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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991 §7 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2008/22/0349Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden
1. des N T, und 2. der T T, beide in W, beide vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres 1. vom 18. Februar 2008, Zl. 134.851/4-III/4/07, und 2. vom 18. Februar 2008, Zl. 134.851/5-III/4/07, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Februar 2008 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung eines Antrags auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 24 Abs. 1 und 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurückgewiesen.
Dazu führte die belangte Behörde begründend aus, der Erstbeschwerdeführer habe zuletzt über eine vom 4. September 2002 bis 17. Dezember 2006 gültige Niederlassungsbewilligung für "jeglichen Aufenthaltszweck" verfügt, welche gemäß § 11 Abs. 1 lit. A Z. 1 NAG-DV seit dem 1. Jänner 2006 als "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" weiter gegolten habe.
Am 17. Juli 2007 habe der Erstbeschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand per Post eingebracht, unter einem die Verlängerung der Niederlassungsbewilligung beantragt und die "Antragstellung aus humanitären Gründen nach § 72 NAG" angeregt.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nur gegen die Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist, deren Ablauf die Möglichkeit, eine Verfahrenshandlung zu setzen (z.B. Berufung zu erheben) beende, verfügt werden. Die Regelung des § 24 Abs. 2 NAG sei jedoch "ohne Zweifel" keine verfahrensrechtliche, sondern eine materiellrechtliche Frist, "welche den Rechtsbegriff 'Verlängerungsantrag' klar" definiere. Auf materiellrechtliche Fristen aber finde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Bestimmung über die Wiedereinsetzung keine Anwendung. Auf die durch den Erstbeschwerdeführer vorgebrachten Gründe für die verspätete Antragstellung sei daher nicht näher einzugehen.
2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde ebenfalls vom 18. Februar 2008 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einbringung eines Antrags auf Niederlassungsbewilligung gemäß § 24 Abs. 1 und 2 NAG zurückgewiesen.
Dazu führte die belangte Behörde begründend im Wesentlichen aus, die Zweitbeschwerdeführerin habe noch nie über einen Aufenthaltstitel, sondern zuletzt über ein vom 26. Mai 2006 bis 25. August 2006 gültiges Visum C, ausgestellt von der Österreichischen Botschaft Teheran, verfügt.
Am 17. Juli 2007 habe sie den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht, unter einem die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beantragt und die "Antragstellung aus humanitären Gründen nach § 72 NAG" angeregt.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus wie gerade unter I.1. wiedergegeben. Darüber hinaus liege im Fall der Zweitbeschwerdeführerin "ohne Zweifel" ein Erstantrag vor, sodass deren Antrag auf Wiedereinsetzung "überhaupt jeglichen Ansatzpunktes" entbehre.
3. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit den Begehren, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 24 NAG betreffend das "Verlängerungsverfahren" lautet - auszugsweise - wie folgt:
"§ 24. (1) Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels (Verlängerungsanträge) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.
(2) Anträge, die nach Ablauf des Aufenthaltstitels gestellt werden, gelten nur dann als Verlängerungsanträge, wenn der Antrag spätestens sechs Monate nach dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels gestellt wurde. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig."
Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter anderem dann zu bewilligen, wenn (Z. 1) die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Die Wiedereinsetzung gemäß § 71 Abs. 1 AVG kann - von gesetzlich besonders geregelten Fällen abgesehen - auf materiellrechtliche Fristen nicht angewendet werden; bei der "versäumten Frist" im Sinn dieser Gesetzesbestimmung muss es sich daher um eine verfahrensrechtliche Frist handeln (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 71 AVG E 22f, wiedergegebene hg. Judikatur).
Nach der hg. Rechtsprechung hat eine Frist dann verfahrensrechtlichen Charakter, wenn sie die Möglichkeit, eine Handlung zu setzen, die prozessuale Rechtswirkungen auslösen soll (Verfahrenshandlung), zeitlich beschränkt. Ist hingegen eine Rechtshandlung auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen gerichtet, so ist die dafür vorgesehene Zeitspanne als materiellrechtliche Frist zu qualifizieren (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb, AVG § 32 Rz 3, mit zahlreichen Hinweisen).
2. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes bestehen gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass ein Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 24 NAG auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen gerichtet ist, sodass die dafür in § 24 Abs. 2 NAG vorgesehene Sechsmonatefrist ab dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels als materiellrechtliche Frist zu qualifizieren ist, keine Bedenken.
Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa auch zu der in § 6 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz 1992 vorgesehenen Vierwochenfrist für Anträge auf Verlängerung einer Bewilligung ab Ablauf der Geltungsdauer in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass es sich dabei um eine materiellrechtliche Frist handelte, weil die Stellung eines Verlängerungsantrages nach jener Bestimmung der Durchsetzung eines materiellrechtlichen Anspruchs des Fremden, nämlich des Anspruchs auf Verlängerung seines Aufenthaltsrechtes, diente (so etwa die hg. Erkenntnisse vom 31. August 1995, Zl. 95/19/0218, vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1075, und vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1049).
Auch zu der in § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 vorgesehenen Einwochenfrist für die Stellung des Asylantrags ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet oder aber ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Gefahr einer Verfolgung, an die sich die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Asylwerbers knüpfte, judizierte der Verwaltungsgerichtshof aus ähnlichen Überlegungen, dass es sich dabei um eine materiellrechtliche Frist handelte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 1995, Zl. 95/01/0035).
Im Hinblick darauf, dass ein binnen sechs Monaten gestellter Verlängerungsantrag nach § 24 NAG den Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt (§ 24 Abs. 2 dritter Satz NAG), kann auch für die Frist des § 24 Abs. 2 NAG nichts anderes gelten, sodass die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag des Erstbeschwerdeführers zu Recht mangels Vorliegens einer verfahrensrechtlichen Frist zurückgewiesen hat.
Im Ergebnis trifft dies auch für die durch die belangte Behörde hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin vertretene Auffassung zu: Da für deren richtigerweise als Erstantrag zu qualifizierenden Antrag (vgl. § 2 Abs. 1 Z. 11 und 13 NAG) auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung die für Verlängerungsanträge vorgesehene Frist des § 24 Abs. 2 NAG gar nicht gilt, erwies sich der Wiedereinsetzungsantrag der Zweitbeschwerdeführerin schon aus diesem Grund als unzulässig.
3. Soweit in den vorliegenden Beschwerden eine Entscheidung der belangten Behörde über die gestellten Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln bzw. die Zulassung der Antragstellung nach § 74 NAG moniert wird, ist schlicht darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte lediglich die angefochtenen Bescheide zu überprüfen hat (§ 41 Abs. 1 VwGG), somit in den vorliegenden Fällen die darin ausgesprochene Zurückweisung der Wiedereinsetzungsanträge der Beschwerdeführer.
4. Da sich die Beschwerden aus diesen Gründen als unberechtigt erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. August 2008
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008220348.X00Im RIS seit
02.10.2008Zuletzt aktualisiert am
10.03.2010