Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
EheG §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Auer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Siebenstädterstraße 64, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Salzburg vom 13. Juni 2008, Zl. Fr-129/1/08, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer mit einem vom 13. Oktober 2005 bis 11. Dezember 2005 gültigen Visum in Österreich eingereist sei. Nach nur 16 Tagen Aufenthalt im Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer am 11. November 2005 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. In der Folge habe er am 21. November 2005 einen Antrag auf Erteilung einer quotenfreien Niederlassungsbewilligung gestellt. Zuletzt habe er am 5. November 2007 die Verlängerung des ihm erteilten Aufenthaltstitels beantragt und angegeben, dass er von seiner Ehefrau nunmehr geschieden worden sei.
Das Bezirksgericht Salzburg habe mit Beschluss (richtig: Urteil) vom 8. Jänner 2007 die vom Beschwerdeführer geschlossene Ehe mit der Begründung als nichtig aufgehoben, dass diese Ehe deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung und die Möglichkeit, in Österreich zu arbeiten, zu verschaffen.
Durch diese Vorgangsweise - so die belangte Behörde weiter - sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt und es gefährde der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ordnung, nämlich das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Es sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich der österreichischen Rechtsordnung anzupassen.
Nach den Angaben des Beschwerdeführers lebten vier Brüder in Österreich. Er sei ledig, habe keine Sorgepflichten und lebe in keiner Lebensgemeinschaft, die zu einer sozialen Bindung im Bundesgebiet führen könnte. Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers sei zulässig und dringend erforderlich. Der Beschwerdeführer sei bereits von September 1991 bis August 1997 einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich nachgegangen. Eine weitere Erwerbstätigkeit sei erst wieder ab dem 28. Februar 2006 erfolgt, und zwar bei sieben verschiedenen Arbeitgebern mit vielen Unterbrechungen, weshalb von einer Integration am Arbeitsmarkt nicht gesprochen werden könne. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich sei sehr hoch und die fremdenpolizeiliche Maßnahme unbedingt erforderlich, um die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet der fremdenpolizeilichen Vorschriften sicher zu stellen. Das zehnjährige Aufenthaltsverbot sei notwendig, um dem Beschwerdeführer das Fehlverhalten vor Augen zu führen und um bei ihm einen Gesinnungswandel herbeizuführen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).
In § 60 Abs. 2 FPG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 60 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2007/21/0141).
Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG ist verwirklicht, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.
Der Beschwerdeführer meint, dass zwar mit dem genannten Urteil die Ehe als nichtig aufgehoben worden sei, es sei jedoch die Urteilsbegründung äußerst mangelhaft und die Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar. Es habe lediglich die Ehefrau des Beschwerdeführers angegeben, dass nach ihrer Ansicht der überwiegende Zweck der Ehe darin gelegen wäre, dem Beschwerdeführer einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen. Maßgeblich sei jedoch nicht die Absicht des anderen Ehepartners, sondern die des Fremden, dem die Schließung einer Aufenthaltsehe vorgeworfen werde.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer zwar insofern im Recht, als es zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG auf die Absicht des Fremden ankommt. Er verkennt jedoch die Wirkungen des Nichtigerklärungsurteils. Eine Nichtigerklärung gemäß § 23 Ehegesetz kann nämlich nur dann erfolgen, wenn die Absicht beider Ehepartner auf Nichtbegründung der ehelichen Lebensgemeinschaft und auf den Erwerb des Familiennamens oder der Staatsangehörigkeit des einen Ehepartners durch den anderen gerichtet ist, wobei dieser Nichtigkeitsgrund analog auch auf Fälle der Eheschließung zum Zweck der Erlangung der unbeschränkten Aufenthaltsmöglichkeit im Inland oder des ungehinderten Zutritts zum inländischen Arbeitsmarkt angewendet wird (vgl. Stabentheiner in Rummel, ABGB3, § 23 Ehegesetz, Rz 1 und 2). Die Fremdenpolizeibehörde ist an die zivilgerichtlichen Feststellungen über das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe gebunden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0138). Somit wurde durch das genannte Urteil rechtskräftig und bindend festgestellt, dass auch seitens des Beschwerdeführers die Ehe rechtsmissbräuchlich geschlossen wurde. Dadurch wurde der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG verwirklicht und es kann wegen der schweren Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene negative Prognose für den weiteren Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet getroffen werden (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Zl. 2007/21/0138).
Gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot, würde dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, zulässig, wenn diese Maßnahme zur Erreichung der im - oben bereits zitierten - Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Ein Aufenthaltsverbot darf gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.
Da sich der Beschwerdeführer erst seit dem Jahr 2005 (wieder) in Österreich aufhält und hier familiäre Bindungen lediglich zu seinen Brüdern hat, hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Beurteilung der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot im Sinn der genannten Norm dringend geboten und nach Interessenabwägung zulässig sei. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1991 bis 1997 einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich nachgegangen ist. Er rügt zwar, dass sich die belangte Behörde mit seinem Privat- und Familienleben "nicht ausreichend befasst" habe, legt aber nicht dar, welche weiteren Feststellungen die belangte Behörde hätte treffen können. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird somit nicht dargetan und es geht auch der Vorwurf ins Leere, dass es dem bekämpften Bescheid an der notwendigen Interessenabwägung mangle.
Soweit die Beschwerde das der belangten Behörde eingeräumte Ermessen anspricht, werden keine Umstände aufgezeigt, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, im Rahmen ihrer Ermessensübung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes abzusehen.
Die Dauer des Aufenthaltsverbotes wird in der Beschwerde nicht angesprochen. Erwähnt sei, dass § 63 Abs. 1 FPG im Fall des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG nun (im Gegensatz zum Fremdengesetz 1997) ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot zulässt.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 28. August 2008
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008220727.X00Im RIS seit
29.09.2008Zuletzt aktualisiert am
20.06.2009