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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. Maximilian Ellinger und Dr. Günter Ellmerer, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Pirmoserstraße 15, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 30. Mai 2006, Zl. 313.855/2-III/4/03, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 30. Mai 2006 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer kroatischen Staatsangehörigen, vom 15. Oktober 2002 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gemäß § 21 Abs. 1 und 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Feststellungen zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin am 3. Oktober 2002 sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist und seither hier aufhältig sei; sie habe noch nie über einen Sichtvermerk, eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Niederlassungsbewilligung für die Republik Österreich verfügt.
Nachdem sie am 11. Oktober 2002 den österreichischen Staatsbürger E.O. geheiratet habe, habe sie den gegenständlichen Antrag am 15. Oktober 2002 auf postalischem Weg bei der Bezirkhauptmannschaft Kufstein gestellt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe sich die Beschwerdeführerin im Inland aufgehalten.
E.O. sei am 2. Juni 2003 verstorben. In Österreich hielten sich auch die Kinder sowie die Mutter der Beschwerdeführerin auf. Die Kinder der Beschwerdeführerin verfügten nicht über einen Aufenthaltstitel.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass das gegenständliche Verfahren auf Erteilung einer Niederlassungsberechtigung nach den Bestimmungen des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG zu Ende zu führen sei.
Der vorliegende Antrag sei als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu werten, sodass die Bestimmungen des § 21 Abs. 1 und 2 NAG zu beachten seien. Aufgrund dieser Bestimmungen hätte die Beschwerdeführerin den Antrag im Ausland bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde einbringen und die Entscheidung darüber im Ausland abwarten müssen, sodass die Erstbehörde den Antrag zu Recht abgewiesen habe.
Nach dem Tod ihres Ehegatten habe die Beschwerdeführerin die Vergünstigungen des § 47 iVm § 49 Fremdengesetz 1997 nicht in Anspruch nehmen können; sie könne auch nach der neuen Rechtslage kein Aufenthaltsrecht vom Zusammenführenden gemäß § 47 NAG ableiten.
Unter Berücksichtigung, dass die - auch familiäre - Integration der Beschwerdeführerin in Österreich aus einem zum Teil unrechtmäßigen Aufenthalt resultiere und die Kinder nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Republik Österreich seien, könne die belangte Behörde auch keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG erkennen. Eine Inlandsantragstellung werde daher nicht gemäß § 74 NAG von Amts wegen zugelassen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 81 Abs. 1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes gemäß § 82 Abs. 1 leg.cit. mit 1. Jänner 2006 anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Die belangte Behörde hatte somit den vorliegenden, am 15. Oktober 2002 gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem NAG zu beurteilen.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass ihr österreichischer Ehemann nach Einbringung des gegenständlichen Antrags vom 15. Oktober 2002 am 2. Juni 2003 verstarb. Jedenfalls nach dessen Tod aber stand der Beschwerdeführerin - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - die durch § 21 Abs. 2 Z. 1 NAG den Familienangehörigen von Österreichern (und damit auch deren Ehegatten; vgl. § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG) eröffnete Möglichkeit, abweichend von § 21 Abs. 1 NAG die Entscheidung über einen Erstantrag unter der Voraussetzung des § 21 Abs. 4 NAG im Inland abzuwarten, nicht mehr offen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0219).
Die in der Beschwerde in diesem Zusammenhang angezogene Bestimmung des § 27 NAG stellt auf die Aufrechterhaltung einer bestehenden Niederlassungsbewilligung ab und ist auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 schon mangels Bestehens der Ehe über mindestens ein Jahr nicht Anwendung finden kann.
Auf Grund des in § 21 Abs. 1 NAG verankerten Grundsatzes der Auslandsantragstellung hätte die Beschwerdeführerin somit die Entscheidung über den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ausland abwarten müssen (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 28. April 2008).
Soweit die Beschwerde schließlich die berufliche und familiäre Integration der Beschwerdeführerin als humanitäre Gründe im Sinn des § 72 NAG ins Treffen führt, aufgrund derer die Behörde nach Auffassung der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung erteilen hätte müssen, so ist zunächst hervorzuheben, dass das diesbezügliche Beschwerdevorbringen zum Teil gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) verstößt; im Administrativverfahren hatte die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang lediglich vorgebracht, dass sie einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehe, einen festen Wohnsitz in K und dort den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen habe und dass auch ihre Mutter und ihre drei Kinder in Österreich lebten (vgl. die Berufung vom 13. Oktober 2003).
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin, wonach es die belangte Behörde unterlassen habe, ihre Entscheidung gemäß § 74 NAG ausreichend und nachvollziehbar zu begründen, als nicht zielführend.
Gemäß § 74 NAG kann die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängeln zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt werden.
§ 72 NAG stellt insbesondere auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen; weiters liegt ein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" im Sinn dieser Bestimmung auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. April 2006, Zl. 2006/21/0060, sowie vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0236).
Die belangte Behörde hat in dieser Hinsicht die bisherige Integration der Beschwerdeführerin in Österreich sowie den Aufenthalt der Kinder und der Mutter der Beschwerdeführerin ebendort in Rechnung gestellt und darin - auch unter Berücksichtigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin über längere Zeit und des Umstandes, dass ihre Kinder nicht über einen Aufenthaltstitel für das Inland verfügen - keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG erkannt. Dieser Beurteilung wird durch den Verwaltungsgerichtshof nicht entgegengetreten (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. April 2006).
Im Übrigen war bei der Entscheidung nach § 21 Abs. 1 NAG eine Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einer Niederlassung im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen, wie sie die Beschwerde abschließend vornimmt, nicht erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0546, mwN).
Da sich die Beschwerde aus diesen Gründen als unberechtigt erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. August 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008220640.X00Im RIS seit
29.09.2008Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009