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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des M M D in L, geboren am 20. April 1965, vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom 31. März 2005, Zl. St 58/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 31. März 2005 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß §§ 31, 33 (Abs. 1) des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 10. Oktober 2000 illegal, unter Umgehung der Grenzkontrolle, mit Hilfe eines Schleppers nach Österreich eingereist. Über den von ihm gestellten Asylantrag sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. April 2004 gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 - AsylG negativ entschieden worden, und es sei mit hg. Beschluss vom 26. November 2004 die Behandlung seiner dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt worden. Sein Asylantrag sei demnach seit 29. April 2004 rechtskräftig negativ entschieden.
Der Beschwerdeführer verfüge weder über einen gültigen Reisepass noch über eine fremdenrechtliche Bewilligung für den Aufenthalt in Österreich und halte sich demnach nicht rechtmäßig hier auf.
In seiner Stellungnahme vom 31. Jänner 2005 habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er mit seiner gesamten Familie, nämlich seiner Gattin und seinen beiden Kindern, in Linz aufhältig wäre und seine Gattin zudem im zweiten Monat schwanger wäre. Er wäre im Besitz einer Arbeitserlaubnis und zum römisch-katholischen Glauben konvertiert und beabsichtigte, die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gemäß § 10 Abs. 4 FrG anzuregen.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid habe der Beschwerdeführer u.a. vorgebracht, dass er zwar über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügte, jedoch in der Zwischenzeit einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf dem humanitären Titel gemäß § 10 Abs. 4 FrG eingebracht hätte. Im Bundesgebiet wären er seit fünf Jahren und auch seine gesamte Familie aufhältig, er beherrschte die deutsche Sprache sowohl in Wort als auch in Schrift, und seine Ehegattin wäre wieder im zweiten Monat schwanger. Zudem verfügte er über eine gültige Arbeitserlaubnis und ginge einer aufrechten Beschäftigung nach, weshalb er nicht auf die Unterstützung von staatlichen Institutionen und Beihilfen angewiesen wäre. Da er in seinem Heimatland keine weiteren familiären Angehörigen hätte, wäre sein Lebensmittelpunkt in Österreich. Angesichts der im Asylverfahren geschilderten asylrelevanten Verfolgungsgründe wäre ihm bei Abschiebung ein Überleben in seinem Heimatstaat, der Türkei, nicht möglich. Da nicht einmal sein Überleben oder das seiner Familie in seinem Heimatland gesichert wäre, bestünde für seine Familie ein besonderes Interesse, in Österreich zu bleiben, und es stünde ihm eine Alternative nicht offen, weil er über keine Dokumente verfügte und auch keine Aufenthaltsberechtigung für ein anderes Land als der Türkei besäße.
Nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiter begründend aus, dass sich der Beschwerdeführer - abgesehen von jener Zeit, in welcher (der von ihm gegen den negativen Asylbescheid erhobenen Beschwerde) mit hg. Beschluss die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei - seit 29. April 2004 insoweit rechtswidrig in Österreich aufhalte, als ihm seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei.
Angesichts der Tatsache, dass er bereits seit ca. fünf Jahren im Bundesgebiet aufhältig sei, die deutsche Sprache sowohl in Wort als auch in Schrift beherrsche, seine gesamte Familie hier aufhältig sei, seine Ehegattin im zweiten Monat schwanger sei und er über eine gültige Arbeitserlaubnis verfüge, einer aufrechten Beschäftigung nachgehe, nicht auf die Unterstützung von staatlichen Institutionen angewiesen sei und im Heimatland über keine weiteren Familienangehörigen verfüge, während sich sein Lebensmittelpunkt im österreichischen Bundesgebiet definiere, sei ihm eine entsprechende Integration zuzugestehen. Diese sei jedoch dahingehend zu relativieren, als sowohl sein Asylverfahren als auch das seiner Familie seit 29. April 2004 rechtskräftig negativ entschieden seien. Mit seinem Vorbringen, niemals gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen zu haben, sei im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG nichts gewonnen, weil dies weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge habe. Ebenso sei sein Vorbringen, die gesamte Familie wäre vom islamitischen Glauben zum römisch-katholischen Glauben konvertiert, zu beurteilen. Der Beschwerdeführer verfüge zwar über eine gültige Arbeitserlaubnis und gehe einer aufrechten Beschäftigung nach, weshalb er nicht auf die Unterstützung von staatlichen Institutionen und Beihilfen angewiesen sei, er sei jedoch nicht im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels. Er halte sich - wie bereits ausgeführt - seit rechtskräftigem negativen Abschluss des Asylverfahrens illegal in Österreich auf, und es gefährde bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt die öffentliche Ordnung in hohem Maß. Die Ausweisung sei demnach gemäß § 37 Abs. 1 FrG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten.
Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begäben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen, ebenso, wenn Fremde nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe auch von der Ermessensbestimmung des § 33 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden müssen.
Das Vergehen der Schlepperei gehöre zu den schwerwiegendsten Verwaltungsübertretungen (bzw. gerichtlich strafbaren Handlungen), und es würde demnach geradezu einer Förderung des Schlepperunwesens gleichkommen, würde man dem Beschwerdeführer den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gestatteten.
Im Hinblick auf ein (im angefochtenen Bescheid genanntes) hg. Erkenntnis bestehe kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, weshalb auch keine Verpflichtung der belangten Behörde bestanden habe, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis abzuwarten.
Von der Aufnahme weiterer Beweise sei insofern Abstand genommen worden, als der entscheidungsrelevante Sachverhalt ausreichend ermittelt worden sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, dass der vom Beschwerdeführer gestellte Asylantrag rechtskräftig abgewiesen worden sei und er nie über einen Aufenthaltstitel verfügt habe, begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2. In den Erkenntnissen vom 18. Mai 2006, Zlen. 2006/18/0034 bis 0036, und 22. April 2008, Zlen. 2005/18/0153, 0154, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit von derselben belangten Behörde getroffenen Ermessensentscheidungen befasst, die Begründungen aufweisen, die der Begründung des vorliegend bekämpften Bescheides im Wesentlichen gleichen, und hat diese Begründungen als unzureichend qualifiziert. Es wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf diese Erkenntnisse verwiesen.
3. Demzufolge war auch der vorliegend angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 3. Juli 2008
Schlagworte
Ermessen besondere Rechtsgebiete Verfahrensbestimmungen Ermessen Ermessen VwRallg8 Begründung von ErmessensentscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005180192.X00Im RIS seit
03.08.2008Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008