TE Vwgh Erkenntnis 2008/8/28 2008/22/0374

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Veröffentlicht am 28.08.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs2 idF 2004/I/010;
AVG §13 Abs5;
AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des B Z in W, vertreten durch Dr. Georg Uitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Doblhoffgasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Juni 2005, Zl. SD 814/05, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass die Berufungsfrist zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides betrage, worauf ausdrücklich hingewiesen worden sei. Der angefochtene Bescheid sei dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers unbestrittener maßen am 14. März 2005 rechtswirksam zugestellt worden. Die 14- tägige Rechtsmittelfrist habe daher unter Bedachtnahme darauf, dass der 28. März 2005 ein Feiertag war, am 29. März 2005 geendet. Die zwar mit 29. März 2005 datierte Berufung sei jedoch erst am 30. März 2005 um 02.11 Uhr per Fax an die Erstbehörde übermittelt und sohin eingebracht worden. Die Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen, ohne dass die Behörde in diesem Verfahren in der Lage gewesen wäre, sich mit den Berufungsausführungen in der Sache selbst auseinander zu setzen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 2 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2004 sind Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, schriftlich einzubringen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. ermächtigen Formgebrechen schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung, sondern hat die Behörde dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen aufzutragen. Zur Entgegennahme schriftlicher Eingaben ist die Behörde gemäß § 13 Abs. 5 AVG nur während der Amtsstunden verpflichtet; Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind bei der Behörde durch Anschlag kund zu machen.

Es ist unbestritten, dass der erstinstanzliche Bescheid dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 14. März 2005 zugestellt wurde, die 14-tägige Rechtsmittelfrist somit unter Bedachtnahme darauf, dass der 28. März 2005 ein Feiertag war, am 29. März 2005 geendet hat und dass ein Exemplar der mit 29. März 2005 datierten Berufung am 30. März 2005 um

2.11 Uhr per Fax an die Behörde übermittelt wurde.

Der Beschwerdeführer bringt jedoch vor, die Berufung an die Bundespolizeidirektion Wien bereits am 29. März 2005 um 23.56 Uhr per Telefax abgefertigt zu haben. Da jedoch das Faxprotokoll lediglich die Übertragung von einer Seite und nicht von drei Seiten bestätigt habe, habe er nochmals und sicherheitshalber am 30. März 2005 um 02.11 Uhr die Berufung abgefertigt. Es könne keine Rede davon sein, dass die Berufung verspätet eingebracht worden sei. Da der rechtsfreundliche Vertreter in der Beschwerde auch ausgeführt habe, dass die Berufung fristgerecht erhoben worden sei, hätte die belangte Behörde einen "Verspätungsvorhalt" zu machen und allenfalls, sollte am 29. März 2005 um 23.56 Uhr tatsächlich nur eine Seite übertragen worden sein, ein Verbesserungsverfahren einzuleiten gehabt.

Dem hält die belangte Behörde in der Gegenschrift entgegen, dass eine Übermittlung zumindest einer Seite am 29. März 2005 um

23.56 Uhr nicht nachgewiesen sei und selbst die Durchsicht des "FrB-Protokolles" keinen diesbezüglichen Hinweis ergeben habe. Abgesehen davon wäre es technisch leicht möglich, ein entsprechendes negatives Übertragungsprotokoll herzustellen. Der Behörde könnte jedenfalls keine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden, da der Hinweis auf die Rechtzeitigkeit der Berufung einen üblichen Textbaustein darstelle und das gesamte Beschwerdevorbringen als Schutzbehauptung erscheine, da der Rechtsvertreter bei der (angeblich) neuerlichen Übertragung des Berufungsschriftsatzes - im Hinblick auf die Wahrung der Frist und die anwaltliche Sorgfaltspflicht - auf den Umstand des negativen Übermittlungsversuches hätte hinweisen müssen. Im Fall der Ausschöpfung der Rechtsmittelfrist müsse sich der Rechtsvertreter bewusst sein, dass das Risiko einer Fristversäumung überproportional wachse. Da der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides - entgegen der Beschwerdebehauptungen - nicht bekannt gewesen sei, dass bereits zuvor eine Berufungseinbringung versucht worden sei und dem eingelangten Schriftsatz keinerlei Hinweise in diese Richtung zu entnehmen gewesen seien, sei die Behörde nicht veranlasst gewesen, vor Bescheiderlassung weitere Verfahrensschritte zu setzen.

Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass die belangte Behörde aus dem Grunde des § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet ist, dem Beschwerdeführer eine nach dem Akteninhalt offenkundige Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Da die belangte Behörde dies unterlassen hat, unterliegt das zur Frage der Rechtzeitigkeit erstattete Beschwerdevorbringen nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbot und der Verwaltungsgerichtshof hat sich nunmehr damit auseinander zu setzen (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 27, zitierte Judikatur).

Ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er die Berufung an die Bundespolizeidirektion Wien bereits am 29. März 2005 um 23.56 Uhr per Telefax abgefertigt habe und jedenfalls laut Faxprotokoll die Übertragung der 1. Seite der Berufung an die Behörde erfolgt sei, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid gelangt wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. August 2008

Schlagworte

Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)Parteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Sachverhalt VerfahrensmängelParteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008220374.X00

Im RIS seit

03.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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