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19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §45 Abs3 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des A K in M, geboren am 18. Oktober 1973, vertreten durch Dr. Steiner & Mag. Isbetcherian, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Hintzerstraße 11/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Oktober 2006, Zl. SD 1202/06, betreffend Entziehung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. Oktober 2006 wurde dem Beschwerdeführer der am 8. März 2000 ausgestellte Reisepass Nr. ... gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839 (im Folgenden: Passgesetz) entzogen.
Begründend stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. September 2004 wegen des teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten unbedingt rechtskräftig verurteilt worden.
Der Beschwerdeführer habe in Wien Suchtgift in einer großen Menge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG - das sei jene Menge an Suchtgift, die geeignet sei, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen - gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, indem er insgesamt über 300 Gramm Kokain in neunzehn im angefochtenen Bescheid angeführten Fakten an verschiedene Abnehmer verkauft habe. Außerdem habe der Beschwerdeführer am 4. August 2003 versucht, insgesamt 12,9 Gramm Kokain in Verkehr zu setzen, indem er das Suchtgift zum Weiterverkauf an Suchtgiftkonsumenten bereitgehalten habe.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Berufung auf die Bestimmungen der § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f, § 15 Abs. 1 Passgesetz aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs insbesondere der Suchtgiftkriminalität nicht nur eine Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus hohe Wiederholungsgefahr anhafte. Das schwerwiegende strafbare Verhalten über einen relativ langen Tatzeitraum und die oftmaligen Tatwiederholungen ließen auch den seit Begehung der Straftaten des Beschwerdeführers verstrichenen Zeitraum als zu kurz erscheinen, um davon ausgehen zu können, dass der Beschwerdeführer hinreichend Gewähr dafür biete, den Reisepass künftig nicht zu den in § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f Passgesetz verpönten Handlungen zu missbrauchen.
Die Erstbehörde habe vor dem Hintergrund der der Verurteilung des Beschwerdeführers zu Grunde liegenden Tatsachen für diesen zutreffend eine negative Verhaltensprognose getroffen. Es werde noch einer relativ langen Zeit des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers bedürfen, um zu einer für ihn positiven Prognose zu gelangen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers seien Umstände in dessen Privat- bzw. Berufsleben bei der zu treffenden Entscheidung ohne Relevanz, komme der Behörde doch dabei kein Ermessensspielraum zu.
2. Gegen diesen Bescheid wird Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
3. In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom 13. Juni 2007, B 2056/06, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 14 Abs. 1 Passgesetz ist die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn (Z. 3) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um (lit. f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.
Gemäß § 15 Abs. 1 Passgesetz ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.
2.1. Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen, in der Beschwerde nicht bekämpften Feststellungen hat der Beschwerdeführer - wie oben (I. 1.) dargestellt - in einer Vielzahl von Tathandlungen den Verbrechenstatbestand nach § 28 Abs. 2 SMG verwirklicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann es angesichts eines solcherart feststehenden Handels mit Suchtgift in einer überaus großen Menge im Sinne des § 28 Abs. 6 SMG unter Berücksichtigung des Erfahrungswissens, dass gerade bei solchen Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr besonders groß ist, nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis gelangte, es sei die Annahme gerechtfertigt, der Beschwerdeführer werde den Pass dazu benützen, Suchtgift in einer großen Menge einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 2000, Zl. 2000/18/0119, und vom 18. September 2001, Zl. 2001/18/0169).
In diesem Zusammenhang ist es nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, ob der Beschwerdeführer seinen Reisepass bei der Begehung der der angeführten Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten nach dem SMG verwendet hat oder nicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Februar 2006, Zl. 2005/18/0681, sowie vom 15. November 2005, Zl. 2005/18/0609).
2.2. Soweit die Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde habe bei der durch sie vorgenommenen Verhaltensprognose das Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit den im Jahr 2003 gesetzten strafbaren Handlungen nicht ausreichend berücksichtigt, so erscheint angesichts der schwerwiegenden durch den Beschwerdeführer zu vertretenden Straftaten der im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichene Zeitraum von rund drei Jahren tatsächlich noch als zu kurz, um zu einem Wegfall der Gefahr der Begehung von Suchtgiftdelikten im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f Passgesetz zu führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2005/18/0182).
2.3. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass aus seiner Ehe mit einer Polin zwei Kinder entstammten und die Entziehung des Reisepasses wegen beabsichtigter Reisen zu deren polnischen Großeltern einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK darstelle, kann die Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg führen, weil das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK unter einem Gesetzesvorbehalt steht, der einen gesetzlich vorgesehenen Eingriff unter anderem zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit anderer rechtfertigt, und die vorliegend ausgesprochene Entziehung eines Reisepasses gerade diesen Zwecken dient (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, mwN).
2.4. Soweit die Beschwerde schließlich ausführt, die belangte Behörde hätte "bei richtiger Ausübung des Ermessens" eine Entziehung des Reisepasses nicht vornehmen dürfen, so ist schlicht darauf zu verweisen, dass der belangten Behörde bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Passversagungsgrundes kein Ermessen eingeräumt ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 15. November 2005).
3.1. Auf dem Boden des Gesagten erweisen sich die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers, wonach die belangte Behörde den maßgeblichen Sachverhalt entgegen § 56 AVG nicht hinreichend festgestellt und die im Administrativverfahren zum Beweis des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers seit 2003 und der familiären Beziehungen zu Polen als Zeugin beantragte Ehegattin zu Unrecht nicht befragt habe, als nicht zielführend.
3.2. Soweit die Beschwerde erkennbar die Unterlassung einer mündlichen Anhörung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde als Verfahrensmangel rügt, so ist dem zu erwidern, dass ein subjektives Recht, von der Behörde mündlich gehört zu werden, nicht besteht (vgl. das bereits angeführte hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2006, mwN). Das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers wurde bereits durch die Erstbehörde gewahrt, die dem Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zur Stellungnahme einräumte.
4. Die Beschwerde erweist sich aus den angeführten Gründen als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. Juli 2008
Schlagworte
Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007180440.X00Im RIS seit
03.08.2008Zuletzt aktualisiert am
11.11.2008