TE Vwgh Erkenntnis 2008/8/28 2008/22/0039

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Veröffentlicht am 28.08.2008
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §10 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des BK in W, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Oktober 2005, Zl. 314.106/3-III/4/04, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführers auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG ab.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 6. April 1999 illegal nach Österreich eingereist sei. Der von ihm am selben Tag gestellte Asylantrag sei im Instanzenzug "mit 10. Juli 2003" abgewiesen worden. Gleichzeitig sei gemäß § 8 Asylgesetz 1997 (AsylG) festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Heimat des Beschwerdeführers zulässig sei. Da der Beschwerdeführer lediglich während der Zeit des Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfügt habe, darüber hinaus aber noch nie im Besitz eines Sichtvermerks, einer Aufenthaltsbewilligung oder einer Niederlassungsbewilligung gewesen sei, sei sein Antrag vom 5. Dezember 2003 als "Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels" zu werten gewesen. Ein solcher Antrag müsse gemäß § 14 Abs. 2 FrG vor der Einreise vom Ausland aus gestellt werden. Der Beschwerdeführer sei jedoch im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufhältig gewesen. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG, unter denen der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt hätte werden können, seien nicht erfüllt. Dass der Beschwerdeführer keine wirtschaftlichen oder sozialen Kontakte mehr in seiner Heimat haben würde, sei kein ausreichender besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt. Den Angaben, wonach eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimat (Kosovo) auf Grund der politischen Situation undenkbar wäre, könne kein Glauben geschenkt werden, weil in der Provinz Vushtrri, aus der er stamme, die Volksgruppe der Kosovo-Albaner einen Bevölkerungsanteil von 95,4 % ausmache. Seitens der Europäischen Union würden erhebliche finanzielle Mittel aufgewendet, um die wirtschaftliche Lage im Kosovo zu verbessern. Eine internationale Friedenstruppe - die UNMIK - sorge für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Eine gefahrlose Rückkehr in den Kosovo sei dem Beschwerdeführer jederzeit möglich. Im Übrigen sei aus der im Asylverfahren ergangenen Entscheidung ersichtlich, dass der Beschwerdeführer keiner Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Fall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach der Rechtslage des (am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen) FrG zu beurteilen ist.

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer Angehöriger der Volksgruppe der Kosovo-Albaner ist, aus der Provinz Vushtrri (Vucitrn) des Kosovo stammt, und den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung nach Abschluss seines Asylverfahrens im Inland gestellt hat. Fallbezogen könnte dieser Antrag gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Inland gestellt werden. § 10 Abs. 4 FrG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegt ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2008/22/0033, mwH).

Der Beschwerdeführer bringt - mit Blick auf Art. 3 EMRK - vor, dass er im Falle einer Rückkehr in den Kosovo in eine extreme wirtschaftliche Notsituation geraten würde. Seine Lebenslage wäre derart trist, dass damit der Grad dessen, was ein Mensch noch ertragen könne, überschritten werden würde.

Ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer diese Ausführungen nicht näher konkretisiert und daher nicht erkennbar ist, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer im Kosovo in eine "extreme wirtschaftliche Notsituation" geraten würde, unterliegt dieses Vorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG); hat doch der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren Derartiges nicht behauptet. Er verwies im bisherigen Verfahren lediglich darauf, dass er in seiner Heimat keine familiären Beziehungen mehr habe, weil seine Eltern und Geschwister seit April 1999 in Dänemark leben würden, und dass das Haus seiner Eltern im Kosovo zerstört worden wäre. Dass dies Umstände wären, die im Falle seiner Rückkehr in den Kosovo unter den Gesichtspunkten des Art. 3 EMRK maßgebliche Relevanz erlangen würden, weil er im Falle einer Rückführung in den Kosovo in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse, wie etwa Nahrung und Unterkunft, einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2005/18/0197), brachte er bislang nicht vor. Solches ist auf Grund seiner Angaben auch nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer betonte bisher lediglich, dass es für ihn unmöglich wäre, sich bei seiner restlichen Familie in Dänemark niederzulassen, weil er dort "wahrscheinlich keine Arbeit finden würde" und er außerdem nicht glaube, dass er "in absehbarer Zeit die nötigen Papiere bekommen könnte, um mich in Dänemark niederlassen zu können".

Auf Grund der rechtskräftigen Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat im Rahmen der Abweisung seines Asylantrags steht fest, dass er in seiner Heimat keiner Gefährdung oder Bedrohung im Sinn von § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG ausgesetzt ist, sofern nicht in den als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz für die Entscheidung über das Vorliegen eines humanitären Grundes in Form einer Gefährdung oder Bedrohung im Sinn von § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG zukommt. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, an den die für eine neuerliche Entscheidung positive Prognose anknüpfen kann. Im vorliegenden Fall erfordert die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mehrfach betonte Exzeptionalität der Umstände, die vorliegen müssten, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat in Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen, eine ganz besonders detaillierte Darstellung der Verhältnisse der betreffenden Person, und zwar sowohl im Zielstaat der Abschiebung als auch in Österreich (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0020, mwH). Mit seinem Vorbringen hat der Beschwerdeführer aber nicht aufgezeigt, inwieweit sich für ihn seit Abschluss des Asylverfahrens die Lebenssituation im Kosovo und damit die für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG maßgeblichen Sachverhaltselemente wesentlich geändert hätten. Es geht daher auch der Vorwurf, die belangte Behörde hätte zur "Not- und Armutssituation des Beschwerdeführers" nähere Erhebungen tätigen und Feststellungen treffen müssen, ins Leere (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2006/18/0020).

Das Vorgesagte gilt auch für die in der Beschwerde enthaltene Rüge, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, ergänzende Erhebungen vorzunehmen, weil zwischen ihrer Entscheidung und jener des unabhängigen Bundesasylsenates "21 (Kriegswirren) Monate" gelegen seien. In diesem Zusammenhang legt der Beschwerdeführer nicht dar, welche Erhebungen er als erforderlich erachtet, welches Ergebnis diese hervorbringen könnten und weshalb das Ergebnis zu einem anderen Bescheid hätte führen können. Im Übrigen stellt es eine notorische Tatsache dar, dass sich die Kriegshandlungen im Kosovo auf die Jahre 1998 und 1999 konzentrierten, weshalb ohne nähere Konkretisierung nicht ersichtlich ist, worin die nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates gelegenen "21 Kriegswirren Monate" bestanden haben sollen.

Soweit in der Beschwerde Inhalte aus Berichten des UNHCR vom August 2004 und März 2005 zitiert werden, ist nicht erkennbar, welchen Bezug die in diesen Berichten geschilderten Ereignisse zur Situation des Beschwerdeführers aufweisen würden. Zum einen betreffen die darin enthaltenen Schilderungen Übergriffe auf Angehörige der Volksgruppe der Ashkali, der der Beschwerdeführer unbestritten nicht angehört, zum anderen enthalten sie Ausführungen zur weiteren Schutzbedürftigkeit von Personen, die von ihrer Zugehörigkeit zu ethnischen Minderheiten herrührt. Der Beschwerdeführer ist aber Angehöriger der Volksgruppe der Kosovo-Albaner, sohin - wie von der belangten Behörde zutreffend ausgeführt und in der Beschwerde unbestritten geblieben - Zugehöriger der Mehrheitsbevölkerung im Gebiet seiner Herkunft. Gründe dafür, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in den Kosovo in asylrelevanter Weise oder mit entsprechender Wahrscheinlichkeit ("real risk") einer unter den Gesichtspunkten des Art. 3 EMRK relevanten Gefährdung ausgesetzt sein werde, vermag er auch mit den Hinweisen auf die von ihm zitierten Berichte nicht darzulegen. Mit seinen bloß allgemein gehaltenen Ausführungen, die keinerlei Relevanz für seine Situation erkennen lassen, kann der Beschwerdeführer daher auch nicht erfolgreich aufzeigen, dass der belangten Behörde bei der Ermittlung des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhaltes ein wesentlicher Fehler unterlaufen wäre.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellen auch der bisherige Zeitraum seines Aufenthalts im Bundesgebiet, der sich auf eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG stützte, sowie der Umstand, dass er in einem aufrechten Dienstverhältnis steht und "auch über eine aufrechte Beschäftigungsbewilligung" verfügt, keinen besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2005, Zl. 2005/18/0144).

Dass im gegenständlichen Fall ein - ausnahmsweise - aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug bestehen würde, wurde weder konkret behauptet noch ist dies - mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer zu seinen familiären Verhältnissen ausführte, seine Familienangehörigen hielten sich seit 1999 in Dänemark auf - erkennbar.

Da sich die Beschwerde somit nach dem Vorgesagten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. August 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008220039.X00

Im RIS seit

30.09.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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