TE Vwgh Erkenntnis 2008/8/8 2007/09/0314

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Veröffentlicht am 08.08.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
23/04 Exekutionsordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

ABGB §140;
ABGB §94;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §112 Abs1 impl;
BDG 1979 §112 Abs4 impl;
BDG 1979 §112 impl;
BDG 1979 §118 Abs1 impl;
ExMinV 2003;
HDG 2002 §39 Abs1;
HDG 2002 §39 Abs6;
HDG 2002 §39;
HDG 2002 §40 Abs1 Z2;
HDG 2002 §40 Abs4;
HDG 2002 §61 Abs3;
MRK Art6;
VwGG §39 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des H S in L, vertreten durch Weixelbaum, Humer, Trenkwalder & Partner, Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Lastenstraße 36, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 18. Oktober 2007, Zl. 7-DOKS/07, betreffend Dienstenthebung und Verminderung der Bezugskürzung nach dem Heeresdisziplinargesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer steht als Berufsunteroffizier (UO) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er wurde seit 1. Dezember 1976 in H zur Dienstleistung herangezogen und versah seinen Dienst als Luftfahrzeugmechaniker-UO & Wart I. Klasse & Bordtechniker bei der 1. Staffel Fliegerregiment 3. Er wurde am 4. Jänner 2007 auf Grund einer Anweisung des Streitkräfteführungskommandos vom stellvertretenden Regimentskommandanten (zu ergänzen: des Fliegerregimentes 3) Obstlt. K im Beisein einer Vertrauensperson des Beschwerdeführers von seiner Funktion abgezogen und versah seither seinen Dienst als Kommandant und stv. Zugskommandant einer näher bezeichneten Einheit im Fliegerregiment 3.

Beim LG für Strafsachen Wien wurde am 5. Juni 2007 gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der Begehung der Straftaten gemäß § 256 StGB (Vergehen des Geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs) und § 319 StGB (Militärischer Nachrichtendienst für einen fremden Staat) die gerichtliche Voruntersuchung eingeleitet.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2007 wurde der Beschwerdeführer durch den zuständigen Disziplinarvorgesetzten gemäß § 39 Abs. 1 Z. 2 Heeresdisziplinargesetz 2000 (HDG) vorläufig vom Dienst enthoben (samt gesetzlich vorgegebener Bezugskürzung).

Die Disziplinarkommission für Soldaten (DKS) verhängte mit Beschluss vom 9. August 2007 über den Beschwerdeführer gemäß § 39 Abs. 3 HDG die Dienstenthebung.

Die DKS ging (zusammengefasst) im Verdachtsbereich vom Sachverhalt aus - wie in einem im Zuge der gerichtlichen Voruntersuchung ergangenen Haftbefehl ausgeführt werde -, der Beschwerdeführer habe von dem im E-Konzern beschäftigten deutschen Staatsangehörigen G im Laufe mehrerer Jahre ua. mehrere Wartungs- und Gebrauchsunterlagen für verschiedene Helikoptertypen, die auch detaillierte technische Daten des jeweiligen Fluggerätes beinhalteten, bestellt und jeweils gegen Bezahlung einer größeren Geldsumme geliefert erhalten. Diese Unterlagen habe der Beschwerdeführer an den russischen Staatsbürger V übergeben. Der Beschwerdeführer stehe im konkreten Verdacht der Vergehen gemäß §§ 256 und 317 StGB.

Dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden, die Behörde erster Instanz gehe dennoch von dem im genannten Haftbefehl umschriebenen Verdacht aus; der Beschwerdeführer habe mit seiner Stellungnahme die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der genannten gerichtlich strafbaren Handlungen nicht entkräften können. Der Verdacht, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand der §§ 256 und 319 StGB erfülle, begründe auch den Verdacht von Pflichtverletzungen durch Verstoß gegen die Bestimmungen des § 43 Abs. 2 BDG. Jeder Soldat, der des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs und/oder für einen fremden Staat überführt werde, erschüttere jedenfalls das Vertrauen seiner Vorgesetzten, aller Kameraden und begründe den Verdacht von schweren Pflichtverletzungen, deren Auswirkungen im gegenständlichen Fall derzeit nicht absehbar seien.

Die dem Beschwerdeführer im Verdachtsbereich zur Last liegenden Dienstpflichtverletzungen seien im derzeitigen Verfahrensstadium im Hinblick auf die gerichtlichen Voruntersuchungen nicht zu klären.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Zugleich mit der Berufung stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz ausgesprochene Kürzung der Dienstbezüge aufzuheben, in eventu auf maximal 5 % zu reduzieren.

Die belangte Behörde gab der Berufung mit Spruchpunkt 1) des angefochtenen Bescheides nicht statt und bestätigte den Beschluss der Behörde erster Instanz, der Beschwerdeführer bleibe gemäß §§ 39 Abs. 3 iVm 41 Abs. 3 HDG vom Dienst enthoben. Mit Spruchpunkt 2) gab sie dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verminderung der Bezugskürzung gemäß § 41 Abs. 3 Z. 2 HDG nicht statt.

Die belangte Behörde begründete zu Spruchpunkt 1) unter anderem:

Der Beschwerdeführer stehe im Verdacht, er habe durch die Beschaffung von diversen EADS-Hubschrauber-spezifischen Materialien und schriftlichen Unterlagen für die Wartung und Betrieb seit dem Jahr 1997, zuletzt am 12. August 2006, und deren Weiterleitung an den russischen Staatsbürger V unter anderem gerichtlich strafbare Handlungen nach § 256 und § 319 StGB und eine Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 begangen.

Die vom Beschwerdeführer eingewendete Tatsache seiner Enthaftung am 25. Juni 2007 wegen Wegfall der Untersuchungshaftgründe habe keinerlei Auswirkungen auf den trotz allem zurückbleibenden Verdacht der gegenständlichen Pflichtverletzung, der aus dem "bisher erhobenen Sachverhalt ersichtlich" sei. Die gerichtlichen Voruntersuchungen seien bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht abgeschlossen.

Die Handlungen, derer der Beschwerdeführer verdächtigt werde, nämlich das Ausspähen von militärischen und wirtschaftlichen Betriebsgeheimnissen, stellten in den Augen der Allgemeinheit, vor allem aber in den Augen der militärischen Führung, ein systemwidriges Delikt dar. Durch die Dienstenthebung solle weiters verhindert werden, dass der Beschwerdeführer sein militärisches und dienstliches Umfeld mit Rechtfertigungen über seine im Verdachtsbereich vorliegenden Pflichtverletzungen konfrontiere und er solle keine Möglichkeit erhalten, weiterhin ungehinderten Zugang zu schutzwürdigen militärischen Rechtsgütern zu erhalten. Die Aufhebung der Dienstenthebung sei nicht denkbar, da ansonsten wesentliche dienstliche Interessen im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit und der Geheimnisschutz des öffentlichen Dienstes und der dort herrschenden Arbeitsabläufe gefährdet würden.

Zu Spruchpunkt 2) führte die belangte Behörde im Wesentlichen unter Nennung des exakten ungekürzten und gekürzten Nettobezuges unter Zugrundelegung der in der Existenzminimum-Verordnung 2003 (ExMinV) angeführten Beträge aus, dass das gekürzte Nettoeinkommen über dem Bereich der Beträge liege, die nach der ExMinV als Existenzminimum gälten und für den notwendigen Lebensunterhalt nach § 40 Abs. 1 HDG als Richtwert herangezogen würden. Es schließen Ausführungen an, welche vom Beschwerdeführer vorgebrachten Ausgaben aus welchen Gründen nicht dem notwendigen Lebensunterhalt zugeordnet würden. Die belangte Behörde weist auf das Vorliegen von Vermögen (Erlebensversicherung) hin sowie dass dem dienstenthobenen Soldaten, der keinen Dienst leiste, eine Einschränkung der bisherigen Lebenshaltung zugemutet werde dürfe, zumal er gewisse Aufwendungen (zumindest Fahrtkosten) ersparen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

A) Zu beiden Spruchpunkten:

Der Beschwerdeführer wendet zunächst Befangenheit der belangten Behörde ein, weil er - wie er in seiner Beschwerde in der Darstellung des Sachverhaltes detailliert ausführt - auf Grund einer "Anweisung des Streitkräfteführungskommando" vom stellvertretenden Regimentskommandanten (des Fliegerregiments 3) Obstlt. K im Beisein eines Vertrauensmannes von der Truppe abgezogen worden sei. Eine schriftliche Begründung sei dem Beschwerdeführer erst Tage danach zur Kenntnis gebracht worden, wobei es sich "jedoch dabei um ein 'Verschlussschreiben' an Obstlt. K" gehandelt habe. Dessen Bruder Mag. K sei Vorsitzender, der belangten Behörde. Beim Streitkräfteführungskommando handelt es sich aber um eine dem Fliegerregiment übergeordnete Dienstbehörde (siehe die für jedermann zugängliche Homepage des Bundesministeriums für Landesverteidigung, Österreichs Bundesheer - Übersicht Gliederung (Luftstreitkräfte), www.bundesheer.at/organisation/gliederung/lusk.shtml). Obstlt. K hat demnach bei der Durchführung dieser Anweisung des Streitkräfteführungskommandos am 4. Jänner 2007 nur den Willen einer ihm übergeordneten Dienststelle ausgeführt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2007, Zlen. 2005/09/0130, 2006/09/0082). Es ist damit kein Grund zu ersehen, weshalb der Bruder von Obstlt. K als Vorsitzender der belangten Behörde hätte befangen sein sollen.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass im angefochtenen Bescheid das Datum des Beschlusses der Behörde offensichtlich auf 18.  Oktober 2007 ausgebessert worden ist, er spekuliert, es "liegt der Schluss nahe, dass die belangte Behörde bereits vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides in einer Sitzung vom 1. August 2007 mit der gegenständlichen Thematik befasst war". Der Beschwerdeführer versucht nicht einmal seine Spekulation zu begründen.

Das jetzige Datum des Beschlusses 18. Oktober 2007 entspricht dem Datum des Bescheides. Dass es sich um die Berichtigung eines offenkundigen Schreibfehlers im Urzustand des angefochtenen Bescheides gehandelt hat, den die belangte Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ausgebessert hat (und den zu berichtigen die belangte Behörde selbst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides berechtigt und verpflichtet gewesen wäre), ist bei objektiver Betrachtung des angefochtenen Bescheides schon deshalb klar, weil sich der Spruch des angefochtenen Bescheides gravierend von dem des Bescheides der Behörde erster Instanz unterscheidet und in der Begründung u.a. auch die Berufung des Beschwerdeführers als auch die Erwägungen der belangten Behörde enthalten sind, die wohl zum Zeitpunkt der Beratung über den Bescheid der Behörde erster Instanz noch nicht bekannt sein konnten.

B) Zu Spruchpunkt 1) des angefochtenen Bescheides:

§ 39 HDG 2002, BGBl. I Nr. 167, betreffend die Dienstenthebung, lautet:

"Voraussetzungen, Zuständigkeit und Dauer

§ 39. (1) Der Disziplinarvorgesetzte hat die vorläufige Dienstenthebung eines Soldaten, der dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehört, zu verfügen, sofern

1. über diesen Soldaten die Untersuchungshaft verhängt wurde oder

2. das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes, insbesondere die Aufrechterhaltung der Disziplin und Ordnung, wegen der Art einer diesem Soldaten zur Last gelegten Pflichtverletzung durch seine Belassung im Dienst gefährdet würden.

(2) Eine vorläufige Dienstenthebung ist an Stelle des Disziplinarvorgesetzten zu verfügen von

1. a) den Vorgesetzten des Disziplinarvorgesetzten oder

b) den mit der Vornahme einer Inspizierung betrauten Offizieren, sofern der Disziplinarvorgesetzte an der Verfügung verhindert ist, oder

2. dem zum Zeitpunkt des Eintrittes der Voraussetzungen nach Abs. 1 den Soldaten vorgesetzten Kommandanten nach § 13 Abs. 1 Z 1 und 2, sofern der Soldat zu diesem Zeitpunkt der Befehlsgewalt seines Disziplinarvorgesetzten nicht unterstellt ist.

(3) Jede vorläufige Dienstenthebung ist von dem Organ, das diese Maßnahme verfügt hat, unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen. Fallen die für die vorläufige Dienstenthebung maßgebenden Umstände vor dieser Mitteilung weg, so hat dieses Organ die vorläufige Dienstenthebung unverzüglich aufzuheben. Die Kommission hat mit Beschluss die Dienstenthebung zu verfügen oder nicht zu verfügen. Die vorläufige Dienstenthebung endet jedenfalls mit dem Tag, an dem dieser Beschluss dem Betroffenen zugestellt wird.

(4) Ist bei einer Kommission im Disziplinarverfahren bereits ein Verfahren anhängig, so ist gegen den Beschuldigten wegen der diesem Verfahren zugrunde liegenden Pflichtverletzung eine vorläufige Dienstenthebung nicht zulässig. Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat die jeweilige Kommission unmittelbar die Dienstenthebung zu verfügen.

(5) Vom Dienst, wenn auch nur vorläufig, enthobene Soldaten sind verpflichtet, sich auf Anordnung ihres Disziplinarvorgesetzten zu bestimmten Zeiten bei der von diesem Organ bezeichneten militärischen Dienststelle zu melden.

(6) Die Dienstenthebung endet spätestens mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens. Fallen die für die Dienstenthebung maßgebenden Umstände vorher weg, so ist die Dienstenthebung von der Kommission im Disziplinarverfahren, bei der das Verfahren anhängig ist, unverzüglich aufzuheben."

Wie der Beschwerdeführer in seiner Sachverhaltsdarstellung aufzeigt, übernahm die belangte Behörde den von der Behörde erster Instanz festgestellten Sachverhalt. Dass sie - wie der Beschwerdeführer rügt - dabei nicht auf seine Beweisanträge eingegangen ist, stellt aus folgenden Gründen keine Rechtswidrigkeit dar:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Suspendierung, der die gegenständliche Dienstenthebung nach dem HDG inhaltlich entspricht, ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist. Sie stellt keine endgültige Lösung dar. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Es genügt demnach, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Dies ist dann der Fall, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Die Berechtigung zur Verfügung der Dienstenthebung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Dienstenthebung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst auf Grund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern.

Im Hinblick auf diese Funktion der Dienstenthebung können an die in der Begründung eines die Dienstenthebung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Das dem Beamten im Dienstenthebungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, das im Verdachtsbereich als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, muss nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, das heißt in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Dienstenthebungsbescheides ist aber darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Dienstenthebung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt.

Jene Behörde, welche über die Dienstenthebung entscheidet, hat aber zu beurteilen, ob dem Beamten ausreichend schwere Dienstpflichtverletzungen zur Last liegen, um ihn vorläufig an der Ausübung seines weiteren Dienstes zu hindern. Die Verfügung der Dienstenthebung setzt den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen "ihrer Art" das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwer wiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Dienstenthebung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwer wiegend zu vermuten ist. Auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Dienstenthebung begründet sein, z.B. bei denkbarer Verdunkelungsgefahr im Dienst oder schwerer Belastung des Betriebsklimas. Dagegen liegt das dienstliche Interesse, und zwar sowohl vor wie auch nach Aufklärung, bei Verfehlungen auf der Hand, die in der Regel zur Disziplinarstrafe der Entlassung führen. Denn darin kommt eine so erhebliche Unzuverlässigkeit zum Ausdruck, dass der Verwaltung und der Allgemeinheit bis zur Klärung und zum Abschluss des Falles eine Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann.

Es ist eine Dienstenthebung anderseits insbesondere dann unzulässig, wenn etwa bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Verfügung offenkundig die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens nach § 61 Abs. 3 HDG vorliegen. Bloße Gerüchte und vage Vermutungen allein reichen zur Verfügung der Suspendierung nicht aus. Vielmehr müssen greifbare Anhaltspunkte für eine Dienstpflichtverletzung in ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite gegeben sein, welche die von § 39 Abs. 1 HDG geforderten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt (vgl. zum Ganzen mit zahlreichen Verweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zB. das zu vergleichbaren Bestimmungen des BDG 1979 ergangene hg. Erkenntnis vom 24. April 2006, Zl. 2003/09/0002).

Anders als in dem dem genannten hg. Erkenntnis vom 24. April 2006 zu Grunde liegenden Fall hat die Behörde im vorliegenden Fall in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht nur darauf verwiesen, dass eine gerichtliche Voruntersuchung anhängig sei, sondern die Sachverhaltselemente dargelegt (auch wenn sie diese aus dem im gerichtlichen Verfahren ergangenen Haftbefehl entnommen hat) und auch gewürdigt, die für den Verdacht und die Einordnung des dem Beamten vorgeworfenen Verhaltens als Dienstpflichtverletzung maßgebend gewesen sind. Der Hinweis des Beschwerdeführers, dass die (wegen Verdunkelungsgefahr) verhängt gewesene Untersuchungshaft aufgehoben worden ist, bedeutet nicht, dass deswegen der zu Grunde liegende Verdacht nicht mehr bestehe, sondern lediglich, dass der Haftgrund nicht mehr besteht. Wenn sich der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen auf § 39 Abs. 1 Z. 1 HDG beziehen sollte (was die sowohl in der Berufung als auch in der Beschwerde enthaltene Wortfolge "womit der von der ... Behörde angeführte Gefährdungsgrund bereits mit der Enthaftung ... weggefallen ist"), wonach die Dienstenthebung zu verfügen ist, wenn über den Soldaten die Untersuchungshaft verhängt wurde, so übersieht er, dass sich die Behörden nicht auf diesen Grund, sondern auf die in § 39 Abs. 1 Z. 2 HDG angeführte Gefährdung des Amtes oder wesentlicher Interessen des Dienstes gestützt haben.

Dass der sich aus den Sachverhaltselementen ergebende Verdacht schon im gerichtlichen Verfahren zerstreut worden wäre, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Insbesondere bestreitet er nicht, dass DI G ihn in der ausgeführten Weise belastet hat, er bezeichnet diese belastenden Aussagen hingegen inhaltlich als "infame Schutzbehauptungen" und beantragte dazu weitere Ermittlungen.

Entscheidend betreffend den Vorwurf der Unterlassung der vom Beschwerdeführer beantragten Erhebungen ist, dass er weder in seiner Stellungnahme noch in der Berufung offenkundige, auf der Hand liegende und ohne aufwendiges Ermittlungsverfahren festzustellende Einstellungsgründe (hier: Nichtvorliegen von Dienstpflichtverletzungen) geltend gemacht hat. Sein Vorbringen zielt vielmehr typisch auf die Klärung jener Fragen ab, die im Disziplinarverfahren abschließend zu beurteilen sind, beruhen also auf der Verkennung der Funktion des Dienstenthebungsverfahrens mit der des Disziplinarverfahrens (im engeren Sinn; vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1995, Zl. 94/09/0105). Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen vom Vorliegen einer Verdachtssituation ausgegangen ist.

Die belangte Behörde hat aber auch - wie oben ausgeführt - dargelegt, weshalb sie die (im Verdachtsbereich) zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen ihrer Art nach als so schwer wiegend wertete, dass sie die Verfügung einer Suspendierung rechtfertigten. Dass das dem Beschwerdeführer im Verdachtsbereich zur Last gelegte Verhalten geeignet ist, wesentliche dienstliche Interessen im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes im österreichischen Heer und der dort herrschenden Arbeitsabläufe zu gefährden und damit den Tatbestand des § 39 Abs. 1 Z. 2 HDG zu erfüllen, kann wohl nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.

C) Zu Spruchpunkt 2) des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 40 Abs. 1 HDG hat jede durch Beschluss einer Kommission im Disziplinarverfahren verfügte Dienstenthebung die Kürzung der jeweiligen Dienstbezüge, ausgenommen die Kinderzulage, auf zwei Drittel für die Dauer der Enthebung zur Folge. Die Kommission, bei der das Disziplinarverfahren anhängig ist, kann diese Kürzung

1.

auf Antrag des Enthobenen oder des Disziplinaranwaltes oder

2.

von Amts wegen vermindern oder aufheben, soweit dies unbedingt erforderlich ist zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Enthobenen und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu der vergleichbaren Bestimmung des § 112 Abs. 4 BDG 1979 - die gleichfalls an der Aufrechterhaltung des "notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist", orientiert ist - ausgesprochen hat, kommt eine Verminderung oder Aufhebung der Bezügekürzung nicht in Betracht, wenn und soweit sie zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des genannten Personenkreises nicht unbedingt erforderlich ist. Es wäre demnach vom Beschwerdeführer in seinem Antrag ein geeigneter Lebenssachverhalt darzulegen gewesen, inwieweit die Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes die gänzliche Aufhebung oder Verminderung der Bezügekürzung unbedingt erfordert (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 99/09/0238).

Der Beschwerdeführer hat nach seinem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen nicht aufgezeigt, inwieweit sein notwendiger Unterhalt bei Beibehaltung der ex lege eingetretenen Kürzung seines Monatsbezuges während der Suspendierung gefährdet wäre. Selbst in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vermag er in dieser Hinsicht keinen geeigneten konkreten Lebenssachverhalt darzutun.

Der Verwaltungsgerichtshof hat des weiteren in ständiger Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1998, Zl. 95/09/0186) die Heranziehung der Sätze der Existenzminimum-Verordnung (jetzt 2003, BGBl. II Nr. 125), (ExMinVO) als Maßstab für die Berechnung des notwendigen Lebensunterhaltes u.a. im Sinne des § 40 HDG anerkannt. Dass der dem Beschwerdeführer verbleibende verkürzte Monatsbezug (in der Höhe von EUR 1.324,99 netto) im Sinne der nachstehenden Berechnung etwa den nach der ExMinVO unpfändbaren Betrag unterschreite, behauptet der Beschwerdeführer nicht und ergibt sich auch bei einer richtigen Berechnung (die Berechnung der belangten Behörde ist grundsätzlich mit einem Rechenfehler behaftet, weil sie trotz der wörtlichen Anführung des "ungekürzten Nettobezuges" vom "gekürzten Nettobezug" gerechnet hat) nicht.

Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang, die belangte Behörde hätte auch von einer Sorgepflicht für seine Ehegattin ausgehen müssen und deren Einkommen nicht einbeziehen dürfen, weil sie die Berufstätigkeit auf Grund der Dienstenthebung des Beschwerdeführers aufgenommen habe. Er übersieht zunächst, dass nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch seine Ehegattin gegenüber der Familie unterhaltspflichtig ist (zB. §§ 94 und 140 ABGB). Für die Zeit der Dienstenthebung ist der Beschwerdeführer (abgesehen von der Meldepflicht des § 39 Abs. 5 HDG) von der Dienstleistung befreit, er ist demnach zur entsprechenden Mitwirkung im Haushalt verpflichtet; umgekehrt ist seine Ehegattin verpflichtet, zur Deckung der angemessenen Bedürfnisse der Ehegatten und den Unterhalt der Kinder beizutragen, soweit der Beschwerdeführer zur vollen Bedeckung der Bedürfnisse der Kinder nicht imstande wäre.

Der Beschwerdeführer führt aus, dass seine Ehegattin ein Einkommen von EUR 500,-- beziehe. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 21. Jänner 1998, Zl. 95/09/0186, ausgesprochen, er halte eine Berechnungsmethode nicht für rechtswidrig, bei der das Einkommen der Ehegattin zum Einkommen des Beschwerdeführers hinzugerechnet werde und dieses Familieneinkommen mit den Sätzen der ExMinVO verglichen werde. Diese Berechnungsmethode ergäbe im vorliegenden Fall gerechnet vom ungekürzten Nettobezug des Beschwerdeführers von EUR 1.614,49 zuzüglich des Verdienstes der Ehegattin von EUR 500,--, ein Familieneinkommen von EUR 2.114,49. Daraus ergibt sich gemäß § 3 Abs. 1 lit b ExMinVO (unpfändbare Freibeträge für "sonstige Forderungen") bei drei Unterhaltspflichten (für die Ehegattin und zwei minderjährige Kinder) ein unpfändbarer Betrag von EUR 1.670,80. Der gekürzte Nettoverdienst des Beschwerdeführers von EUR 1.324,88 zuzüglich des Verdienstes der Ehegattin ergibt aber ein Familieneinkommen von EUR 1.824,88, somit einen Betrag, der deutlich über dem Betrag liegt, der nach der ExMinVO als Existenzminimum "für sonstige Forderungen" anzusehen ist.

Der Beschwerdeführer lässt zudem unberücksichtigt, dass einem dienstenthobenen Beamten, der keinen Dienst leistet, eine Einschränkung der bisherigen Lebenshaltung durchaus zugemutet werden kann (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 99/09/0238). Hinsichtlich seiner als "Fixkosten" geltend gemachten Aufwendungen für "monatliche Kreditraten, diverse Versicherungen" hat der Beschwerdeführer selbst in der Beschwerde nicht dargetan, dass und aus welchen Gründen diese Aufwendungen zur Aufrechterhaltung seines notwendigen Lebensunterhaltes tatsächlich unbedingt erforderlich sind, weshalb alle in diesem Zusammenhang vorgebrachten Verfahrensrügen ins Leere gehen.

Bereits der Inhalt der Beschwerde lässt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 EMRK steht dem nicht entgegen, weil es sich bei der Dienstenthebung nur um eine einen Teil des Disziplinarverfahrens darstellende, bloß vorläufige, auf die Dauer des Disziplinarverfahrens beschränkte Maßnahme handelt, mit der nicht abschließend über eine "Streitigkeit" über ein Recht entschieden wird; ob die Suspendierung dauernde Rechtsfolgen nach sich zieht, hängt vom Ausgang der Disziplinarsache ab (vgl. § 39 Abs. 6 und § 40 Abs. 4 HDG). Demnach kommen die Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK im Verfahren über die Dienstenthebung nicht zur Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 2007, Zl. 2007/09/0108).

Wien, am 8. August 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007090314.X00

Im RIS seit

15.09.2008

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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