TE Vwgh Erkenntnis 2008/8/8 2006/09/0131

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Veröffentlicht am 08.08.2008
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §91;
B-VG Art20 Abs1;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §44a Z2 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des A W in W, vertreten durch Dr. Egbert Schmid und Dr. Michael Kutis, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 113, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 3. Mai 2006, Zl. 15/8-DOK/06, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, das ist insoweit die Schuldsprüche zu Spruchpunkten (1.), (3.) und

(4.) des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses bestätigt wurde sowie im Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Oberoffizial in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist seit dem 4. September 1978 im Postdienst beschäftigt und wurde im Tatzeitpunkt im Gesamtzustelldienst der Zustellbasis (ZB) 1210 Wien verwendet.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer in Erledigung seiner Berufung gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 14. Dezember 2005 in nichtöffentlicher Sitzung schuldig erkannt, er habe

(1.) eine für den 14. Dezember 2004 zur Zustellung vorgesehene Info.Postsendung bereits am 13. Dezember 2004 und somit eigenmächtig verfrüht zur Zustellung gebracht,

...

(3.) einen Stützpunktfahrer zu verleiten versucht, auf Befragung durch die Vorgesetzten zu erklären, er hätte zwei Säcke zu den Stützpunkten bereits hinausgeführt und

(4.) entgegen den Qualitätskriterien der Österreichischen Post AG Info.Postsendungen ineinander in die HBFA (Hausbrieffächer) eingelegt und dadurch hinsichtlich Punkt (1.) gegen die Pflicht des Beamten, seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen (§ 44 Abs. 1 BDG 1979) sowie hinsichtlich Punkt (3.) und (4.) gegen die Pflicht des Beamten, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 43 Abs. 1 BDG 1979) verstoßen zu haben und hierdurch Dienstpflichtverletzungen im Sinn des § 91 leg. cit. begangen zu haben. Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von EUR 800,-- verhängt.

Von dem weiteren Anschuldigungspunkt (2.), er habe hinsichtlich der Zustellung zu Anschuldigungspunkt (1.) dem Vorgesetzten gegenüber falsche Angaben gemacht, indem er erklärt habe, er hätte diesen Verteiler bereits im Stützpunktkasten liegen gehabt, wurde der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren freigesprochen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung den von der Behörde erster Instanz als erwiesen angenommenen Sachverhalt zu Grunde. Danach habe der Beschwerdeführer am 14. Dezember 2004 eine für diesen Tag bereitgestellte Info.Postsendung zur Zustellung bringen sollen. Da sich bei der Kontrolle durch den Distributionsleiter (in der Folge: DL) herausgestellt habe, dass diese Info.Postsendung nicht am Rayonstisch gelegen sei, sei der Beschwerdeführer über den Verbleib der Info.Postsendung befragt worden. Der Beschwerdeführer habe gegenüber dem DL angegeben, dass er die Info.Postsendung schon am Vortag durch die Sonderboten in drei Stützpunkte habe führen lassen. Daraufhin sei ein namentlich genannter Fahrer vom DL beauftragt worden, die angegebenen drei Stützpunktkästen im Rayon 29 zu kontrollieren. Kurze Zeit später sei der Fahrer vom Beschwerdeführer gefragt worden, ob er ihm einen Gefallen tun könnte, nämlich, ob er sagen könnte, dass er die Stützpunktsäcke bereits am Vortag in den Stützpunktkästen deponiert hätte. Der Fahrer habe dem Beschwerdeführer geantwortet, dass er seinem Vorgesetzten gegenüber sicher nicht lügen werde. Danach sei der Fahrer zum DL gegangen und habe diesem das Gespräch mit dem Beschwerdeführer gemeldet. Der DL habe den Fahrer daraufhin beauftragt, die Stützpunktkästen sofort zu kontrollieren. Hierbei habe sich herausgestellt, dass die vom Beschwerdeführer gemeldeten Stützpunkte leer gewesen seien.

Des Weiteren sei bei einer "HBFA-Kontrolle" (Hausbrieffach-Kontrolle) festgestellt worden, dass die Info.Postsendungen vom Beschwerdeführer ineinander gelegt worden seien, was nicht den "Qualitätskriterien" der Österreichischen Post AG entspreche. Diesbezüglich sei der Beschwerdeführer bereits am 21. November 2003 schriftlich ermahnt worden, nachdem ihm das Ineinanderlegen von Info.Mailsendungen bereits des öfteren untersagt worden sei.

Niederschriftlich befragt habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er die Info.Sendungen am 13. Dezember 2004 zugestellt hätte, weil am Bundzettel "13. 12." und "14. 12."

gestanden wäre und er am 13. Dezember mehr Zeit gehabt hätte. Am 14. Dezember 2004 wäre sein Chef zu ihm gekommen und hätte nach diesem "Verteiler" gefragt. Um sich nicht rechtfertigen zu müssen, hätte der Beschwerdeführer ihm gesagt, dass dieser "Verteiler" im Stützpunktkasten liege. Einige Zeit später wäre der Stützpunktfahrer zum Beschwerdeführer gekommen und hätte ihm erzählt, dass der DL die Verteiler suche. Der Beschwerdeführer hätte zum Stützpunktfahrer gesagt, falls er gefragt werden würde, hätte er zwei Säcke hinausgeführt. Der Stützpunktfahrer hätte zu ihm gesagt, er könne nicht lügen und der Beschuldigte hätte ihm gesagt, er solle sagen, was er für richtig empfinde, wenn er gefragt würde. Dann habe der Beschwerdeführer ihm EUR 4,-- gegeben, weil er täglich seine Stützpunktsäcke in die Depots lege.

Hinsichtlich des Ineinanderlegens von Verteilern habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er, wenn er mehr als vier "Verteiler" hätte, sich einen "Verteiler", der kleiner wäre als die anderen, heraussuche und die anderen hineinlege, so dass diese herausschauten. Dies sei für ihn eine Arbeitserleichterung.

Laut Auskunft der Regionalleitung Distribution Wien könne der Zustelltag einer Info.Postsendung nicht vom jeweiligen Zusteller ausgesucht werden, sondern es werde dieser Tag vom zuständigen DL für jeden Tag bekannt gegeben. Keineswegs zählten die auf den Bundzetteln stehenden Tage, sondern ausschließlich die vom DL angekündigten Zustelltage.

Der Freispruch von Anschuldigungspunkt (2.) wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, dass es sich hierbei um eine straflose Nachtat gehandelt habe, weil falsche Aussagen, vor allem Vorgesetzten gegenüber, geradezu typische Deckungshandlungen und daher disziplinär nicht relevant seien.

Hinsichtlich der Bestätigung der Schuldsprüche zu Spruchpunkten (1.), (3.) und (4.) führte die belangte Behörde rechtlich zunächst aus, auch hinsichtlich des Punktes (3.) sei zu untersuchen, ob hier eine straflose Nachtat vorliege; dies sei allerdings zu verneinen, denn auch bei Annahme, dass ein Beschuldigter das Recht habe, die Unwahrheit zu sagen bzw. sich einer Aussage gänzlich zu enthalten, gehe das Vorgehen des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall doch über diese Rechte als Beschuldigter hinaus. Die Grenze zu einer straflosen Deckungshandlung sei jedenfalls dort überschritten, wo der Beschuldigte versuche, einen Kollegen in das Fehlverhalten hineinzuziehen, und ihn damit selbst der Gefahr der Begehung einer Dienstpflichtverletzung aussetze. Die dem Beschwerdeführer angelasteten Vorgangsweisen zu Spruchpunkt (2.) und (3.) des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses hätten jedenfalls deutlich gezeigt, dass der Beschwerdeführer sich durchaus bewusst gewesen sei, dass die Info.Post, wie in Spruchpunkt (1.) ausgeführt, erst am 14. Dezember 2004 zuzustellen gewesen wäre. Nur so machten seine Verschleierungshandlungen, welche den Distributionsleiter hätten glauben machen sollen, dass die Info.Post noch am Stützpunkt gelegen sei, Sinn.

Zu Spruchpunkt (4.) verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer selbst eingestanden habe, die Info.Post ineinander gefächert in die Hausbrieffächer eingelegt zu haben. Dies widerspreche den "Qualitätskriterien". Die verbleibenden Spruchpunkte (1.), (3.) und (4.) der von der Behörde erster Instanz angelasteten Dienstverfehlungen seien "daher" keinesfalls zu bagatellisieren.

Zur Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers sei auszuführen, dass sich dem neurologischen Gutachten eindeutig entnehmen lasse, dass der Beschwerdeführer sehr wohl Recht von Unrecht habe unterscheiden können. Nur darauf komme es bei der Bejahung der Schuldfähigkeit an. Darüber hinaus gehende psychische Probleme des Beschwerdeführers seien in dieser Hinsicht irrelevant, sodass von der Einholung eines ergänzenden Gutachtens habe Abstand genommen werden können. Im gegenständlichen Fall sei dem Beschwerdeführer zur subjektiven Tatseite jedenfalls ein vorsätzliches Fehlverhalten anzulasten gewesen.

Für die Strafbemessung sei gemäß § 93 Abs. 2 BDG 1979 der Anschuldigungspunkt (3.) als schwerste Dienstpflichtverletzung zu werten gewesen. Ungeachtet der Strafmilderungsgründe des Geständnisses, des geringen Unrechtsgehaltes der Taten, der angespannten psychischen Situation des Beschwerdeführers und des Umstandes, dass der Österreichischen Post AG kein Schaden nach außen entstanden sei, denen als Erschwerungsgrund die weiteren Dienstpflichtverletzungen gegenüber stünden, habe in Ansehung der objektiven Schwere der dem Beschwerdeführer angelasteten Taten nur mit der Disziplinarstrafe der Geldbuße des Auslangen gefunden werden können. Mit der Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von EUR 800,-- werde den Verfehlungen des Beschwerdeführers schuld- und tatangemessen entsprochen und sowohl spezial- als auch generalpräventiven Erwägungen hinreichend Rechnung getragen, um der Begehung gleichartiger Dienstpflichtverletzungen durch den Beschwerdeführer und andere Beamte angemessen zu begegnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragte lediglich die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer in Ausführung der Beschwerde geltend, zu Unrecht habe die belangte Behörde seinen Beweisantrag, eine Ergänzung des neurologischen Gutachtens vorzunehmen, abgelehnt. Eine solche Ergänzung wäre aber zur umfassenden Beurteilung der Frage seiner Schuldfähigkeit im Tatzeitpunkt erforderlich gewesen. Aus dem bereits vorliegenden neurologischen Gutachten habe sich ergeben, dass der Beschwerdeführer - im Näheren bezeichnete - psychische Auffälligkeiten aufweise, die seine Dispositionsfähigkeit einschränkten, jedenfalls aber ein vorsätzliches Verhalten, wie es die Behörde ihm anlaste, ausschließe.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, der ihm zu Faktum (1.) vorgeworfenen Tathandlung fehle die disziplinäre Relevanz, zumal der Kunde der Österreichischen Post AG eine Zustellung der Info.Postsendung am "13. 12. oder 14. 12. 2004" gewünscht habe, also aus einer verfrühten Zustellung dieser Postsendung der Österreichischen Post AG keinerlei Nachteil erwachsen sei. Auch hinsichtlich des Vorwurfs zu Faktum (3.) sei unrichtig davon ausgegangen, er habe den Stützpunktfahrer zu einer falschen Angabe seinem Vorgesetzten gegenüber verleiten wollen, was aber aus den getroffenen Feststellungen nicht ableitbar sei. Selbst wenn über sein Ersuchen hin tatsachenwidrige Angaben gemacht worden wären, wäre dies sowohl für den Dienstbetrieb als auch nach außen hin absolut folgenlos geblieben, mit Ausnahme dessen, dass ein ohnedies disziplinarrechtlich nicht relevanter Vorwurf von ihm abgewendet worden wäre. Bei der zu Faktum (4.) vorgeworfenen Tathandlung habe es sich - wie schon bei der Tathandlung zu Faktum

(1.) - um eine Handlung in "Eigenregie" als Folge seiner psychischen Probleme gehandelt, die dazu hätte dienen sollen, die ihm übertragenen Aufgaben bewältigen zu können. In richtiger rechtlicher Würdigung des Sachverhaltes hätte die belangte Behörde daher die Tatbestandsmäßigkeit hinsichtlich der Fakten (1.) und (3.) weder in objektiver noch in subjektiver, hinsichtlich des Faktums (4.) in subjektiver Richtung nicht als gegeben annehmen dürfen.

Der angefochtene Bescheid ist inhaltlich rechtswidrig.

Zu Faktum (1.):

Die belangte Behörde subsumierte diesen Tatvorwurf (verfrühte Zustellung einer Postwurfsendung) unter die Bestimmung des § 44 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes - BDG 1979, BGBl. Nr. 333, in der Fassung BGBl. I Nr. 10/1999, wonach der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung aber bereits wiederholt darauf hingewiesen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 6. März 2008, Zl. 2006/09/0010, und vom 18. Jänner 2007, Zl. 2004/09/0139, jeweils mwN), dass dann, wenn in einem Disziplinarerkenntnis der Vorwurf der Missachtung einer Weisung entgegen § 44 Abs. 1 BDG 1979 erhoben wird, sowohl der Inhalt der Weisung, deren Verletzung Gegenstand des Verfahrens ist, als auch das vorgeworfene, der Weisung zuwiderlaufende Verhalten des Beschuldigten auf präzise Weise dargestellt werden muss, sodass der Beschuldigte dadurch in die Lage versetzt ist, sich im Rechtsmittelverfahren sowohl mit auf den konkreten Tatvorwurf bezogenen rechtlichen Argumenten als auch mit Beweisanboten zur Wehr zu setzen und davor geschützt wird, wegen desselben Vorwurfes nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid, selbst wenn man Elemente seiner Begründung in die Beurteilung mit einbezieht, nicht gerecht, weil der genaue Wortlaut der konkreten Weisung, deren Verletzung dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht wurde, nicht in den Spruch aufgenommen worden war. Abgesehen davon ist es in Anbetracht der im vorliegenden Fall gegebenen Konstellation für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen - abgesehen von der bloßen Weisungsmissachtung - eine verfrühte Zustellung einer Postwurfsendung, die noch dazu dem bekundeten Willen des Absenders entsprach, die Grenze der disziplinären Bedeutungslosigkeit überschritten haben soll.

Zu Faktum (3.):

Als schwerste der dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemachten Dienstpflichtverletzungen erachtete die belangte Behörde jene zu Punkt (3.) des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses, weil es besonders verwerflich sei, einen Kollegen dazu zu bestimmen versucht zu haben, dem Vorgesetzten gegenüber unrichtige Angaben zu machen.

Zutreffend weist der Beschwerdeführer aber in der Beschwerde darauf hin, dass aus den oben wiedergegebenen und von der belangten Behörde übernommenen Feststellungen der Behörde erster Instanz nicht hervorgeht, dass jene Aussage, welche der Beschwerdeführer dem Stützpunktfahrer vorgeschlagen haben soll, tatsächlich eine unrichtige gewesen wäre. Solches lässt sich zwar aus dessen Reaktion, er wolle nicht lügen, ableiten, es hätte aber wohl der ausdrücklichen Feststellung bedurft, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer gewünschten Angabe tatsächlich um eine unrichtige, das heißt mit den Tatsachen in Widerspruch stehende, gehandelt habe, zumal die Postwurfsendung ja schon zugestellt gewesen und daher bereits vorher in die Stützpunkte gelangt sein musste. Die belangte Behörde hat darüber hinaus insbesondere übersehen, dass der Beschwerdeführer nach seiner - von ihr nicht als unglaubwürdig gewerteten, sondern in die getroffenen Feststellungen aufgenommenen - insoweit geständigen Aussage anlässlich der von der Behörde erster Instanz am 14. April 2005 durchgeführten mündlichen Verhandlung dem Stützpunktfahrer gegenüber selbst bereits vor "Aufdeckung" der Tat von seinem

Vorhaben Abstand genommen hatte ("... habe ihm gesagt, er soll

sagen, was er für richtig empfindet, wenn er gefragt wird ..."). Damit ist der Beschwerdeführer aber erkennbar von seiner ursprünglichen Absicht, den Fahrer zu einer unrichtigen Aussage zu bestimmen, von selbst wieder abgerückt.

Mangels erkennbarer Abweichung knüpft das BDG 1979 bei den von ihm nicht definierten Deliktselementen (tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes menschliches Verhalten) am Begriffsverständnis des Allgemeinen Teils des StGB an (vgl. dazu auch Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, S 21ff, sowie das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2001, Zl. 99/09/0126). Unter Schuld ist dabei die "Vorwerfbarkeit der Tat mit Rücksicht auf die darin liegende zu missbilligende Gesinnung des Täters" zu verstehen, die drei Komponenten umfasst: a) das biologische Schuldelement, d.h. der Täter muss voll zurechnungsfähig sein;

b) das psychologische Schuldelement, d.h. der Täter muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben und

c) das normative Schuldelement, d.h. dem Täter muss zugemutet werden können, dass er sich rechtmäßig verhält (siehe auch dazu Kucsko-Stadlmayer, aaO, S 31). Diese angeführten Elemente sind Voraussetzung für eine disziplinäre Strafbarkeit eines Verhaltens; fehlt auch nur eines dieser Elemente, so darf eine Strafe nicht verhängt werden. Liegt etwa ein (sachlicher oder persönlicher) Strafausschließungsgrund vor, hat die Tat bzw. der Täter straflos zu bleiben (vgl. dazu Kucsko-Stadlmayer, aaO, S 44). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer hinsichtlich des Anschuldigungspunktes (3.) die Ausführung der Tat (nämlich den Versuch, jemanden zu einer unrichtigen Angabe zu bewegen) freiwillig aufgegeben, was sein Verhalten aber im oben aufgezeigten Sinne straflos gemacht hat (siehe dazu auch § 16 Abs. 1 StGB). Eine disziplinäre Bestrafung wegen dieses Vorwurfs erweist sich sohin als rechtlich verfehlt.

Zu Faktum (4.):

Der Beschwerdeführer hat sich zu diesem Anschuldigungspunkt zwar in der Verhandlung für schuldig bekannt, aber geltend gemacht, nur diese Art der Zustellung von Massensendungen sei ihm wegen seiner Behinderung zumutbar. Die belangte Behörde hat das Ineinanderlegen von Postwurfsendungen deswegen als disziplinäre Verfehlung erachtet, weil die vom Beschwerdeführer gehandhabte Vorgangsweise nicht den "Qualitätskriterien" der Österreichischen Post AG entspreche, ohne diese aber näher darzulegen. Sie hat dieses Verhalten auch nicht dem § 44 Abs. 1 BDG 1979, sondern § 43 Abs. 1 leg. cit. unterstellt und damit implizit zu erkennen gegeben, dass sie die Ansicht vertritt, der Beschwerdeführer habe in Hinblick auf dieses Verhalten seine dienstlichen Aufgaben nicht "unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem besorgt". Dabei hat sie jedoch diese "geltende Rechtsordnung", insbesondere jene konkreten Rechtsvorschriften, deren Missachtung sie dem Beschwerdeführer zum Vorwurf macht, nicht konkret benannt. In einem solchen Fall ist es aber auch dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, die von den Behörden nicht konkretisierte verletzte Rechtsvorschrift im Rahmen der rechtlichen Prüfung des Bescheides nachzutragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, Zl. 2005/09/0126). Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid auch zu Anschuldigungspunkt (4.) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne dass ferner zu prüfen war, inwieweit auch dieses Verhalten die Schwelle der disziplinären Belanglosigkeit übersteigt.

Aus allen diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei auf die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen hat, dahingestellt bleiben kann.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 8. August 2008

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Inhalt des Spruches DiversesBesondere RechtsgebieteMängel im Spruch Fehlen von wesentlichen TatbestandsmerkmalenSpruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung)Mängel im Spruch Nichtangabe der verletzten Verwaltungsvorschrift"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006090131.X00

Im RIS seit

09.09.2008

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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