TE Vwgh Beschluss 2008/7/4 2008/17/0085

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Veröffentlicht am 04.07.2008
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Index

E1E;
E3R E03606000;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E034 EG Art34;
11997E234 EG Art234;
32001R1260 GMO Zucker Art15 Abs1 litc;
32001R1260 GMO Zucker Art15 Abs1 litd;
32006R0318 GMO Zucker Art12;
32006R0318 GMO Zucker Art14;
32006R0318 GMO Zucker Art16;
32006R0318 GMO Zucker Art19;
32006R0318 GMO Zucker Art2 Abs5;
32006R0318 GMO Zucker Art3 Abs1 lita;
32006R0318 GMO Zucker Art7 Abs2;
32007R0290 Rücknahmeprozentsatz Zucker Art1;
32007R0551 Nov-2006R0952;
62004CJ0442 Spanien / Rat;
62006CJ0005 Zuckerfabrik Jülich VORAB;
62006CJ0534 Industria Lavorazione Carni Ovine VORAB;
VwGG §38b;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 2008/0003 20. Mai 2010 * EuGH-Zahl: C-365/08 Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag:2008/17/0085 B 4. Juli 2008 * EuGH-Entscheidung:2008/17/0085 B 4. Juli 2008 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2010/17/0096 E 9. Juni 2010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, in der Beschwerdesache der AGRANA Zucker GmbH in W, vertreten durch Schwartz und Huber-Medek Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 25. März 2008, Zl. BMLFUW-LE.2.2.17/0028- III/11/2008, betreffend Produktionsabgabe für Zucker für das Wirtschaftsjahr 2007/2008, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art. 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker dahingehend auszulegen, dass auch eine Zuckerquote, die infolge einer präventiven Marktrücknahme nach Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 290/2007 der Kommission vom 16. März 2007 zur Festsetzung des in Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates genannten Prozentsatzes für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 nicht ausgenützt werden kann, Teil der Bemessung der Produktionsabgabe zu sein hat?

2. Für den Fall der Bejahung der Frage 1:

Ist Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 mit Primärrecht, insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und mit dem aus Art. 34 EG abzuleitenden Diskriminierungsverbot, vereinbar?

Begründung

1. Sachverhalt

1.1. Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (der vor dem Verwaltungsgerichtshof belangten Behörde) vom 26. Juni 2006 über die Zuteilung der Quote für die Erzeugung von Zucker in den Wirtschaftsjahren 2006/2007 bis einschließlich 2014/2015 bzw. mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 2006 über die Zuteilung der zusätzlichen Zuckerquote wurde der AGRANA Zucker GmbH (der vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführenden Partei) eine Zuckerquote von insgesamt 405.812,4 Tonnen (387.326,3 Tonnen Zuckerquote zuzüglich 18.486,0 Tonnen zusätzlicher Zuckerquote) zuerkannt.

Mit dem Bescheid vom 5. April 2007 setzte die belangte Behörde gemäß Art. 1 Abs. 1 und 2b der Verordnung (EG) Nr. 92/2007 die Produktionsschwelle für die Erzeugung von Quotenzucker im Wirtschaftsjahr 2007/2008 für die beschwerdeführende Partei mit 351.027,73 Tonnen fest.

1.2. Mit dem Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich I der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 28. Jänner 2008 wurde die Produktionsabgabe für Zucker für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 mit EUR 4,869.748,80 festgesetzt und die beschwerdeführende Partei aufgefordert, diesen Betrag bis spätestens 29. Februar 2008 auf ein näher angeführtes Konto der AMA zu überweisen.

In der Begründung verwies die AMA auf die festgesetzte Zuckerquote von insgesamt 405.812,4 Tonnen und berechnete davon ausgehend unter Berufung auf Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 die Produktionsabgabe.

Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung.

1.3. Mit ihrem Bescheid vom 25. März 2008, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist, wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 - so die belangte Behörde in der Begründung des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - werde ab dem Wirtschaftsjahr 2007/2008 auf die Zuckerquote, über die die zuckererzeugenden Unternehmen verfügen, eine Produktionsabgabe erhoben. Gemäß Abs. 2 leg. cit. werde diese Abgabe mit EUR 12,-- pro Tonne Quotenzucker festgesetzt. Abs. 3 lege fest, dass die gesamte, gemäß Abs. 1 gezahlte Produktionsabgabe von dem Mitgliedstaat bei dem in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Unternehmen nach Maßgabe der in dem betreffenden Wirtschaftsjahr besessenen Quote erhoben wird. Art. 16 Abs. 1 und Abs. 3 der zitierten Verordnung würden als Anknüpfungspunkt für die Produktionsabgabe klar die zugeteilte Quote und nicht die im Rahmen der Quote tatsächlich erzeugte Quotenzuckermenge festlegen. Die Rechtsansicht der AMA, wonach auf die zugeteilte Quote Bezug zu nehmen sei, werde "vollinhaltlich geteilt, da sie sich vollkommen mit dessen, vollkommen klar erscheinendem Wortlaut" decke. Auch aus Art. 16 Abs. 3 leg. cit. ergebe sich, wofür die Abgabe erhoben werde, nämlich für die Quote, die das Zuckerunternehmen besitze. Entgegen der Ansicht der vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführenden Partei seien alle Absätze von Art. 16 leg. cit. zu berücksichtigen und nicht nur Abs. 2. Sowohl aus den Abs. 1 und 3 des Art. 16 leg. cit. ergebe sich klar, worauf bei der Erhebung einer Produktionsabgabe abgestellt werde, nämlich auf die dem Unternehmen durch den jeweiligen Mitgliedstaat zugeteilte Quote. Aus dieser Regelungssystematik falle nun Abs. 2 vollkommen heraus, da darin nicht mehr von der zugeteilten Quote, sondern von der Quotenmenge die Rede sei. Dies allein erlaube es aber noch nicht, nur auf den Abs. 2 bei der Auslegung des Art. 16 leg. cit. abzustellen. Dies umso mehr, als dieser Absatz nur die Höhe der Abgabe betreffe; zwar sei die Produktionsabgabe nach Art. 16 Abs. 2 leg. cit. immer pro Tonne Quotenzucker zu berechnen, dies aber im Rahmen der und für die gesamte zugeteilte Quote. Dass das in Abs. 2 enthaltene Wort "Quotenzucker" Anlass zu Zweifeln an der tatsächlichen Grundlage für die Berechnung der Produktionsabgabe gebe, sei zuletzt in der Expertengruppe für Zucker am 10. Jänner 2008 in Brüssel durch Frankreich vorgebracht worden. Nach Ansicht Frankreichs sei die Abgabe nach Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 pro Tonne produzierter Quote zu bezahlen, was aber nicht der Abgabe pro Zuckerkontingent nach Art. 16 Abs. 1 leg. cit. entspreche. Die Europäische Kommission habe in Erwiderung darauf auf den 6. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 551/2007, womit die Verordnung (EG) Nr. 952/2006 abgeändert wurde, verwiesen. Danach werde gemäß Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 ab dem Wirtschaftsjahr 2007/2008 auf die Quote, über die die Unternehmen für das betreffende Wirtschaftsjahr verfügen, eine Produktionsabgabe erhoben. Nach der Europäischen Kommission seien die EUR 12,-- Produktionsabgabe pro Tonne also auf das Kontingent zu erheben. In der Expertengruppe für Zucker am 28. Februar 2008 in Brüssel sei es zur Vorlage eines Auslegungsvermerkes des Rechtsdienstes der Europäischen Kommission zu Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 gekommen. Danach sei die Produktionsabgabe von EUR 12,-- gemäß den Abs. 1 bis 3 von Art. 16 leg. cit. für jede Tonne zu erheben, die den Unternehmen für das betreffende Wirtschaftsjahr zugeteilt worden sei. Sie sei als unabhängig von der tatsächlichen Produktion innerhalb der Quote für das betreffende Wirtschaftsjahr anzusehen. Zur Untermauerung dieser Ansicht sei weiters ausgeführt worden, dass nur eine Zahlung, die auf die Quote abstelle, mit der Zahlungsfrist Ende Februar nach der Ratsverordnung vereinbar sei. Eine Zahlung, die sich auf den innerhalb der Quote produzierten Zucker oder auf die innerhalb der Quote produzierte Isoglukose stützen würde, wäre mit dieser Frist nicht vereinbar, weil die Erzeugung des laufenden Wirtschaftsjahres Ende Februar noch nicht bekannt sei. Diese Interpretation habe im 6. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 551/2007 ihren Niederschlag gefunden. Wollte man dieser Rechtsansicht folgen, so müsste Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 dahingehend abgeändert werden, dass der irreführende Titel "Produktionsabgabe" durch Quotenabgabe ersetzt werde, wie das bereits auch durch Polen in der Expertengruppe für Zucker am 10. Jänner 2008 vorgeschlagen worden sei. Dieser Titel sei insofern ein "Überbleibsel" aus der alten Zuckermarktordnung, worin diese Abgabe noch in Relation zur voraussichtlichen Quotenproduktion zu berechnen gewesen sei. Weiters wäre Art. 16 Abs. 2 leg. cit. dahingehend abzuändern, dass die EUR 12,-- pro Tonne Zuckerquote zu erheben seien.

Eine andere Frage sei - so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter -, ob die Koppelung der Produktionsabgabe allein an die zugeteilte Quote, unabhängig davon, ob die zugeteilte Quote auch tatsächlich zur Gänze produziert werden könne, also ohne Berücksichtigung einer allfälligen Marktrücknahme, auch gerechtfertigt erscheine. Darin läge die eigentliche Problematik des von der belangten Behörde zu entscheidenden Falles. Die diesbezüglich durch die vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführende Partei geäußerten Bedenken im Hinblick auf einen Verstoß gegen die primärrechtlichen Vorgaben, Grundsätze, Grundprinzipien und Ziele des EGV, vor allem gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot dadurch, dass im Fall einer tatsächlichen Produktion unter der Zuckerquote, die Produktionsabgabe auch für eine faktisch nicht existente Zuckerproduktion zu bezahlen sei, und dadurch, dass bei Produktion von Zucker über der festgelegten Produktionsschwelle, eine Produktionsabgabe auf diesen Überschusszucker in gleicher Höhe wie auf Quotenzucker zu erheben sei, sowie auch im Zusammenhang mit dem Kürzungsschlüssel für die Marktrücknahme, seien "nicht von der Hand zu weisen, und sollte der EuGH damit befasst werden".

2.0. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof

2.1. Strittig ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allein die Frage, ob die Produktionsabgabe von EUR 12,-- pro Tonne von der grundsätzlich zustehenden Zuckerquote von 405.812,4 Tonnen zu berechnen sei, wie dies die belangte Behörde getan hat, oder ob die der Berechnung zu Grunde zu legende Quote im Hinblick auf die vom Markt genommene Produktionsmenge von 54.784,67 Tonnen um den dadurch verminderten Betrag zu berechnen sei. Nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei wäre die Produktionsabgabe nur von 351.027,73 Tonnen (anstatt von 405.812,4 Tonnen) zu berechnen.

2.2. Die beschwerdeführende Partei bringt hiezu vor, dass der gemäß Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 290/2007 vom Markt genommene Zucker (13,5 % des Quotenzuckers) nicht als Quotenzucker zu dem in Art. 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 genannten Referenzpreis von EUR 541,5 pro Tonne für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 verkauft werden könne. Sofern er vom zuckererzeugenden Unternehmen überhaupt produziert werde, gelte er gemäß Art. 1 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 290/2007 als sogenannter Überschusszucker. Dieser Überschusszucker könne entweder zu Industriezucker werden, wobei der für Industriezucker am Markt erzielbare Preis ungefähr die Hälfte des Referenzpreises für Quotenzucker betrage, oder aber er könne als Quotenzucker in das nächste Wirtschaftsjahr 2008/2009 übergeführt werden und müsse als erster Quotenzucker angerechnet werden (Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006). Werde für einen solchen "Überschusszucker" eine Produktionsabgabe in gleicher Höhe wie für den "Quotenzucker" eingehoben, so widerspreche dies klar dem primärrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. dem Diskriminierungsverbot. Für den Fall, dass der Überschusszucker zu Industriezucker werde, würde trotz des Umstands, dass für Industriezucker nur etwa die Hälfte des Referenzpreises für Quotenzucker erzielt werden könne, dennoch eine Produktionsabgabe in voller Höhe verrechnet; die Produktionsabgabe für den als Industriezucker genutzten Überschusszucker wäre mithin faktisch doppelt so hoch wie jene für den Quotenzucker. Für den Fall, dass der Überschusszucker gemäß Art. 12 lit. b in Verbindung mit Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 auf das folgende Wirtschaftsjahr 2008/2009 unter Anrechnung auf die Erzeugung dieses Wirtschaftsjahres übertragen werde, komme es sogar zu einer Doppelbesteuerung des Überschusszuckers in der Höhe von EUR 12,-- pro Tonne. Zunächst werde nämlich im Wirtschaftsjahr 2007/2008 eine Produktionsabgabe für den ins nächste Wirtschaftsjahr übertragenen Überschusszucker erhoben und sodann im Wirtschaftsjahr 2008/2009 wiederum eine Produktionsabgabe für den nunmehr als Quotenzucker geltenden Überschusszucker des Vorjahres. Eine derartige Doppelbesteuerung sei "jedenfalls unverhältnismäßig".

Die aufgezeigte Unverhältnismäßigkeit - so die beschwerdeführende Partei vor dem Verwaltungsgerichtshof weiter - lasse sich durch eine gebotene primärrechtskonforme Auslegung des Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 vermeiden. Schon der Wortlaut des Art. 16 leg. cit. lege nahe, dass die Produktionsabgabe ausschließlich vom tatsächlich produzierten "Quotenzucker" zu berechnen sei. Der vom Markt genommene Zucker ("Überschusszucker") dürfe jedenfalls nicht berücksichtig werden. Auch dürfe der trotz der höheren Zuckerquote nicht produzierte Zucker keine Berücksichtigung finden. Einer derartigen Interpretation stehe auch nicht die Systematik des Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 entgegen, vielmehr zeige gerade ein Vergleich der Abs. 1, 2 und 3 leg. cit. auf, dass eine derartige Interpretation gerade durch die Systematik nahegelegt werde. Auch irre die belangte Behörde, wenn sie davon ausgehe, dass sich bei einer teleologischen Auslegung des Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 klar ergebe, worauf bei der Erhebung der Produktionsabgabe abgestellt werde, nämlich auf die dem Unternehmen durch den jeweiligen Mitgliedstaat zugeteilte Quote. So übersehe die Behörde den eindeutigen Wortlaut des Art. 16 Abs. 2 leg. cit., wonach die Produktionsabgabe EUR 12,-- "pro Tonne Quotenzucker" betrage und nicht (wovon die Behörden offenbar ausgingen) pro Tonne der zugewiesenen maximalen Gesamtzuckerquote. Es sei zwar richtig, dass Art. 16 Abs. 3 der genannten Verordnung von der "besessenen Quote" spreche, jedoch übersehe die belangte Behörde dabei, dass es sich im gegebenen Regelungszusammenhang um die Quotenaufteilung innerhalb eines Mitgliedstaates handle, also die im jeweiligen Mitgliedstaat gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 zugewiesene Quote gemeint sei. Hier sei Österreich insofern ein "Sonderfall" als die beschwerdeführende Partei das einzige in Österreich ansässige Zuckerunternehmen sei. Demzufolge sei die für Österreich geltende Quote der beschwerdeführenden Partei zu 100 % zuzuweisen und damit die "besessene Quote" der beschwerdeführenden Partei eben mit 100 % der österreichischen Quote festgelegt. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Produktionsabgabe gemäß den Vorgaben des Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 "pro Tonne Quotenzucker" zu berechnen sei. Auch folge aus Art. 2 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 ebenso wie aus der Bezeichnung "Produktionsabgabe" dass es nur auf den "tatsächlich erzeugten Quotenzucker" und nicht auf die theoretisch mögliche Zuckerquote bei der Berechnung der Produktionsabgabe ankomme.

Die von der belangten Behörde getroffene Auslegung hätte zur Folge, dass dann, wenn ein Zuckerunternehmen weniger als die ihm zustehende Zuckerquote produziere, die Produktionsabgabe für eine vermeintliche Zuckerproduktion gezahlt werden müsse, die eben nicht vorliege. Eine Miteinbeziehung der Differenz zwischen möglicher Quote und faktischer Produktion stünde aber in Widerspruch zu den Zielen der gemeinschaftsrechtlichen Regelung und würde auch das primärrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot verletzen. Ein derartiger Verstoß dürfe aber der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 nicht unterstellt werden.

2.3. Die belangte Behörde verweist vor dem Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen auf den Wortlaut des Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 sowie den systematischen und teleologischen Zusammenhang dieser Bestimmung. Sie führt überdies aus, das Argument der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 zur Untermauerung der Rechtsansicht betreffend die Grundlage zur Berechnung der Produktionsabgabe im Sinne der beschwerdeführenden Partei sei auch durch Frankreich in der Expertengruppe für Zucker am 10. Jänner 2008 in Brüssel vorgebracht worden. Nach Ansicht des Rechtsdienstes der Europäischen Kommission sei diese Definition der Produktionsabgabe aber nicht zu Grunde zu legen. Überdies sei im vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid auch ausgeführt worden, dass der Titel "Produktionsabgabe" des Art. 16 leg. cit. aus der alten Zuckermarktordnung übernommen worden sei, nicht jedoch der Inhalt betreffend die Berechnung der Produktionsabgabe. Nach der Rechtslage vor der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 sei die Abgabe in Relation zur tatsächlichen Produktion zu berechnen gewesen.

Es sei allerdings im Ergebnis unbefriedigend, so die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof an anderer Stelle weiter, wenn ein Unternehmen Quotenzucker nur bis zum Erreichen einer Produktionsschwelle, die davon abhängig sei, in welchem Mitgliedstaat es seinen Sitz habe, produzieren dürfe, die Produktionsabgabe jedoch unabhängig davon für die gesamte, ihm zugeteilte Quote zu bezahlen sei. Diesbezüglich sei im vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid auch eine Befassung des EuGH angeregt worden. Es sei in diesem Zusammenhang auch die Frage aufgeworfen worden, ob die Koppelung der Produktionsabgabe allein an die zugeteilte Quote, wie dies Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 - nach Ansicht der belangten Behörde - vorsehe, unabhängig davon, ob die zugeteilte Quote auch tatsächlich zur Gänze produziert werden könne, gerechtfertigt erscheine. Hinsichtlich der diesbezüglich durch die beschwerdeführende Partei geäußerten Bedenken betreffend die Primärrechtswidrigkeit sei eine Befassung des EuGH angeregt worden.

3.0. Voraussetzungen für die Vorlage nach Art. 234 EG:

3.1. Der Verwaltungsgerichtshof geht zunächst davon aus, dass die beschwerdeführende Partei nicht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG befugt war, sie sich somit im vorliegenden Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgerichtshof auf die Rechtswidrigkeit eines Gemeinschaftsrechtsaktes berufen kann.

3.2. Im Hinblick auf die oben wiedergegebenen Rechtsansichten der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erscheint die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts dem Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall nicht als offenkundig. Zwar hat der EuGH mit Urteil vom 8. Mai 2008 in den verbundenen Rechtssachen C-5/06 und C-23/06 bis C-36/06, Zuckerfabrik Jülich AG, im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 15 Abs. 1 lit. c und d der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19. Juni 2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker insbesondere in den Randnummern 59 ff dargelegt, dass die Produktionsabgabe die Erzeuger mit der Finanzierung der Kosten für den Absatz der überschüssigen Gemeinschaftserzeugung belaste und so eine abschreckende Wirkung ausgeübt werde, jedoch im Hinblick auf den Zweck der Verordnung Nr. 1260/2001 Art. 15 Abs. 1d der genannten Verordnung dahin auszulegen sei, dass bei der Ermittlung des voraussichtlichen durchschnittlichen Verlusts je Tonne Erzeugnis alle unter diesen Artikel fallenden ausgeführten Erzeugnismengen zu berücksichtigen seien, gleich ob Erstattungen tatsächlich gewährt wurden oder nicht.

Mit den in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen hat der EuGH im Hinblick auf eine gerechte Finanzierung der Kosten für den Absatz der überschüssigen Gemeinschaftserzeugung auf die tatsächlich ausgeführten Erzeugnismengen (und nicht auf die rechtlich festgelegten Erstattungen) abgestellt. Doch erscheint - ungeachtet des systematischen Zusammenhanges der Normen - nicht zweifelsfrei, ob die in diesem Urteil zu Grunde gelegte Auslegung auch für Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 maßgeblich ist.

Die belangte Behörde hat darauf verwiesen, dass in der Expertengruppe für Zucker am 10. Jänner 2008 eine der Rechtsansicht der beschwerdeführenden Partei ähnliche Ansicht von Frankreich vorgetragen wurde. Dieser sei jedoch nach Ansicht des Rechtsdienstes der Europäischen Kommission nicht zu folgen. Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen Anlass, an diesem Tatsachenvorbringen der belangten Behörde zu zweifeln und wird dadurch in seiner Ansicht bestärkt, wonach die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts im vorliegenden Fall nicht als offenkundig erscheint.

Dies trifft auch insoweit zu, als die beschwerdeführende Partei Bedenken im Hinblick auf eine allfällige Primärrechtswidrigkeit des Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 äußert (welchem Vorbringen die belangte Behörde nicht entgegen tritt); insbesondere könnte im Licht der Rechtsprechung des EuGH ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. hiezu etwa das Urteil vom 5. Juni 2008 in der Rechtssache C- 534/06, Industria Lavorazione Carni Ovine Srl, bzw. dem Diskriminierungsverbot (vgl. hiezu etwa das Urteil des EuGH vom 15. Mai 2008 in der Rechtssache C-442/04, Königreich Spanien gegen Rat der Europäischen Union, vorliegen.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die zu lösende gemeinschaftsrechtliche Frage bezogen auf die anzuwendende Rechtslage bislang in der Rechtsprechung des EuGH nach Ansicht des vorlegenden Gerichtes keine (ausreichende) Klärung erfahren hat. Es waren daher die eingangs formulierten Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorzulegen.

Wien, am 4. Juli 2008

Gerichtsentscheidung

EuGH 62006CJ0005 Zuckerfabrik Jülich VORAB
EuGH 62006CJ0534 Industria Lavorazione Carni Ovine VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008170085.X00

Im RIS seit

11.12.2008

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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