TE Vwgh Erkenntnis 2008/8/27 2008/15/0113

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Veröffentlicht am 27.08.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
23/04 Exekutionsordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AbgEO §18 Z5;
AbgEO §5 Abs3;
AVG §18 Abs4;
AVG §67a Abs1 Z2;
BAO §96;
EO §42 Abs1 Z8;
EO §68;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des E P in L, vertreten durch Widter Mayerhauser Wolf, Rechtsanwälte OEG in 1220 Wien, Wagramerstraße 135, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 3. Oktober 2007, GZ. Senat-MB-07-2001, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bei Vollstreckung eines Abgabenrückstandes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat hinsichtlich einer am 12. Februar 2007 von Organen des Finanzamtes Waldviertel gesetzten Amtshandlung (Betreten einer näher bezeichneten Liegenschaft sowie Abnahme zweier Kfz-Kennzeichentafeln und eines Kfz-Typenscheines) gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG (Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG) Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich erhoben. Das Vorgehen der Behördenorgane sei rechtswidrig, weil kein rechtsgültiger "Vollstreckungsauftrag", sondern eine nichtige "Erledigung" im Sinne des § 18 AVG vorliege. Die abgenommenen Kennzeichen und der Typenschein stellten öffentliche Urkunden dar, deren Entwendung den Tatbestand der Urkundenunterdrückung bzw. Diebstahls erfüllten. Auch stehe der Pkw nicht im Eigentum des Beschwerdeführers und sei das Fahrzeug überdies als unbedingt notwendiger Behindertenbedarf unpfändbar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass den Amtshandlungen ein auf Grund des § 6 AbgEO (gemeint wohl § 5 Abs. 3 AbgEO) erlassener Vollstreckungsauftrag vom 23. Jänner 2007 zu Grunde liege. Das Betreten der Liegenschaft und die Abnahme der Kfz-Kennzeichen und des Typenscheines stellten sich als Teil des Vollzuges des Vollstreckungsauftrages dar, sodass dem Beschwerdeführer dagegen eine auf § 18 Abs. 5 AbgEO gestützte Beschwerde offen gestanden wäre. Das Bestehen einer so genannten Vollzugsbeschwerde schließe die Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat aufgrund der Subsidiarität dieses Rechtsschutzes aus, sodass sich die dennoch erhobene Beschwerde als unzulässig erweise.

Soweit der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass der angesprochene Vollstreckungsauftrag rechtlich nicht existent geworden sei, weil es ihm - entgegen der Bestimmung des § 18 Abs. 4 AVG - an einer leserlichen Unterschrift oder einer leserlichen Beifügung des Namens des Genehmigenden fehle, verkenne er zum einen, dass es sich beim Vollstreckungsauftrag um keinen Bescheid handle, zum anderen, dass auf derartige Erledigungen nicht das AVG, sondern die BAO anzuwenden sei, welcher eine der genannten Regelung des § 18 Abs. 4 AVG vergleichbare Bestimmung fremd sei.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 29. Juni 1992, 91/15/0147, unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung ausgeführt hat, dienen die Regelungen über die so genannte Maßnahmenbeschwerde nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein- und desselben Rechtes. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein. Im angeführten Erkenntnis vom 29. Juni 1992 hat der Verwaltungsgerichtshof weiters dargelegt, dass die Abgabenexekutionsordnung gegen Vorgänge des Vollstreckungsvollzuges - wie sich aus ihrem § 18 Z. 5 (der dem § 42 Abs. 1 Z. 8 EO nachgebildet ist) ergibt - das Institut der Vollzugsbeschwerde (entsprechend der Beschwerde gemäß § 68 EO) kennt. Auf die Entscheidungsgründe dieses schon von der belangten Behörde angeführten Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, 92/15/0117). Überdies gewährleisten auch die Bestimmungen der §§ 12 bis 16 AbgEO Schutz vor einer Exekutionsführung auf Sachen, die dritten Personen gehören oder der Vollstreckung entzogen sind.

Soweit der Beschwerdeführer die rechtliche Existenz des Vollstreckungsauftrages vom 23. Jänner 2007 mit dem Vorbringen bestreitet, der Vollstreckungsauftrag weise keine leserliche Unterschrift oder Namensbeifügung auf, und dazu die Ansicht vertritt, die Bestimmung des § 18 Abs. 4 AVG sei in Verfahren, in denen die BAO zur Anwendung komme, mangels vergleichbarer Bestimmung der BAO analog heranzuziehen, ist ihm entgegenzuhalten, dass die BAO sehr wohl eine dem § 18 Abs. 4 AVG vergleichbare Bestimmung in Gestalt des § 96 enthält. Danach müssen alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden neben der Bezeichnung der Behörde und der Anführung des Datums (lediglich) die Unterschrift des Genehmigenden aufweisen, nicht hingegen - anders als nach AVG - auch den Namen des Genehmigenden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 1992, 91/16/0107, und vom 30. März 1998, 97/16/0522). Die vom Beschwerdeführer geforderte Analogie verbietet sich daher schon deshalb, weil in Ansehung der gegenständlich anzuwendenden BAO keine planwidrige Lücke vorliegt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird als "Unterschrift" ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift verstanden, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann, wobei die Unterschrift nicht allgemein lesbar sein muss (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Februar 1994, 93/13/0025, vom 17. Mai 2001, 2001/16/0062, und vom 10. Mai 1994, 92/14/0022).

Dass die auf dem Vollstreckungsauftrag befindliche Unterschrift nicht den soeben genannten Voraussetzungen entspräche, insbesondere aus ihr nicht der - aus den Verwaltungsakten ersichtliche - Namen der Genehmigenden herauszulesen wäre, wird in der Beschwerde nicht aufgezeigt. Die von der belangten Behörde ausgesprochene Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde erweist sich daher auch unter diesem Gesichtspunkt als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit.

Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. August 2008

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008150113.X00

Im RIS seit

24.09.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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