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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Oktober 2006, Zl. Fr 1440/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie aus, dass gegen den Beschwerdeführer von Deutschland ein bis 1. November 2005 gültiges und von Italien ein bis zum 13. Februar 2007 gültiges Aufenthaltsverbot für den "Schengenraum" verhängt worden sei. Der Beschwerdeführer sei auf Grund eines Diebstahlsverdachtes angehalten worden. Er sei am 5. Juni 2004 von der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vernommen worden und es sei mit Bescheid vom selben Tag ein Aufenthaltsverbot erlassen worden. Am 7. Juni 2004 sei der Beschwerdeführer freiwillig ausgereist. Seit Februar 2005 halte er sich wieder im Bundesgebiet auf.
Für die erkennende Behörde ergebe sich eindeutig, dass der Beschwerdeführer am Abend des 17. Mai 2006 versucht habe, im Bereich von E und H Einbruchs- bzw. Einschleichdiebstähle zu begehen, und einen Diebstahl vollendet habe, indem er aus dem Haus von Eduard S die Handtasche der Claudia H gestohlen habe. Er habe dieses Grundstück nach 22.30 Uhr betreten und, weil Claudia H dort (im Vorraum) anwesend gewesen sei, das Haus wieder verlassen. Nachher sei von Claudia H. das Fehlen ihrer Handtasche festgestellt worden. Diese habe den Beschwerdeführer auf einem Lichtbild wieder erkannt. Nach diesem Vorfall sei der Beschwerdeführer gegen 22:50 Uhr von Wilhelm S auf dessen Grundstück betreten worden; nach der Betretung sei er unter Zurücklassung des unversperrten PKW geflüchtet. Am Morgen des 18. Mai 2006 sei am Ort der Betretung die Handtasche der Claudia H auf einem Vordach gefunden worden. Dadurch sei eindeutig erwiesen, dass der Beschwerdeführer diese Handtasche gestohlen habe. Zu einer Verurteilung sei es in der Folge offenbar nur deshalb nicht gekommen, weil eine Anzeige auf freiem Fuß angeordnet worden sei und der Beschwerdeführer ausgereist sei. Weiters seien im PKW des Beschwerdeführers Werkzeuge gefunden worden, die üblicherweise bei Einbruchsdiebstählen Verwendung fänden, wie ein Glashammer und ein Geißfuß. Seine Angaben, er würde diese Werkzeuge für Notfälle bzw. bei einer Autopanne benötigen, würden von der Behörde als unglaubwürdige Schutzbehauptungen eingestuft. Es sei weiters bezeichnend, dass der Beschwerdeführer nach seiner letzten Betretung auf einem fremden Grundstück unter Zurücklassung des unversperrten PKW geflüchtet sei. Es sei unglaubwürdig, dass dies wegen einer starken Alkoholisierung erfolgt wäre.
Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit und sein Aufenthalt laufe auch anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwider. Die festgestellten Umstände reichten aus, ein Aufenthaltsverbot auf die Generalklausel des § 60 Abs. 1 FPG zu stützen. Der Verhinderung von Straftaten gegen fremdes Vermögen komme jedenfalls ein großes Gewicht zu. Die belangte Behörde könne es nicht ausschließen, dass der Beschwerdeführer wieder nach Österreich einreisen und versuchen werde, Vermögensdelikte in der Form von Einbruchsdiebstählen bzw. Einschleichdiebstählen zu begehen.
Der belangten Behörde seien keine familiären oder privaten Bindungen des Beschwerdeführers zu in Österreich lebenden Personen bekannt. Wegen der schwerwiegenden Missachtung der österreichischen Rechtsordnung gehe die Interessenabwägung nach § 66 FPG zu Lasten des Beschwerdeführers aus. Es seien keine maßgeblichen Umstände erkennbar, die für den Beschwerdeführer in positiver Weise zu berücksichtigen wären, weshalb die Bewertung im Rahmen des § 66 FPG auch für die Beurteilung des Ermessensspielraumes nach § 60 Abs. 1 FPG heranzuziehen sei. Die Erlassung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes sei unbedingt erforderlich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).
In § 60 Abs. 2 FPG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 60 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Zl. 2007/21/0141).
Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die behördliche Rechtsansicht, dass ein Aufenthaltsverbot nach § 60 Abs. 1 FPG verhängt werden könne, ohne dass ein Tatbestand des § 60 Abs. 2 FPG verwirklicht ist (vgl. das zur inhaltsgleichen Rechtslage des Fremdengesetzes 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom heutigen Tag zur Zl. 2008/22/0536). Weiters darf die Behörde ein (bloß) einer Strafanzeige (ohne nachfolgende Verurteilung) zu Grunde liegendes - konkret dargestelltes - Fehlverhalten bei der Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose berücksichtigen (vgl. das ebenso zur inhaltsgleichen Rechtslage des Fremdengesetzes 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2002, Zl. 2002/21/0163)
Gegen die behördlichen Feststellungen wendet der Beschwerdeführer lediglich ein, er habe ausreichend und plausibel erklären können, wieso die genannten Werkzeuge in seinem Fahrzeug vorgefunden worden seien. Mit diesem Hinweis zeigt er in keiner Weise eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung auf. Bei Beurteilung des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde somit davon ausgehen, dass dieser in zwei Wohnhäusern Diebstähle beabsichtigt und einen Handtaschendiebstahl auch ausgeführt hat, zumal in seinem Fahrzeug Einbruchswerkzeuge gefunden wurden. Die belangte Behörde durfte somit annehmen, dass durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet wäre. Dem Beschwerdevorbringen, dass ein "vermeintlicher Verdacht" keinesfalls für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ausreiche, ist nach dem Gesagten der Boden entzogen.
Für die Gültigkeit des Aufenthaltsverbotes ist es ohne Belang, dass betreffend das von der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld am 5. Juni 2004 ausgesprochene und mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 28. Juli 2005 bestätigte Aufenthaltsverbot eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde anhängig gemacht wurde (diese zu hg. Zl. 2005/21/0345, nunmehr 2008/22/0536, protokollierte Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom heutigen Tag erledigt) und dass gegen den Beschwerdeführer Aufenthaltsverbote in Deutschland und Italien erlassen wurden. Denn im Blick auf das vom Beschwerdeführer nachträglich gesetzte Fehlverhalten durfte die belangte Behörde jedenfalls auch ein weiteres Aufenthaltsverbot (mit längerer Gültigkeitsdauer) aussprechen.
Gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot, würde dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, zulässig, wenn diese Maßnahme zur Erreichung der im - bereits zitierten - Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Ein Aufenthaltsverbot darf gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.
Zu seinen persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich (bzw. an einer Wiedereinreise) brachte der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren vor, er sei für karitative Zwecke tätig und als Präsident des in Kroatien bestehenden diesbezüglichen Vereines angewiesen, Auslandsreisen zu unternehmen. Mit diesem Hinweis vermochte der Beschwerdeführer in keiner Weise ein dem öffentlichen Interesse an der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes auch nur annähernd gleichwertiges persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich aufzuzeigen. Die belangte Behörde durfte daher das Aufenthaltsverbot als dringend geboten und zulässig nach § 66 FPG beurteilen.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde keine (mündliche) Berufungsverhandlung abgehalten habe, ist ihm zu entgegnen, dass im fremdenbehördlichen Verfahren kein Recht darauf besteht, vor der belangten Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2006/21/0334).
Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 28. August 2008
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008220630.X00Im RIS seit
09.10.2008Zuletzt aktualisiert am
23.06.2009