TE Vfgh Beschluss 2003/9/23 V66/03

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Veröffentlicht am 23.09.2003
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/02 Kraftfahrgesetz 1967, Führerscheingesetz

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
KDV 1967 §25d Abs2

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Änderung der KDV 1967 betreffend Befestigung der Kennzeichentafeln mangels Eingriffs in die Rechtssphäre der antragstellenden Herstellerin von KFZ-Kennzeichenhalterungen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die antragstellende Gesellschaft begehrt mit dem vorliegenden, auf Art139 B-VG gestützten Antrag, §25d Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie, mit der die Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967 (im folgenden: KDV 1967) geändert wird (48. Novelle zur KDV 1967), BGBl. II Nr. 376/2002, als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Nach §49 Abs7 KFG müssen die Kennzeichentafeln mit dem Fahrzeug dauernd fest verbunden sein. Kennzeichentafeln mit Probefahrt- oder Überstellungskennzeichen dürfen jedoch auch behelfsmäßig mit dem Fahrzeug verbunden sein. §25d Abs2 KDV 1967 lautet in der angefochtenen Fassung:

"Als mit dem Fahrzeug dauernd fest verbunden im Sinne des §49 Abs7 KFG 1967 gilt auch eine Befestigung der Kennzeichentafel mit einem serienmäßig hergestellten Kennzeichen-Halter, mit dem jedenfalls der Beanspruchung im normalen Fahrbetrieb entsprochen wird."

3.1. Zur Antragslegitimation führt die antragstellende Gesellschaft aus:

"Zum Nachweis unserer Antragslegitimation verweisen wir darauf, dass der hauptsächliche Unternehmensgegenstand unseres Unternehmens die Herstellung und der Vertrieb von KFZ-Kennzeichenhalterungen ist. Die Antragstellerin ist national wie international (beispielsweise in der BRD und der slowakischen Republik) tätig. Durch die angefochtene Verordnung wird uns eine (unklare) Rechtspflicht auferlegt, die in unsere Rechtssphäre unmittelbar und aktuell eingreift, ohne dass es hiefür einer behördlichen Entscheidung bedarf.

Durch §25 d Abs2 KDV idF der 48. KDV-Novelle sind wir unmittelbar und aktuell in unserer Rechtssphäre betroffen, da nicht nachvollziehbar und somit für unser Handeln als Händler und Produzenten nicht (mehr) vorhersehbar ist, was als 'behelfsmäßige Anbringung' einer Kennzeichentafel iSd §47 Abs7 iVm §47 Abs3 und §47 Abs6 KFG (Probefahrt- und Überstellungskennzeichen) und was als 'dauernde feste Verbindung' im Sinne des §49 Abs7 KFG aufzufassen ist. Probefahrt- und Überstellungskennzeichen dürfen iSd §49 Abs7 KFG 'behelfsmäßig mit dem Fahrzeug verbunden sein' und werden für diese behelfsmäßige Anbringung von Probefahrt- und Überstellungskennzeichen Kennzeichenhalterungen verwendet.

Auch für die Anbringung von 'normalen' und von Wechselkennzeichen werden Kennzeichenhalterungen verwendet. Durch §25 Abs2 KDV in der Fassung der 48. Novelle zur Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967 ist der vom Gesetzgeber in §49 Abs7 KFG normierte Begriff der 'dauernden festen Verbindung' dahin definiert, dass die dauernde feste Verbindung bereits dann hergestellt ist, wenn der 'Beanspruchung im normalen Fahrbetrieb' entsprochen wird.

Damit liegt aber keine unterscheidungskräftige Differenzierung zur behelfsmäßigen Anbringung vor, da auch 'behelfsmäßig' wohl nicht so verstanden werden kann, dass Probefahrt- oder Überstellungskennzeichen bzw. diesbezüglich zur Verwendung gelangende Kennzeichenhalter einer Beanspruchung im normalen Fahrbetrieb nicht entsprechen müssen. Das würde ansonsten bedeuten, dass von Probefahrt- und Überstellungskennzeichen ein Sicherheitsrisiko ausgehen dürfte, dass sie während der Fahrt vom Kraftfahrzeug weggeschleudert werden dürften.

Die Durchführungsverordnung findet im Gesetz keine Deckung, da die vom Gesetzgeber verwendeten unbestimmten bzw. auslegungsbedürftigen Begriffe durch die Verordnung nicht präzisiert und für unmittelbar von der Norm - insbesonders als Produzenten und Händler von Kraftfahrzeugkennzeichenhalter - Betroffene keine vorhersehbare Handlungsmaxime definiert wird.

Die Begriffe des Gesetzgebers 'dauernde feste Verbindung' und die Auslegung bzw. nähere Definition des Verordnungsgebers, dass der Beanspruchung im normalen Fahrbetrieb durch einen Kennzeichenhalter entsprochen werden muss, stehen im Widerspruch zueinander. Der Gesetzgeber hat mit dem gesetzlichen Erfordernis der dauernden und festen Verbindung eine Art der Verbindung der Kennzeichentafeln mit dem Kraftfahrzeug normiert, welche nicht nur im normalen Fahrbetrieb (gerade noch) hält, sondern darüber hinaus erfordert, dass die Kennzeichentafel nicht problemlos - etwa von Hand - jederzeit abgenommen werden kann.

Als Produzenten und Händler von KFZ-Kennzeichenhalterungen ist es uns nicht zumutbar, gesetzwidrige Kennzeichenhalter herzustellen um Gewissheit über die unbestimmten Gesetzesbegriffe sowie die Wertungen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers zu erlangen.

Auch die Schreiben der Antragstellerin an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie vom 14.10.2002 und 19.11.2002 sind ergebnislos geblieben. Durch die Antwort des Bundesministers vom 8.11.2002 konnte keine Klarheit in der Auslegung erzielt werden. Es ist aus diesem Brief offenbar geworden, dass der Bundesminister die Regelungszwecke des historischen Gesetzgebers für 'überholt'(?!) hält. Damit legt die Behörde aber auch offen, dass durch die Verordnung eine Gesetzesänderung - welche die Verordnungskompetenz des Bundesministers überschreitet - beabsichtigt ist. Wir haben im Vertrauen auf die Rechtslage Kennzeichenhalterungen unter beträchtlichem finanziellen Aufwand entwickelt, welche dem Erfordernis der dauernden festen Verbindung iSd §49 Abs7 KFG entsprechen, da diese Kennzeichenhalterungen ausschließlich durch einen eigens konstruierten Spezialschlüssel bzw. ein spezifisches Werkzeug, eine Sicherungsringzange, geöffnet werden können. Es erfolgt demnach durch die Novellierung des §25d Abs2 KDV und die damit bewirkte unklare Rechtslage ein unmittelbarer und aktueller Eingriff in unsere Rechtssphäre."

3.2. Die antragstellende Gesellschaft legt im folgenden dar, daß nach ihrer Auffassung die Wortfolge der "dauernden festen Verbindung" in §49 Abs7 KFG durch §25d Abs2 KDV 1967 einen sehr weiten, vom Gesetz nicht mehr gedeckten Inhalt erhalten habe. Bis zur Erlassung der 48. KDV-Novelle habe der OGH in seiner Entscheidung vom 10.3.1992, 4 Ob 131/91, in einem auf §2 UWG gestützten Verfahren zwischen Kennzeichenhalterherstellern bzw. -händlern die Begriffe der "dauernden festen Verbindung" in §49 Abs7 KFG wie folgt ausgelegt:

"Gemäß §49 Abs7 KFG müssen Kennzeichentafeln mit dem Fahrzeug dauernd fest verbunden sein; Probe- oder \berstellungskennzeichen hingegen dürfen auch bloß behelfsmäßig mit dem Fahrzeug verbunden werden. Diese Vorschrift dient der Sicherung des durch §48 Abs1 KFG - wonach für jedes Kraftfahrzeug und jeden Anhänger bei der Zulassung ein eigenes Kennzeichen zuzuweisen ist - verfolgten Zwecks, der Behörde mit dem Kennzeichen die Möglichkeit zu eröffnen, an Hand der Zulassungskartei jederzeit den Zulassungsbesitzer eines bestimmten Kraftfahrzeuges oder Anhängers zu ermitteln (RV 186 BlgNR 11. GP, abgedruckt in Grubmann, KFG3 Anm 1 zu §48). In den Schutzbereich des §49 Abs7 KFG fällt daher auch die Verhinderung oder zumindest Erschwerung der Verwendung eines Kraftfahrzeuges, für das die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung nicht besteht (ZVR 1972, 190). Die Befestigung soll daher auch einen gewissen Schutz vor unbefugter Abnahme der Kennzeichentafeln bieten. Offenbar ähnlichen Erwägungen folgend hat auch der BMfV mit Erlaß vom 16.5.1984, Zl 70.303/13-IV/3-84 (abgedruckt in Grubmann aaO Anm 7 zu §49) ausgesprochen, daß eine feste Verbindung der Kennzeichentafeln mit dem Fahrzeug nur dann vorliege, wenn die Kennzeichentafel angeschraubt oder angenietet wurde; die Verwendung mit Draht entspreche nicht dem Erfordernis der festen Verbindung. ... . Ein Anschrauben oder Annieten der Kennzeichentafel an das Kraftfahrzeug wird dazu [zur Herstellung der dauernden festen Verbindung] zwar nicht in jedem Fall erforderlich sein; Kennzeichenhalter aber, die - ohne Zuhilfenahme eines Werkzeuges oder eines sonstigen technischen Hilfsmittels und ohne besondere Geschicklichkeit oder Kraftanstrengung - das jederzeitige Abnehmen der Kennzeichentafel von einem Kraftfahrzeug erlauben, dieses also nicht einmal in einer gewissen Weise erschweren, entsprechen nicht dem gesetzlichen Erfordernis der dauernden festen Verbindung."

3.3. Die antragstellende Gesellschaft legt in der Folge an Hand von Einzelbeispielen dar, daß aufgrund der neuen Rechtslage nunmehr auch Kennzeichenhalterungen zugelassen werden müßten, die den früheren Befestigungsstandards nicht entsprochen hätten.

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die angefochtene Verordnung für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Kriterien des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG entsprechen (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsberechtigung zu. Es ist vielmehr auch erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn er nach Art und Ausmaß durch die Verordnung eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11726/1988, 13944/1994, 15977/2000).

2. Nach dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft wurden durch §25d Abs2 KDV 1967, idF BGBl. II Nr. 376/2002, die Anforderungen für die Anbringung von Kennzeichenhalterungen am Kraftfahrzeug insofern gemildert, als die Befestigung früher auch einen gewissen Schutz vor unbefugter Abnahme der Kennzeichentafeln bieten sollte, nunmehr jedoch bloß der Beanspruchung im normalen Fahrbetrieb standhalten müsse. Wie dem Antrag zu entnehmen ist, darf die antragstellende Gesellschaft nach wie vor ihre schon bisher am Markt zugelassenen Kennzeichenhalterungen herstellen und verkaufen, sodaß ein nachteiliger Eingriff in bestehende Rechtspositionen der Gesellschaft nicht vorliegt. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß die angefochtenen Bestimmungen möglicherweise dazu geeignet sind, die Marktposition der antragstellenden Gesellschaft zu beeinflussen. Dabei handelt es sich jedoch bloß um wirtschaftliche Reflexwirkungen der bekämpften Regelung, die die Antragslegitimation der antragstellenden Gesellschaft nicht herzustellen vermögen (vgl. etwa VfSlg. 14488/1996, 14463/1996).

Der Antrag war daher zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Kraftfahrrecht, Kennzeichen, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V66.2003

Dokumentnummer

JFT_09969077_03V00066_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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