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16 MedienrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / PrüfungsumfangLeitsatz
Zurückweisung eines Antrags auf teilweise Aufhebung einer Plakatierverordnung wegen zu engen AnfechtungsumfangesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Die Plakatierverordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 16. Oktober 1997, Z2.4 P 1/1997, kundgemacht im Stück 45/1997 der Grazer Zeitung, lautet wie folgt:
"Bezirkshauptmannschaft Leibnitz
Anschlagen und Aushängen von Druckwerken
(Plakatierverordnung) - Wiederverlautbarung
2.4 P 1/1997 16. Oktober 1997
Auf Grund des §48 des Mediengesetzes wird für den Verwaltungsbezirk Leibnitz die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 27. September 1983, GZ. 2.4. P 1/1983, obigen Betreffs, wie folgt wiederverlautbart:
§1
1. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung wird angeordnet, daß das Anschlagen (Plakatieren) von Druckwerken und Aushängen an der Öffentlichkeit zugänglichen Orten im Gebiet des Verwaltungsbezirkes Leibnitz nur an folgenden Plätzen erfolgen darf:
a) an Flächen, die ihrem Wesen nach zum Anschlagen oder Aushängen von Druckwerken bestimmt sind, oder
b) an anderen Flächen, sofern sie nicht unter die im Abs2 angeführten Beschränkungen fallen.
2. Das Anschlagen (Plakatieren) von Druckwerken darf nicht unmittelbar an Außenflächen von Gebäuden oder von Einfriedungen, an Brückenpfeilern, an Bäumen, an Denkmälern oder an Sachen, die der religiösen Verehrung gewidmet sind, erfolgen. Es ist weiters unzulässig, an Einrichtungen oder Anlagen, die der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Versorgung mit Wasser oder Energie, dem öffentlichen Verkehr oder dem Post- und Fernmeldewesen dienen (dazu zählen insbesondere Laternen- und Abspannungsmasten, Schaltkästen, Notrufanlagen, Telefonzellen und Haltestellenhäuschen).
Die vorstehenden Beschränkungen gelten nicht, soweit es sich um das Anschlagen von Druckwerken an offensichtlich hiezu bestimmten Flächen handelt.
3. Das Anschlagen amtlicher Bekanntmachungen an Amtsgebäuden wird durch die vorstehenden Absätze nicht berührt.
§2
Wer Druckwerke entgegen den Bestimmungen des §1 anschlägt oder daran mitwirkt (§7 VStG 1991), begeht ungeachtet der Bestimmungen sonstiger Rechtsvorschriften und ungeachtet der privatrechtlichen Verantwortlichkeit eine Verwaltungsübertretung und wird hiefür gemäß §49 des Mediengesetzes von der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz mit Geldstrafen bis zu S 30.000,-
bestraft.
Der gleichen Strafe unterliegt, wer die Tat veranlaßt oder erleichtert.
§3
Diese Verordnung ist durch Verlautbarung in der 'Grazer Zeitung - Amtsblatt für die Steiermark' kundzumachen und tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft. Gleichzeitig treten sämtliche zeitlich zurückliegenden Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz, die das Anschlagen und Aushängen von Druckwerken (Plakatierverordnungen) betreffen, außer Kraft."
2. Mit Antrag vom 30.4.2003 begehrt der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (im folgenden: UVS) die Aufhebung des §1 Abs1 lita und litb der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 16. Oktober 1997, Z2.4 P 1/1997, betreffend das Anschlagen und Aushängen von Druckwerken (im folgenden: Plakatierverordnung) als gesetzwidrig.
2.1. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen trägt der UVS u.a. vor wie folgt:
Das beim UVS angefochtene Straferkenntnis vom 30. Jänner 2003 nenne als verletzte Verwaltungsvorschrift §48 Mediengesetz iVm. §1 Abs1 der Plakatierverordnung Leibnitz 1983. Der UVS habe jedoch - trotz der unrichtigen Anwendung einer außer Kraft getretenen Verordnung durch die erstinstanzliche Behörde - die zum Tatzeitpunkt geltende, gleichlautende Plakatierverordnung 1997 anzuwenden (die "unrichtige Anführung der verletzten Verwaltungsvorschrift könnte vom Unabhängigen Verwaltungssenat nach ständiger Rechtsprechung auch außerhalb der Frist für die Verfolgungsverjährung korrigiert werden, sofern dem Beschuldigten kein anderer Sachverhalt zur Last gelegt" werde.) Da die Berufung nicht aus formalen Gründen zurückzuweisen sei, habe der UVS die Plakatierverordnung Leibnitz 1997 anzuwenden.
Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, daß der Berufungswerber im Verfahren vor dem UVS beschuldigt wird, ca. 2 m vom Straßenrand entfernt auf einem Baumstumpf 2 Stück gelbfärbige Ankündigungstafeln in der Größe 167 x 105 cm mit der grünen Aufschrift "Schenke zur Frohen Aussicht" angebracht zu haben; dies sei keine Fläche, die ihrem Wesen nach zum Anschlagen oder Aushängen von Druckwerken bestimmt sei.
2.3. Seine Bedenken in der Sache legt der UVS wie folgt dar:
Die Formulierung "die ihrem Wesen nach zum Anschlagen oder Aushängen bestimmt sind" widerspreche dem Determinierungsgebot des Art18 B-VG und der Verordnungsermächtigung des §48 Mediengesetz, wonach durch Verordnung angeordnet werden könne, daß das Anschlagen nur an bestimmten Plätzen erfolgen dürfe. Es komme für den Normadressaten nicht mit hinreichender Klarheit zum Ausdruck, wo er Druckwerke anschlagen dürfe; es gehe lediglich hervor, wo das Anschlagen jedenfalls nicht erlaubt sei.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dürfe sich eine Plakatierverordnung nicht mit dem pauschalen Hinweis der "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung" begnügen; eine solche Verordnung sei vielmehr nur insoweit gesetzmäßig, als die verordnungserlassende Behörde nachvollziehbare Erwägungen zu dieser Frage angestellt habe. Dem Verordnungsakt sei diesbezüglich nur zu entnehmen, daß Anlaß für die angefochtene Verordnung und ihre Vorgängerbestimmungen Beschwerden über die Verunstaltung der Landschaft durch wildes Plakatieren gewesen seien. Mehrere Male seien Gemeinden des Bezirkes aufgefordert worden, genehmigte Plakatierstellen bekannt zu geben. Dem Verordnungsakt sei nicht zu entnehmen, ob und welche Überlegungen die verordnungserlassende Behörde hinsichtlich der Beschränkung des Plakatierens im Interesse der "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung" angestellt habe und weshalb gerade die getroffene Regelung geeignet und zweckmäßig sein solle, dieses Ziel zu erreichen. Die angefochtene Verordnung sei nur die Übernahme eines Entwurfes der Bundespolizeidirektion Wien aus 1983. Die angefochtenen Verordnungsstellen seien daher gesetzwidrig.
3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz hat die Verordnungsakten vorgelegt, aber keine Äußerung erstattet.
3.2. Der Bundeskanzler und der Bundesminister für Inneres wurden im Hinblick auf ArtVII Z5 des Bundesgesetzes, mit dem das Mediengesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 75/2000, zur Äußerung eingeladen; weder der Bundeskanzler noch der Bundesminister für Inneres haben eine solche erstattet.
4. §48 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1981 über die Presse und andere publizistische Medien (Mediengesetz), BGBl. Nr. 314/1981, lautet wie folgt:
"Anschlagen von Druckwerken
§48. Zum Anschlagen, Aushängen und Auflegen eines Druckwerkes an einem öffentlichen Ort bedarf es keiner behördlichen Bewilligung. Doch kann die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch Verordnung anordnen, daß das Anschlagen nur an bestimmten Plätzen erfolgen darf."
5. Der Antrag erweist sich als unzulässig:
5.1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu §11 Pressegesetz ist eine Rechtsvorschrift, die Einschränkungen der ansonsten ohne behördliche Bewilligung zulässigen Verbreitung von Druckwerken durch Aushängen und Anschlagen an einem öffentlichen Ort nur insoweit zuläßt, als nicht überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, aus der Sicht der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Pressefreiheit (Art13 StGG, Art10 EMRK) unbedenklich (vgl. VfSlg. 6999/1973, 8019/1977, 9591/1982).
Dies gilt auch für die durch den zweiten Satz des §48 des Mediengesetzes eröffnete Möglichkeit, das Anschlagen von Druckwerken an öffentlichen Orten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (insoweit wortgleich mit Art10 Abs2 EMRK) einzuschränken. Das Anschlagen von Druckwerken kann danach im Verordnungsweg nur insoweit auf bestimmte Orte beschränkt werden, als dies zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erforderlich ist (vgl. VfSlg. 13.127/1992). Eine auf §48 Mediengesetz gestützte Verordnung ist nur dann und insoweit gesetzmäßig, als die verordnungserlassende Behörde nachvollziehbare Erwägungen zu dieser Frage angestellt hat (zuletzt VfSlg. 16.330/2001).
5.2. §48 Mediengesetz ermächtigt die Bezirksverwaltungsbehörde, durch Verordnung jene Orte zu bestimmen, an denen plakatiert werden darf. Die Plakatierverordnung Leibnitz enthält keine solche Beschränkung des Plakatierens auf bestimmte Orte. Die verordnungserlassende Behörde hat vielmehr in §1 Abs2 der Plakatierverordnung jene Plätze nach generellen Merkmalen umschrieben, an denen das Plakatieren verboten ist, sodaß das Plakatieren an allen anderen Flächen erlaubt ist, wie sich auch aus §1 Abs1 litb der Verordnung ausdrücklich ergibt. Zu den verbotenen Flächen zählen u.a. die Außenflächen von Gebäuden, Brückenpfeiler oder Bäume. Dieses Verbot wird gem. §1 Abs1 lita der Plakatierverordnung in Verbindung mit dem letzten Satz des §1 Abs2 leg. cit. jedoch noch insoweit eingeschränkt, als das Plakatieren selbst an diesen Stellen erlaubt sein soll, wenn die Flächen "ihrem Wesen nach zum Anschlagen oder Aushängen von Druckwerken bestimmt" sind bzw. es sich um "das Anschlagen von Druckwerken an offensichtlich hiezu bestimmten Flächen" handelt. Mit dieser Art der Festlegung jener Orte, an denen das Plakatieren verboten ist, hat die verordnungserlassende Behörde in weniger intensiver Weise in das durch Art13 StGG und Art10 EMRK gewährleistete Grundrecht eingegriffen als §48 Mediengesetz an sich erlaubte; eine solche Vorgangsweise ist daher zulässig.
5.3. Vor dem Hintergrund dieser Auslegung der Plakatierverordnung erweist sich der Antrag des UVS jedoch offensichtlich als zu eng:
5.3.1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzeskonformität hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind - wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren (siehe VfSlg. 14.044/1995; zu Art140 B-VG VfSlg. 6674/1972, 8155/1977, 9374/1982, 11.455/1987) schon wiederholt darlegte, - notwendig so zu ziehen, daß einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden (VfSlg. 15.203/1998, 16.365/2001; B vom 12. Oktober 2002, V49/02 ua.)
Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, daß im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg. 16.212/2001 und die dort zitierte Vorjudikatur).
5.3.2. Der UVS beschränkt seinen Antrag auf die Aufhebung des §1 Abs1 lita und b der Plakatierverordnung, mithin auf jenen Absatz, aus dem sich ergibt, daß das Plakatieren an diesen Orten, die nicht unter die Beschränkungen des Abs2 fallen, erlaubt ist. Die vom UVS zu lösende Frage, ob das Plakatieren auf einem Baumstumpf nach der Plakatierverordnung verboten ist, läßt sich aber nur durch Auslegung des §1 Abs2 leg. cit. beantworten, wonach das Plakatieren auf Bäumen verboten ist. Der nicht angefochtene und der angefochtene Absatz der Plakatierverordnung stehen daher in einem untrennbaren Zusammenhang. Die Aufhebung des §1 Abs1 leg. cit. ohne die Aufhebung der Verbotsnorm würde an der Rechtslage nämlich überhaupt nichts ändern, da das Verbot des Plakatierens an bestimmten Orten ebenso bestehen bliebe wie die Ausnahme hievon in §1 Abs2 letzter Satz der Plakatierverordnung, deren Inhalt nach dem oben wiedergegebenen Verständnis des Verfassungsgerichtshofes jenem des §1 Abs1 lita der Verordnung entspricht.
6. Damit erweist sich der Anfechtungsumfang jedoch als zu eng; der Antrag war daher zurückzuweisen.
7. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).
Schlagworte
Medienrecht, Meinungsäußerungsfreiheit, Pressefreiheit, Verbreitungsbeschränkung (Medienrecht), Plakatierungsverordnung, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:V65.2003Dokumentnummer
JFT_09969077_03V00065_00