaum beherrschten und sowohl die Kinder als auch der Beschwerdeführer und seine Ehefrau zahlreiche österreichische Freunde und Bekannte hätten, sei dem Beschwerdeführer ein gewisses Maß an Integration zuzugestehen. Diese Integration werde jedoch insbesondere dadurch erheblich relativiert, dass sich auch die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers illegal in Österreich aufhielten und auch gegen sie eine Ausweisung verfügt werde.

Wenn der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr von einer existenzbedrohenden Situation spreche, weil seine Eltern ihn weder unterbringen noch finanziell unterstützen könnten und es auf Grund der in Mazedonien herrschenden Arbeitslosigkeit von mindestens 35 % sicherlich nicht möglich wäre, eine Arbeit zu finden, um die Familie zu ernähren, sei dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass dies lediglich eine Vermutung darstelle und mit der gegenständlichen Ausweisung nicht angeordnet werde, dass er in einen bestimmten Staat auszureisen habe oder dass er allenfalls abgeschoben werde. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu.

Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben würden, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsbewilligung (Einreise- und Aufenthaltstitel) bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen würden. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe auch von der Ermessensbestimmung des § 33 Abs. 1 FrG zu Ungunsten des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht werden müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der insoweit unstrittigen Feststellungen der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer seinen Asylantrag am 11. November 2004 zurückgezogen hat und er nicht im Besitz eines Einreise- oder Aufenthaltstitels ist, begegnet die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, keinen Bedenken. Damit ist die Tatbestandsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt.

2. In den Erkenntnissen vom 18. Mai 2006, Zlen. 2006/18/0034 bis 0036, und 22. April 2008, Zlen. 2005/18/0153, 0154, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit von derselben belangten Behörde getroffenen Ermessensentscheidungen befasst, die Begründungen aufweisen, die der Begründung des vorliegend bekämpften Bescheides im Wesentlichen gleichen, und hat diese Begründungen als unzureichend qualifiziert. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse verwiesen.

3. Demzufolge war auch der vorliegend angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordndung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. Juli 2008

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen Ermessen Ermessen VwRallg8 Ermessen Begründung von Ermessensentscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005180172.X00

Im RIS seit

12.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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