Index
E1E;Norm
11997E234 EG Art234;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag des VwGH oder eines anderen Tribunals:2007/21/0271 B 22. November 2007 Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 2007/21/0271 B 22. November 2007 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62007CO0551 19. Dezember 2008Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, in der Beschwerdesache des SK in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Dezember 2006, Zl. 146.776/4-III/4/06, betreffend Versagung eines Aufenthaltstitels, den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung des in der hg. Beschwerdesache Zl. 2007/21/0271 (EU 2007/0009) angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 8. Februar 2007 auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte bzw. Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurückgewiesen.
Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 23. Dezember 2002 beim Bundesasylamt einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt habe, wobei das Asylverfahren im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe zu dieser Zeit "über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz" verfügt. Am 29. Dezember 2005 habe er eine (auch) britische Staatsangehörige (seine Ehegattin verfügt zudem über die österreichische Staatsbürgerschaft) geheiratet. Der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, dass seine Gattin ihr gemeinschaftsrechtlich zustehendes Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NAG gelte dieses Bundesgesetz nicht für Fremde, die nach dem Asylgesetz 2005 und nach den vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt seien (soweit das NAG nicht anderes bestimme).
Mit hg. Beschluss vom 22. November 2007, Zl. 2007/21/0271 (EU 2007/0009), wurden dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"1. a) Sind die Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 7 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG - im Folgenden RL - so auszulegen, dass sie auch jene Familienangehörigen im Sinn von Art. 2 Nr. 2 der RL erfassen, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat (Art. 2 Nr. 3 der RL) gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet haben?
b) Wenn dies der Fall ist, kommt es ergänzend darauf an, dass sich der Familienangehörige im Zeitpunkt der Begründung der Angehörigeneigenschaft oder des Familienlebens rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält? Wenn ja, genügt es für einen rechtmäßigen Aufenthalt, dass der Familienangehörige lediglich kraft seiner Stellung als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigt ist?
c) Wenn sich aus der Beantwortung der Fragen 1. a) und b) aus der RL kein Aufenthaltsrecht eines 'bloß' als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigten Familienangehörigen, der unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet hat, ergibt: Lässt sich dessen ungeachtet in einer Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Familienangehörige seit knapp vier Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufhält und dort ein Jahr mit einem Unionsbürger - mit dem er seit rd. dreieinhalb Jahren zusammenlebt und mit dem er ein 20 Monate altes gemeinsames Kind hat - verheiratet ist, aus den Art. 18 bzw. 39 EG im Lichte des Grundrechts auf Achtung des Familienlebens ein Recht zum Aufenthalt ableiten?
2. Stehen die Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 der RL einer nationalen Regelung entgegen, wonach Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und denen kraft Gemeinschaftsrecht, insbesondere nach Art. 7 Abs. 2 der RL, ein Recht auf Aufenthalt zukommt, allein deshalb keine Aufenthaltskarte ('Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers') erhalten können, weil sie nach asylgesetzlichen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats (vorläufig) zum Aufenthalt in diesem Staat berechtigt sind?"
Da der Beschwerdeführer Familienangehöriger einer Unionsbürgerin im Sinne des Art. 2 Nr. 2 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG ist, der zum Zeitpunkt der Begründung der Angehörigeneigenschaft kraft seiner Stellung als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigt war und ihm deswegen Rechte nach dem NAG versagt wurden, bilden diese Fragen zum Teil auch im gegenständlichen Fall Vorfragen, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von einem anderem Gericht zu entscheiden sind.
Da das entsprechende Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung bereits anhängig ist, liegen die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, sodass mit einer Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens vorgegangen werden konnte (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 29. Jänner 2008, Zl. 2007/18/0167, und vom 17. Juni 2008, Zl. 2008/22/0028).
Wien, am 28. August 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008220093.X00Im RIS seit
05.11.2008Zuletzt aktualisiert am
03.05.2012