TE Vwgh Erkenntnis 2008/8/8 2007/09/0303

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Veröffentlicht am 08.08.2008
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Index

L10018 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z30;
GdG Vlbg 1985 §83 Abs2 idF 2004/006;
GdG Vlbg 1985 §85;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des J A in B, vertreten durch Dr. Reinhard Weber, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Anton-Schneider-Straße 11, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 2. Oktober 2007, Zl. I-3300.00- 2007/0007, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in Angelegenheit Minderung der Bezüge infolge Dienstenthebung nach dem Vorarlberger Gemeindeangestelltengesetz (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Bregenz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im angefochtenen Bescheid wird wie folgt ausgeführt:

"Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 16.3.2007, Zl 0-02 184/2007, wurde der Gemeindebeamte JA mit Wirkung vom 13.3.2007 vom Dienst enthoben. Mit der Dienstenthebung wurde gemäß § 6 des Gemeindebedienstetengesetzes 1988 iVm § 13 Abs 3 des Gemeindeangestelltengesetzes 2005 die vollständige Auszahlung der Bezüge an Bez-Insp JA eingestellt.

...

Gegen diesen Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 16.3.2007, Zl 0-02 184/2007, erhob Bez-Insp JA, Bregenz, vertreten durch RA Dr Reinhard Weber, Bregenz, fristgerecht Berufung.

Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens hat die Berufungskommission der Landeshauptstadt Bregenz der Berufung mit Bescheid vom 24.4.2007, Zl 0-02 184/2007, gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 iVm § 53 Abs 1 des Gemeindegesetzes Folge gegeben und den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 16.3.2007, Zl 0-02 184/2007, dahingehend abgeändert, dass Bez-Insp JA für die Dauer seiner Enthebung von Dienst - beginnend mit 1.4.2007 - monatlich EUR 300,-

- zur Erfüllung der bestehenden Unterhaltspflichten zur Auszahlung gebracht werden.

...

Mit Eingabe vom 14.5.2007, am selben Tag fristgerecht eingelangt beim Amt der Landeshauptstadt Bregenz, hat Bez-Insp JA, Bregenz, vertreten durch RA Dr Reinhard Weber, Bregenz, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Bregenz vom 24.4.2007, Zl 0-02 184/2007, Vorstellung erhoben und beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die belangte Behörde dem Vorstellungswerber gemäß § 13 Abs 3 des Gemeindeangestelltengesetzes 2005 einen monatlichen Nettobezug von EUR 1.125,-- gewähre."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. Oktober 2007 wurde über die Vorstellung von der belangten Behörde dahingehend entschieden, dass der "Antrag" des Beschwerdeführers "auf Abänderung des Bescheides der Berufungskommission der Landeshauptstadt Bregenz vom 24. April 2007 ... wegen Unzulässigkeit gemäß § 83 Abs. 6 des Gemeindegesetzes, LGBl. Nr. 40/1985 idgF, zurückgewiesen" wurde.

Unter Teil A) ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, dass sie die Vorstellung deshalb als unzulässig erachte, weil der Beschwerdeführer mit seinem Antrag eine meritorische Erledigung begehre, die Aufsichtsbehörde jedoch nur zu einer kassatorischen Entscheidung berufen sei.

In Teil B) ihrer Begründung setzte die belangte Behörde fort, sie gehe

daher von einem rechtskräftigen Bescheid aus. Sie verkenne nicht, dass

der Bescheid vom 16. März 2007 von einer unzuständigen Behörde erlassen

worden sei. Zuständige Behörde gemäß § 142 Abs. 2 lit. a des Gemeindebedienstetengesetzes 1988 sei in Angelegenheiten der Enthebung vom Dienst (§ 13 Gemeindeangestelltengesetz 2005; diese Gesetzesstelle sei nach § 6 des Gemeindebedienstetengesetzes 1988 auch auf Dienstverhältnisse anzuwenden, die dem Gemeindebedienstetengesetzes 1988 unterliegen) der Gemeindevorstand. Der Bescheid vom 13. März 2007 sei aber vom Bürgermeister erlassen worden. Die Berufungskommission habe diese Unzuständigkeit nicht aufgegriffen, weshalb ihr Bescheid vom 24. April 2007 inhaltlich rechtswidrig sei.

Die belangte Behörde mache aber aus näher dargestellten Gründen nicht von der amtswegigen Aufhebung im Sinne des § 85 des Gemeindegesetzes Gebrauch.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Vorarlberger Gesetzes über die Organisation der Gemeindeverwaltung (in der Folge: Gemeindegesetz), LGBl. Nr. 40/1985 in der Fassung LGBl. Nr. 6/2004, lauten:

"VI. HAUPTSTÜCK

Aufsicht über die Gemeinde

§ 81

Allgemeines

(1) Das Land hat die staatliche Aufsicht über die Gemeinde dahin auszuüben, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen des Landes nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.

(2) Soweit in diesem Hauptstück von Angelegenheiten der Gemeinde die Rede ist, sind darunter jene zu verstehen, die von der Gemeinde als selbständigem Wirtschaftskörper besorgt werden, und jene, die dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde aus dem Bereich der Landesvollziehung zugehören.

(3) Wenn von der Gemeinde Maßnahmen rechtswidrig gesetzt oder unterlassen werden, ist nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Hauptstückes Abhilfe zu schaffen.

(4) Auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes steht außer den Fällen der §§ 83 und 91 niemandem ein Rechtsanspruch zu.

(5) Bei Ausübung der Aufsicht sind erworbene Rechte Dritter insoweit zu schonen, als hiedurch die Erreichung des Aufsichtszieles gemäß Abs. 1 noch gewährleistet erscheint.

...

§ 83

Vorstellung

(1) Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorgans in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen dagegen Vorstellung an die Aufsichtsbehörde erheben. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündigung mit dieser. Jeder Bescheid eines Gemeindeorganes, gegen den eine Vorstellung zulässig ist, hat eine Vorstellungsbelehrung zu enthalten.

(2) Die Vorstellung ist schriftlich beim Gemeindeamt oder bei der Aufsichtsbehörde einzubringen. Sie kann nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auch telegrafisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden. Sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Antrag zu enthalten. ...

...

(5) Durch die Einbringung einer Vorstellung wird die Gemeinde nicht gehindert, von den ihr gesetzlich eingeräumten Befugnissen zur Aufhebung oder Abänderung rechtskräftiger Bescheide Gebrauch zu machen.

(6) Unzulässige oder verspätet eingebrachte Vorstellungen sind von der Aufsichtsbehörde zurückzuweisen.

(7) Wenn durch den Bescheid Rechte des Einschreiters verletzt wurden, hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückzuverweisen. Die Gemeinde ist bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

§ 85

Prüfung von Bescheiden

(1) Rechtskräftige Bescheide der Gemeinde können von der Aufsichtsbehörde aufgehoben werden, wenn dies zur Beseitigung von Missständen, die das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährden, oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist oder wenn der Bescheid

a) von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,

b)

einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,

c)

tatsächlich undurchführbar ist oder

d)

an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

...

(3) Rechtskräftige Bescheide der Gemeinde, die ein Gesetz oder eine Verordnung verletzen und aus denen einem Dritten kein Recht erwachsen ist, sind von der Aufsichtsbehörde aufzuheben, wenn dies im öffentlichen Interesse gelegen ist."

§ 142 des Vbg. Gemeindebedienstetengesetzes 1988, LGBl. Nr. 49 in der Fassung Nr. 44/2006, normiert in dessen Abs. 1 lit. a, dass der Gemeindevorstand Dienstbehörde bzw. zuständiges Organ zur Vertretung der Gemeinde als Dienstgeber in Angelegenheit der Enthebung vom Dienst (§ 13 Gemeindeangestelltengesetz 2005) ist. Die in § 13 Abs. 3 Gemeindeangestelltengesetz 2005 vorgesehene Möglichkeit der niedrigeren Auszahlung von Bezügen bzw. der vollständigen Einstellung der Auszahlung (unter näheren Bedingungen) ist ein Teil der Angelegenheit "Enthebung vom Dienst".

Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid wegen "Rechtswidrigkeit seines Inhaltes". Aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde kommt hervor, dass er der Ansicht ist, die belangte Behörde hätte den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Bregenz vom 24. April 2007 aufheben müssen.

Die belangte Behörde hat nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides ausdrücklich den mit der Vorstellung vom 14. Mai 2007 gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf "Abänderung" des Bescheides der Berufungskommission wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen.

Das Wesen des Rechtsinstitutes der Vorstellung im Sinne des Art. 119a Abs. 5 B-VG und des § 83 des Gemeindegesetzes liegt darin, dass die Aufsichtsbehörde zu prüfen hat, ob der Vorstellungswerber durch den Bescheid des obersten Gemeindeorganes in seinen Rechten verletzt wurde, und sie - bejahendenfalls - den Bescheid aufzuheben hat.

Für den Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze wurde der Grundsatz aufgestellt, dass eine Berufung immer dann zurückzuweisen ist, wenn sich der Erledigung in der Sache ein formalgesetzliches Hindernis entgegenstellt. Dies gilt sinngemäß auch für das Vorstellungsverfahren (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens6, Seite 806, E 1a wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Als Formerfordernis für die Vorstellung sieht § 83 Gemeindegesetz ua. vor, dass die Vorstellung "einen begründeten Antrag zu enthalten" hat. Es ist aber nicht normiert, dass die Art der begehrten Erledigung als Formerfordernis im Antrag stehen müsste. Bei der Auslegung des Begriffes "begründeter Antrag" ist kein strenger Maßstab anzulegen, da dem AVG (Art. II Abs. 2 B Z. 30 EGVG) jeder übertriebene Formalismus fremd ist. Auch für einen Vorstellungsantrag reicht es daher aus, wenn erkennbar ist, dass der Vorstellungswerber eine positive Erledigung seines Gesuches anstrebt, mag der Antrag auch auf "Abänderung" statt auf "Aufhebung" lauten (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 1. September 1998, Zl. 96/05/0087). Einen begründeten Antrag wies die Vorstellung des Beschwerdeführers vom 14. Mai 2007 auf, somit war das Formerfordernis des § 83 Abs. 2 Gemeindegesetz eingehalten.

Stellte daher der Beschwerdeführer den Antrag auf "Abänderung" samt Zuerkennung eines höheren monatlichen Nettobezuges (unter Hinweis auf die Wiedergutmachung des der Landeshauptstadt Bregenz entstandenen Schadens und das Existenzminimum) als ihm von der Berufungskommission zuerkannt worden war, so ist darin auch inkludiert, dass er sich durch den Bescheid der Berufungskommission in seinen Rechten verletzt erachtete und die Aufhebung des Bescheides begehrte. Dies hat die belangte Behörde verkannt.

Im Übrigen ist im Rahmen der zulässigen Prüfung eines gemeindebehördlichen Bescheides die Aufsichtsbehörde nicht an die vom Vorstellungswerber geltend gemachten Rechtsverletzungen gebunden, sie hat vielmehr das Recht und die Pflicht zur vollen Prüfung des angefochtenen Bescheides, ohne an das Parteienvorbringen gebunden zu sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1993, Zl. 93/06/0108).

Der belangten Behörde stand damit kein Hindernis im Wege, die in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter B) zu Recht aufgezeigte Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz, die von der Berufungskommission nicht wahrgenommen worden war, aufzugreifen und den Bescheid vom 24. April 2007 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (§ 85 Abs. 1 lit. a Gemeindegesetz).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 8. August 2008

Schlagworte

Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der VorstellungsbehördeVerhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht VorstellungIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007090303.X00

Im RIS seit

23.09.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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