Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des MK in M, vertreten durch Dr. Alfred Windhager, Rechtsanwalt in 4040 Linz-Urfahr, Flußgasse 15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. Jänner 2006, Zl. VwSen-300708/14/Ste, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 4 EGVG 1991 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Jänner 2006 wurde der Beschwerdeführer in Erledigung seiner Berufung gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks W vom 28. November 2005 wie folgt schuldig erkannt:
"Sie sind mit Ihrer Zustimmung im Medienwerk 'Jugend Echo, Folge 30, 05/2004', das ab Mai 2004 verbreitet wurde, auf Seite 4 samt Ihrer Wohnanschrift als Kontaktadresse und -person für den 'Eigentümer, Medieninhaber, Herausgeber und Hersteller: X, Y' genannt. Die genannte Publikation enthält auf den Seiten 1 und 2 folgende Textpassagen:
'8. Mai 1945, Tag der Befreiung von Leben, Heimat, Hab und Gut. Die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht, am 8. Mai 1945, markiert das offizielle Ende des II. Weltkrieges. An jenem Tag war der Krieg an den Fronten zu Ende und das dritte Reich der Deutschen galt als besiegt. Das wird oft als Anlass genommen diesen Tag als einen Tag zum Feiern, als einen Tag der Befreiung zu bezeichnen. Doch für die deutsche Bevölkerung begann ein neuer Krieg. (...) Mit dem Ende des deutschen Reiches waren auch Tür und Tor geöffnet für die von langer Hand geplante Umerziehung und in weiterer Folge den 'american way of live'. (...) Um aber zu verhindern, dass dereinst das deutsche Volk als Konkurrenz zu den Siegermächten wieder erstarken könnte, musste man einen Weg finden die deutsche Art, das deutsche Wesen, für immer zu vernichten; Umerziehung! (...) Anstatt einer passenden und völkisch-geprägten Kultur, die tausend Jahre Leitfaden der Deutschen gewesen war, vergiftete man die Menschen mit dem importierten und wesensfremden 'American way of life' und dem Elend des Kapitalismus. Anstelle der gewachsenen Volksgemeinschaft trat die Profitgesellschaft der Egoisten, die in der Spaßgesellschaft ihren Höhepunkt gefunden hat. Nicht mehr die Identität und die Wurzeln der Menschen stehen im Mittelpunkt, sondern der Profit. (...) Das Volk schafft sich den Staat als Ordner und Regler für die Angelegenheit der Gemeinschaft. Der
Staat vertritt somit die Lebensbedürfnisse des Volkes ... Heute
ist der Staat Beute der Bonzen und Politiker (aller Farben). Ihre Interessen sind wichtig. Lebensinteressen des eigenen Volkes sind ohne jegliche Bedeutung. Über die Köpfe des Volkes wird eine Politik betrieben die unweigerlich dem Untergang entgegen geht. Als Folge der Umerziehung (die den Deutschen ein verfälschtes Geschichtsbild und das eigene Rückrat gebrochen hat) konnte man mit uns machen was man wollte.'
Damit wird die Niederlage des NS-Regimes und die Zeit nach 1945 insgesamt als ein äußerst negatives Ereignis dargestellt und der Nationalsozialismus verharmlost und beschönigt."
Dadurch habe der Beschwerdeführer nationalsozialistisches Gedankengut im Sinne des Verbotsgesetzes, StGBl. Nr. 310/1945 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 25/1947, verbreitet. Der Beschwerdeführer wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 350,-- bestraft.
Die belangte Behörde stellte auf Grund des von ihr durchgeführten Verfahrens, insbesondere der mündlichen Verhandlung vom 26. Jänner 2006 als erwiesen fest, dass im Mai 2004 die Druckschrift "J, Folge 30, 05/2004" durch Y, einer mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Untergliederung der politischen Partei X verteilt worden sei. Auf den Seiten 1 und 2 dieser Druckschrift finde sich die oben wiedergegebene Textpassage sowie auf Seite 4 unten in der Art eines Impressums die Wortfolge:
"Eigentümer, Medieninhaber, Herausgeber und Hersteller: X, Y; alle: K. M. (der Beschwerdeführer), J. S.straße ..., PZ XY".
Im Bereich des Titels auf Seite 1 und am Ende der Seite 4 befänden sich jeweils ein Hinweis auf ein bestimmt bezeichnetes "Postfach" oder "PF" in M. , wobei auf Seite 4 unten ausdrücklich vorangestellt sei: "Alle Zuschriften an: Y".
Rechtlich kam die belangte Behörde - soweit dies im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch von Relevanz ist - zu dem Schluss, die oben wiedergegebenen Textpassagen stellten nationalsozialistisches Gedankengut jedenfalls in einer Weise dar, die als Ärgernis erregender Unfug im Rahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einzustufen gewesen sei. Unter dem Begriff "verbreiten" sei jede Handlung zu verstehen, mit der in Wort, Bild oder Schrift entsprechendes Gedankengut zugänglich gemacht werde. Völlig unzweifelhaft sei, dass eine Weitergabe einer Druckschrift unter "verbreiten" falle. Tatsächlich habe eine Verbreitung stattgefunden, da das Medienwerk jedenfalls den Anzeigenden und Zeugen zugekommen sei. Der Beschwerdeführer sei im Impressum auf Seite 4 namentlich und mit seiner Adresse genannt. Er habe dieser Verwendung zugestimmt und sei gegen die Nennung seines Namens und seiner Adresse nicht eingeschritten oder habe sich davon distanziert. Er habe damit die Weitergabe des Druckwerkes zweifellos ermöglicht und damit auch das darin enthaltene Gedankengut verbreitet. Mit Zustimmung zur Nennung seines Namens habe ihm auch klar sein müssen, dass ihn auch an den darin enthaltenen Inhalten eine Mitverantwortung treffe. Im Ergebnis könne die belangte Behörde der Behörde erster Instanz daher nicht entgegentreten, wenn sie grundsätzlich von der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit des Beschwerdeführers auf der Basis der genannten Bestimmungen ausgegangen sei.
Im Rahmen ihrer Ausführungen zur subjektiven Tatseite (zum Verschulden des Beschwerdeführers) verwies die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 5 Abs. 1 VStG, wonach dann, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimme, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge, und dieses bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne Weiteres anzunehmen sei, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehöre und der Täter nicht glaubhaft mache, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Dabei habe der Beschuldigte initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spreche. Der Beschwerdeführer habe durch Hinweise auf eine bloße "Postkastenfunktion" versucht, sich zu entlasten. Dem sei aber entgegenzuhalten, dass nach § 24 Abs. 2 Mediengesetz auf jedem periodischen Medienwerk u.a. der Name und die Anschrift des Herausgebers anzugeben seien. Dem Impressum komme eine Publizitätswirkung gerade auch in der Hinsicht zu, dass eine verantwortliche Person genannt sei, um für Außenstehende jederzeit erkennbar zu machen, an wen sie sich mit Ansprüchen zu wenden habe. Da im Druckwerk neben der bloßen Angabe von Postfächern keine andere Adresse angegeben sei, sei damit die Adresse des Beschwerdeführers und damit auch er selbst in diesem Sinne verantwortlich. Bezeichne der Beschwerdeführer seine Funktion als bloße Gefälligkeit gegenüber R. H. (dem Vertretungsbefugten von Y), so handle es sich dabei lediglich um eine Schutzbehauptung. Der Beschwerdeführer hätte wissen müssen und habe damit ohne Weiteres in Kauf genommen, dass sein Name und seine Adresse mit der Zeitschrift und deren Inhalten unmittelbar in Verbindung gebracht werde. Er habe damit auch die Verbreitung der Inhalte jedenfalls fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich in Kauf genommen. Auch ein eine Schuld ausschließender Rechtsirrtum des Beschwerdeführers darüber, dass die fraglichen Inhalte nationalsozialistisches Gedankengut jedenfalls in einer Art und Weise enthielten, die als ärgerniserregenden Unfug im Rahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit einzustufen seien, könne nicht angenommen werden, weil dem Beschwerdeführer bereits auf Grund der Gesamtsituation hätte klar sein müssen, dass die Inhalte sich jedenfalls am Rande der einschlägigen Verwaltungsstrafbestimmungen bewegten. Er hätte sich daher vor der Zustimmung zur Verwendung seines Namens und seiner Adresse zumindest genauer beraten lassen und die Inhalte gegebenenfalls überprüfen müssen. Schon weil er dies unterlassen habe, habe er auch insofern grob fahrlässig gehandelt.
Im Übrigen legte die belangte Behörde ihre Strafbemessungsgründe dar und verwies darauf, dass mangels Geringfügigkeit des Verschuldens von einer Anwendung des § 21 VStG Abstand habe genommen werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 10. Juni 2006, B 671/06-3 dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene und über Auftrag ergänzte Beschwerde, in welcher die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In Ausführung der Beschwerde machte der Beschwerdeführer geltend, aus dem Impressum im Sinne des § 24 Abs. 2 Mediengesetz sei eine Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für den Inhalt der gegenständlichen Publikation nicht abzuleiten. Im Sinne der Offenlegungspflicht nach § 25 Mediengesetz scheine der Beschwerdeführer weder als Redakteur noch als Herausgeber noch in sonstiger Weise als Verantwortlicher gemäß § 28 Mediengesetz auf.
Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.
Nach Art. IX Abs. 1 Z. 4 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen - EGVG 1991, BGBl. Nr. 50/1991 i. d.F. BGBl. I Nr. 137/2001, begeht derjenige, der nationalsozialistisches Gedankengut im Sinne des Verbotsgesetzes StGBl. Nr. 13/1945 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 25/1947 verbreitet dann, wenn diese Tat nicht gerichtlich strafbar ist, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bundespolizeidirektion mit Geldstrafe bis zu EUR 2.180,-- und mit dem Verfall der Gegenstände, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde, zu bestrafen. Im Fall der Z. 4 ist auch der Versuch strafbar.
Die belangte Behörde - wie auch schon die Behörde erster Instanz - haben den Tatbestand der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes im Sinne dieser Bestimmung als erfüllt angenommen und den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als "Kontaktadresse und -person für den Eigentümer, Medieninhaber und Herausgeber und Hersteller, X, Y", zur Verantwortung gezogen.
Nach dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung des Art. IX Abs. 1 Z. 4 EGVG wird das "Verbreiten" nationalsozialistischen Gedankengutes unter Strafe gestellt. Da dieses Gesetz eine Legaldefinition des Wortes "Verbreiten" nicht vorsieht, ist gemäß § 6 ABGB zunächst vom Wortsinn auszugehen.
Die belangte Behörde hat bereits insoweit zutreffend dargetan, dass unter "Verbreiten" jede Handlung zu verstehen ist, mit welcher derartiges Gedankengut einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird, etwa das Verteilen von Flugzetteln (siehe dazu auch Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens,
6. Auflage, S. 78f). Strafbar im Sinne dieser Bestimmung ist aber nur der unmittelbare Täter. Der Tatbestand des Verbreitens wird weder durch Unterlassung (Untätigbleiben, Nichtverhindern) noch durch bloße Ermöglichung des Verbreitens erfüllt.
Im Beschwerdefall leitete die belangte Behörde die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers ausschließlich aus dem Umstand ab, dass im Impressum dieser Druckschrift sein Name und seine Anschrift als Zustelladresse aufscheint. Eine (aktive) Verbreitung der Druckschrift im oben dargelegten Sinne unterstellte sie ihm hingegen nicht. Im gerichtlichen Strafrecht wie gleichermaßen auch im Verwaltungsstrafrecht (§ 1 Abs. 1 StGB, § 1 Abs. 1 VStG, vgl. auch Art. 7 Z. 1 EMRK) gilt ein grundsätzliches Analogieverbot. Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe ist, dass die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich durch ein Gesetz für strafbar erklärt war. Strafrechtsquelle ist ausschließlich das geschriebene Gesetz. Eine Ergänzung dieses Gesetzes durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschließung (etwa durch Größenschluss) zum Nachteil des Täters ist untersagt. Daher war es rechtswidrig, den Beschwerdeführer wegen eines Delikts zur Verantwortung zu ziehen, das nur die Tathandlung des unmittelbaren Täters unter Strafe stellt, der der Beschwerdeführer aber nach den getroffenen Feststellungen der Behörden nicht war. Ob der Beschwerdeführer bei der gegebenen Sachlage wegen Beihilfe (§ 7 VStG) strafbar hätte sein können, kann dahinstehen, weil die Behörden ihn als unmittelbaren Täter zur Verantwortung gezogen haben. Eine Person kann den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung aber nur entweder als unmittelbarer Täter oder in der Begehungsform der Beihilfe begehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 1990, Zl. 90/18/0013, u.a.).
Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 8. August 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006090126.X00Im RIS seit
24.09.2008Zuletzt aktualisiert am
14.01.2015