TE Vwgh Erkenntnis 2008/8/28 2008/22/0371

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Veröffentlicht am 28.08.2008
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §19 Abs2 Z6;
FrG 1997 §57;
MRK Art3;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2008/22/0372 E 28. August 2008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Mai 2005, Zl. 141.913/4-III/4/04, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 17. Mai 2005 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen zum Zweck der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 und § 10 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG unterliege die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an Drittstaatsangehörige, welche die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG erfüllten und entweder Familienangehörige eines rechtmäßig auf Dauer niedergelassenen Fremden seien oder die Voraussetzungen gemäß Abs. 3 erfüllten, keiner Quotenpflicht. Gemäß § 10 Abs. 4 FrG könne die Behörde trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes sowie in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle lägen insbesondere vor, wenn Fremde einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 und 2 FrG ausgesetzt wären. Im Rahmen des Berufungsverfahrens habe der Beschwerdeführer vorgebracht, eine Rückkehr in die Türkei sei ihm und seiner Familie nicht zumutbar bzw. möglich, da sie dort politisch verfolgt würden. Dies werde damit begründet, dass der Beschwerdeführer mit seiner Firma Handelsverkehr mit der Ost-Türkei, welche armenisches bzw. kurdisches Gebiet sei, unterhalten hätte und auch Personen, die mit der kurdischen Bevölkerungsgruppe Handel treiben, politischer Verfolgung ausgesetzt wären. Die aktuelle politische Situation in der Türkei zeige in aller Deutlichkeit, wie gefährlich die Lage für die kurdische Bevölkerung sei und würde auch erklären, warum der Beschwerdeführer und seine Familie wegen der Begünstigung der Kurden so massiv verfolgt worden wären und bei einer eventuellen Rückkehr in die Türkei verfolgt werden würden.

Obwohl der Beschwerdeführer diese Gründe auch im Asylverfahren geltend gemacht habe, sei die Gewährung von Asyl als unzulässig zurückgewiesen worden.

Im Rahmen des Verfahrens auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen habe der Beschwerdeführer auf die bereits erfolgte Integration auf Grund seines seit 1999 andauernden Aufenthalts in Österreich verwiesen. Er verfüge über eine Arbeitserlaubnis bis 28. Jänner 2006 und sei auch erwerbstätig.

"Besonders berücksichtigungswürdige" Fälle im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG liegen insbesondere vor, wenn Fremde einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG ausgesetzt wären, Fremde ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konfliktes verlassen hätten sowie Fremde, die Opfer von Menschenhandel wurden oder Zeugen zur Gewährleistung der Strafverfolgung sind. Die im gegenständlichen Verfahren angeführten Gründe könnten nicht als besonders berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG anerkannt werden. Die geltend gemachte politische Verfolgung habe selbst im Asylverfahren nicht zu einem positiven Abschluss geführt. Die andererseits angeführte Integration in Österreich könne ebenfalls nicht als ausreichender humanitärer Aspekt gesehen werden, zumal die Integration nicht auf einem legalen Aufenthalt in Österreich basiere.

Auch das Vorliegen eines arbeitsmarktrechtlichen Dokumentes führe nicht dazu, dass ein ausreichender besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben sei.

Aus diesem Grund lägen die Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 4 FrG 1997 nicht vor. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unterliege daher der Quotenpflicht. Mangels eines ausreichenden humanitären Aspektes könne eine Inlandsantragstellung gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG 1997 von Amts wegen nicht zugelassen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist festzustellen, dass der gegenständliche Fall aufgrund des Zeitpunktes der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach der Rechtslage des (am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen) FrG zu beurteilen ist.

Ein Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung kann gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 leg. cit., also in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, im Inland gestellt werden. § 10 Abs. 4 FrG stellt - soweit hier relevant - auf mit besonderen Gefährdungen oder Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu geben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0020).

Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde reiste der Beschwerdeführer im Jahr 1999 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der als unzulässig zurückgewiesen wurde. Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen vom 28. Juli 2003 wurde im Inland gestellt. Der Beschwerdeführer ist im Besitz einer bis 28. Jänner 2006 gültigen Arbeitserlaubnis und ist erwerbstätig.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Türkei im Jahr 1999 wegen Verfolgungshandlungen gegen seine gesamte Familie mit seinem Vater und seinen Geschwistern verlassen zu haben. Er und seine Familie seien ob seiner Begünstigung der Kurden so massiv verfolgt worden und würden bei einer eventuellen Rückkehr in die Türkei verfolgt werden. Neuesten Berichten zufolge seien auch jene Personen verdächtig, die mit der kurdischen Bevölkerungsgruppe Handelsbeziehungen unterhielten. Daher sei der Beschwerdeführer der Kollaboration mit den Kurden verdächtigt worden, weshalb ihm eine Rückkehr in die Türkei nicht zumutbar sei. Zum Nachweis der Verfolgung und Diskriminierung der kurdischen Bevölkerungsgruppe und derer, die mit ihr Handel treiben, werde der Bericht von Boris Kalnoky in der Zeitung "Die Welt" angeführt. Medienberichten zufolge plane das türkische Militär seit mindestens Oktober 2004 eine Intervention im Norden des Irak. Diese aktuelle politische Situation in der Türkei zeige in aller Deutlichkeit, wie gefährlich die Lage für die kurdische Bevölkerung sei und erkläre auch, warum der Beschwerdeführer und seine Familie ob seiner Begünstigung der Kurden so massiv verfolgt worden wären und bei einer eventuellen Rückkehr in die Türkei verfolgt werden würden.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Fremder das Bestehen einer aktuellen, also im Fall einer Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, iSd Art. 3 EMRK relevanten Gefährdung glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1998, Zl. 97/18/0103). Soweit sich der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auf die aktuelle politische Situation in der Türkei bezieht und in der Beschwerde dazu ausführt, dass diese mit aller Deutlichkeit zeige, wie gefährlich die Lage für die kurdische Bevölkerung sei und auch erkläre, warum der Beschwerdeführer und seine Familie ob seiner Begünstigung der Kurden massiv verfolgt worden sei, so ist ihm auch hiezu die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten, wonach derartige Hinweise auf die allgemeine politische Lage im Heimatstaat des Fremden für sich keine geeignete Grundlage darstellen, um eine aktuelle und konkrete Gefährdung und/oder Bedrohung glaubhaft zu machen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 97/18/0103). Auch der Hinweis, der Beschwerdeführer würde zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt werden, da er den Militärdienst verweigert habe, ist nicht geeignet, eine besonders berücksichtigungswürdige Situation darzutun. Die Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohende Bestrafung könnte nur dann relevant iSd § 57 FrG sein, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen - wie etwa bei der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2005, Zl. 2003/21/0219). Im vorliegenden Verfahren fehlen diesbezüglich jegliche Anhaltspunkte, sodass das Vorliegen einer besonders berücksichtigungswürdigen Situation nicht dargetan werden konnte.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass die materiellen Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 4 FrG nicht vorliegen, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden. Da § 19 Abs. 2 Z 6 FrG nur für Fremde zum Tragen kommt, die die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG erfüllen, kann somit auch die erstgenannte Bestimmung nicht zugunsten des Beschwerdeführers ausschlagen. Die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen erweist sich aus diesen Gesichtspunkten als unbedenklich.

Wenn die Beschwerde Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen wesentlicher Ermittlungsmängel rügt, so fehlen jegliche Ausführungen dazu, welche Ermittlungen allenfalls mangelhaft durchgeführt worden wären und zu welchen für den Beschwerdeführer günstigen Feststellungen die Behörde - hätte sie ergänzende Ermittlungen durchgeführt - gelangt wäre.

Aus den dargestellten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. August 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008220371.X00

Im RIS seit

03.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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