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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragSpruch
Die Beschwerde gemäß Art144 B-VG wird zurückgewiesen.
Der Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit einem als "Bescheid" bezeichneten Verwaltungsakt vom 10. Juni 2003 erteilte der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit der "Verbund - Austrian Power Grid AG (Verbund-APG)" (im Folgenden: Verbund) für die Dauer von 18 Monaten ab dem 24. Juni 2003 gemäß §5 des Bundesgesetzes vom 6. Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken (StarkstromwegeG 1968), BGBl. Nr. 70/1968, (in der Folge StWG) die Berechtigung, fremde Gründstücke u.a. in den beschwerdeführenden bzw. antragstellenden Gemeinden zur Vornahme von Vorarbeiten zu betreten und für die Ausarbeitung eines Detailprojektes für die 380 kV-Leitung "Kainachtal - Wien Südost", Teilstück "Kainachtal - Südburgenland" in Anspruch zu nehmen. Diese Bewilligung wurde den beschwerdeführenden Gemeinden mit dem Ersuchen u. a. um Bekanntmachung durch Anschlag an der Gemeindetafel und Auflage der beiliegenden Übersichtspläne zur allgemeinen Einsichtnahme übermittelt.
2. Gegen diesen Verwaltungsakt wenden sich 22 steirische und 2 burgenländische Gemeinden einerseits mit einem Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG, andererseits mit einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG.
2.1. Die einschreitenden Gemeinden begehren gemäß Art139 Abs1 B-VG, "die als 'Bescheid' bezeichnete Enunziation des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 10.06.2003 kostenpflichtig wegen Gesetzwidrigkeit [...] aufzuheben."
Zur Zulässigkeit dieses Antrags führen die einschreitenden Gemeinden aus, sie seien jeweils grundbücherliche Eigentümer von Flächen innerhalb ihres Gemeindegebiets. Im Erkenntnis VfSlg. 15.545/1999 habe der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass gemäß §5 StWG gegenüber den zur Duldung der Vorarbeiten verpflichteten Grundeigentümern eine Verordnung zu ergehen habe. Dem Inhalt nach stelle die angefochtene Enunziation eine materielle Enteignung dar, da Eigentümerrechte (Grundeigentum zu betreten und darauf etwa Bäume zu fällen) auf einen Dritten übertragen würden. Sofern es sich bei der angefochtenen Enunziation um eine Verordnung handle, greife diese in die Rechte der einschreitenden Gemeinden ein. Es fänden tatsächlich bereits Vermessungsarbeiten statt und es würden Grundflächen der einschreitenden Gemeinden unter Berufung auf die bekämpfte Enunziation in Anspruch genommen. Die angefochtene Enunziation erfülle daher die Voraussetzungen der unmittelbaren Anfechtbarkeit als Verordnung, wie dies der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 15.545/1999 dargelegt habe.
2.2. Die einschreitenden Gemeinden begehren auch gemäß Art144 B-VG, die angefochtene Enunziation kostenpflichtig aufzuheben. Sofern es sich bei der angefochtenen Enunziation in Übereinstimmung mit ihrer Eigenbezeichnung um einen Bescheid handeln sollte, verletze dieser die einschreitenden Gemeinden in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf "Selbstverwaltung, insbesondere auf Besorgung der Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches bezüglich Raumplanung und Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde", auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG). Zur Begründung führen die einschreitenden Gemeinden aus:
"Gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 15.545/1999 hat bei Ausschöpfung der Ermächtigung des §5 StWG gegenüber den Grundeigentümern (und damit auch gegenüber den beschwerdeführenden Gemeinden als Eigentümer von Grundflächen innerhalb ihres Gemeindegebietes) eine Verordnung zu ergehen. Im Gegensatz dazu hat die belangte Behörde im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ohne entsprechende gesetzliche Grundlage einen Bescheid erlassen."
II. 1. Zur Beschwerde gemäß Art144 B-VG:
Gemäß Art144 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, "soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrags in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet" (vgl. VfSlg. 9873/1983).
Es war daher zu prüfen, ob dem bekämpften Verwaltungsakt - aus der Sicht der beschwerdeführenden Gemeinden - Bescheidcharakter zukommt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 23. April 1996, Z94/05/0021) und der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 15.545/1999, 15.918/2000) in ihrer Rechtsprechung zu §5 StWG dargelegt haben, wirkt der angefochtene Verwaltungsakt zwar für die beteiligte Partei "Verbund" als Bescheid, nicht aber für die beschwerdeführenden Gemeinden, die dadurch zur Duldung der Vornahme von Vorarbeiten auf ihren Grundstücken verpflichtet werden. Ihnen gegenüber wirkt die Bewilligung als Verordnung.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen, weil der angefochtene Verwaltungsakt gegenüber den beschwerdeführenden Gemeinden nicht als Bescheid in Erscheinung tritt.
Bei diesem Verfahrensergebnis konnte eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entfallen.
Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.
2. Zum Antrag gemäß Art139 B-VG:
Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Die antragstellenden Gemeinden begehren die Aufhebung der gesamten "als 'Bescheid' bezeichneten Enunziation". Dazu mangelt den antragstellenden Gemeinden jedoch die Legitimation. Es ist nämlich offenkundig, dass keineswegs alle Bestimmungen der zur Aufhebung beantragten "Enunziation" derart beschaffen sind, dass sie iS des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG und §57 Abs1 letzter Satz VfGG unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinden eingreifen könnten. Beispielsweise ist darauf zu verweisen, dass nicht sämtliche der Gemeinden, auf die der angefochtene Verwaltungsakt Bezug nimmt, als Antragsteller vor dem Verfassungsgerichtshof auftreten. Die vom angefochtenen Verwaltungsakt angeordneten Duldungspflichten der Eigentümer von Grundstücken in Gemeinden, die zwar im angefochtenen Verwaltungsakt genannt sind, aber nicht als Antragsteller vor dem Verfassungsgerichtshof auftreten, können nicht in die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinden als Eigentümer von Grundflächen im jeweiligen Gemeindegebiet eingreifen. Der auf die Aufhebung der ganzen Verordnung gerichtete Antrag ist deshalb unzulässig (vgl. zB VfSlg. 11.153/1986, 11.323/1987, 12.218/1989, 12.442/1990, 14.321/1995).
Der Antrag war daher - weil die antragstellenden Gemeinden die ganze Verordnung und nicht etwa bloß jeweils die Wortfolgen "Gemeinde X, Gemeinde Y" im Punkt I.1. des Spruchs des Bescheides behaupten - schon aufgrund dieser Überlegungen zurückzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Bescheidbegriff, Energierecht, Elektrizitätswesen, Verordnungsbegriff, VfGH / Legitimation, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B1033.2003Dokumentnummer
JFT_09969078_03B01033_00