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E2D Assoziierung Türkei;Norm
ARB1/80 Art14;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des A S in W, geboren am 25. Dezember 1968, vertreten durch Mag. Andreas Fritz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 30. Mai 2006, Zl. UVS-FRG/20/796/2006/9, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen (Ersatz-) Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (der belangten Behörde) vom 30. Mai 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei mit einem von der österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellten und von 31. Juli 1991 bis 31. August 1991 gültigen Wiedereinreisesichtsvermerk nach Österreich gelangt und nach dessen Ablauf im Bundesgebiet geblieben, um - seinen eigenen Angaben zufolge - hier zu leben und zu arbeiten. Nachdem der Beschwerdeführer am 15. Oktober 1991 in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geehelicht habe, habe er zunächst von der Erstbehörde und anschließend vom Landeshauptmann von Wien weitere Aufenthaltstitel zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" erhalten. Im Zuge einer am 7. Juli 1997 beim Amt der Wiener Landesregierung durchgeführten niederschriftlichen Befragung habe die Ehefrau des Beschwerdeführers ausgeführt, dass sie gegen Erhalt von EUR 2.034,84 mit dem Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen wäre. Obwohl der Beschwerdeführer vereinbarungsgemäß eine Zeit lang (mit seiner Ehefrau) an einer gemeinsamen Adresse gemeldet gewesen wäre, hätte zu keinem Zeitpunkt eine eheliche Lebensgemeinschaft bestanden. Vereinbarungsgemäß wäre die Ehe nach Verstreichen eines gewissen Zeitraumes, nämlich am 27. Jänner 1994, rechtskräftig geschieden worden. Ein von der Erstbehörde daraufhin eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren sei - so die belangte Behörde weiter - nicht zu Ende geführt worden, zumal die Eheschließung bereits länger als fünf Jahre zurückgelegen sei. Der Beschwerdeführer habe daraufhin vom Landeshauptmann von Wien weitere befristete und zuletzt am 2. Dezember 1999 einen unbefristeten Aufenthaltstitel erhalten.
Die erste Verurteilung des Beschwerdeführers sei am 7. November 2000 durch den Jugendgerichtshof Wien wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 198 Abs. 1 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Wochen erfolgt. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer für seinen minderjährigen Sohn B.W., 1995 geboren, im Zeitraum von 1. Oktober 1999 bis 6. November 2000 keine Unterhaltszahlungen geleistet habe. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Jänner 2001 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gemäß § 206 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren, davon 16 Monate bedingt, verurteilt worden. Er habe 1995 ein Verhältnis mit Frau G W. begonnen. Aus dieser Verbindung sei der Sohn B entstanden. Nach Beendigung dieser Beziehung habe der Beschwerdeführer mit der im August 1984 geborenen Tochter seiner ehemaligen Lebensgefährtin in der Zeit von 1997 bis Anfang 1998 den Beischlaf dadurch unternommen, dass er versucht habe, mit seinem Penis in ihre Vagina einzudringen. In einem nicht mehr festzustellenden Zeitraum zwischen 1995 und Anfang 1998 habe der Beschwerdeführer dieselben Tathandlungen an einer weiteren, am 26. Oktober 1986 geborenen Tochter seiner ehemaligen Lebensgefährtin begangen. Weiters habe der Beschwerdeführer bei den genannten Kindern im Zeitraum von 1995 bis Anfang 1998 bzw. in einem nicht mehr präzise festzustellenden Zeitraum ab 1995 bis Anfang 1998 ebenso in mehreren Angriffen versucht, mit seinem Penis in deren After einzudringen. Schließlich habe der Beschwerdeführer in einem nicht mehr präzise festgestellten Zeitraum zwischen 1997 und Anfang 1998 bei der am 2. Oktober 1988 geborenen (dritten) Tochter seiner ehemaligen Lebensgefährtin die letztgenannte Tathandlung in der geschilderten Art und Weise in zumindest fünf Angriffen begangen.
Der Beschwerdeführer sei verheiratet und für vier eheliche Kinder und für ein uneheliches Kind sorgepflichtig. Er sei nach der Aktenlage an der Adresse seiner Ehefrau und den vier ehelichen Kindern aufrecht gemeldet. Seinen Angaben zufolge seien angeblich seine beiden Schwestern und zwei Neffen - insgesamt also vierzehn Familienangehörige - im Bundesgebiet aufhältig. Er sei zuletzt vom 7. Juni 2000 bis zum 30. April 2001 beschäftigt gewesen. In der Folge habe er Krankengeld bzw. zuletzt bis zum 28. Februar 2003 Notstandshilfe erhalten. Danach (der unten wiedergegebenen Aussage zufolge ab Juni oder Juli 2003) habe sich der Beschwerdeführer (etwa zweieinhalb Jahre) in Holland aufgehalten und sei seit seiner Rückkehr im Dezember 2005 nicht mehr beschäftigt, sondern auf Arbeitssuche gewesen.
In einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangte Behörde habe der Beschwerdeführer Folgendes ausgeführt:
"Die gerichtlichen Verurteilungen die dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegen sind bekannt. Ich komme jetzt meinen Unterhaltspflichten nach. Meine Frau wurde vom Magistrat gefragt, wie ich zahlen soll und es wurde ein Gesamtbetrag genannt, den ich jetzt in Raten abzahle. Zur Verurteilung nach § 206, 207 StGB gebe ich an, dass es sich dabei um eine Verleumdung handelt, die meine ganze Familie betroffen hat. Ich bekenne mich nach wie vor unschuldig, ich habe auch meine Kinder hergebracht, die mir auch glauben, dass ich so etwas nicht getan habe und nie tun würde. In der Haft hat man mich dann unter Druck gesetzt wegen einer Therapie und bei dieser wurde ich auch gefragt, wieso ich das gemacht habe und ich habe bei den Antworten dann zwar akzeptiert, obwohl ich die Tat nicht begangen habe. Von der Verurteilung wissen meine Gattin, meine Schwester, deren Mann und deren Tochter, meinen Kindern habe ich meine Haft damit erklärt, dass ich jemanden geschlagen hätte. Diese Handlungen gelten als etwas sehr schlechtes und wenn dies in der Familie bekannt würde, würde ich mein Gesicht verlieren. Die Verleumdungsaktion lässt sich darauf zurück führen, dass ich einmal im Spaß gesagt habe, ich könne mein Kind B, das ich gemeinsam mit Gabriela W. hatte, in die Türkei mitnehmen und beschneiden lassen. Ich habe auch öfters mit ihr gesprochen und gesagt, dass ich möchte, dass er Moslem wird, sie habe aber gemeint, er solle mit 18 Jahren selbst entscheiden, da er bei ihr aufwächst, wird er wahrscheinlich Christ werden. Ich glaube, dass die Verleumdung auf Angst von Frau W. zurückzuführen ist, dass ich meinen Sohn tatsächlich in die Türkei nehme und sie ihn dann nicht mehr sehen würde. Den betroffenen Mädchen bin ich wie ein Vater gegenüber gestanden, ich würde so etwas nie jemanden antun. Heute habe ich keine Verbindung mehr zu ihnen und habe es auch satt. 6 Jahre muss ich mich schon mit dem Vorfall herumschlagen und mein Leben ist ausgelöscht. Ich möchte nur mehr in Frieden hier leben.
Meine Familie hier besteht zunächst aus meiner Gattin, einer türkischen Staatsangehörigen, sowie 4 Kindern, die alle dieser Ehe entstammen. Der älteste Sohn ist 18, der arbeitet, der zweite Sohn ist 17 Jahre und Lehrling, der dritte Sohn ist 15 Jahre und geht noch zur Schule und meine Tochter ist vier Jahre. Meine Gattin arbeitet derzeit nicht, als ich in Holland war, hat sie gearbeitet. Nach Holland bin ich gefahren, nachdem das Aufenthaltsverbot durchsetzbar geworden ist. Im Dezember 2005 bin ich wieder nach Österreich eingereist. Ich bin dzt. arbeitslos und auf Arbeitssuche. Im Juni oder Juli 2003 bin ich nach Holland ausgereist und war dort bei meinem Schwager und bei meiner jüngeren Schwester. Aufhältig bin ich dzt. bei meiner Gattin mit allen vier Kindern in der H.gasse."
Nach den Gründen des Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Jänner 2001, mit welchem der Beschwerdeführer des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gemäß § 206 Abs. 1 StGB und des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen gemäß § 207 Abs. 1 StGB schuldig erkannt worden sei, habe der Beschwerdeführer in diesem Verfahren als Angeklagter die ihm zur Last gelegten Verbrechen "stur" geleugnet und das ganze als "Lügenkampagne der Mädchen" bezeichnet. Jedoch hätte er während des gesamten Verfahrens keinen vernünftigen Grund für eine derartige Verleumdung angeben können. Auch die in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde wiederholte Begründung, Frau W. hätte Angst gehabt, der Berufungswerber könnte den Sohn B in die Türkei mitnehmen, wäre vom Gericht mit der Begründung verworfen worden, das älteste der betroffenen Mädchen, S W., hätte ausdrücklich angegeben, sie hätte den Vorfall gerade deswegen niemandem mitgeteilt, weil sie Angst gehabt hätte, dass der Angeklagte B in die Türkei mitnehmen würde. Dass die drei Mädchen diese Geschichte erfunden hätten, wäre aus Sicht des Gerichtes auszuschließen.
Ausgehend von dieser rechtskräftigen Verurteilung und dem sich daraus ableitbaren Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers ergebe sich jedenfalls eine erhebliche Gefahr für die Grundinteressen der Gemeinschaft. Die Negierung der körperlichen Unversehrtheit von unmündigen jungen Mädchen und die Ausnützung ihrer Schwäche zum schweren sexuellen Missbrauch und zur Unzucht stelle jedenfalls eine erhebliche und tatsächliche Gefahr dar. Eine gegenwärtige Gefahr liege schon deshalb vor, weil der Beschwerdeführer bis heute nicht im Stande sei, das Unrecht seiner Tat einzusehen "und dazu zu stehen", sondern im Gegenteil die Schuld an diesem Verbrechen leugne bzw. die ganze Geschichte als Lügenkampagne seiner Oper darzustellen versuche. Von einem Gesinnungswandel, der eine positive Zukunftsprognose zuließe, könne somit nicht gesprochen werden. Die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 FPG seien somit gegeben.
Es sei darauf Rücksicht zu nehmen gewesen, dass der Beschwerdeführer langjährig im Inland aufhältig sei und erhebliche familiäre Beziehungen habe. Im Ergebnis führe die Interessenabwägung gemäß § 66 FPG dazu, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie nicht schwerer zu veranschlagen seien als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Die für eine Integration wesentliche soziale Komponente sei durch das Gewicht der gerichtlich strafbaren Handlungen, derentwegen der Beschwerdeführer verurteilt worden sei, erheblich beeinträchtigt worden, handle es sich doch bei den in Rede stehenden Verbrechen um besonders schwere und besonders verwerfliche strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeit, die noch dazu im Rahmen der damaligen Familienbeziehungen des Beschwerdeführers gesetzt worden seien. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich überwiege daher die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familienangehörigen. Darüber hinaus werde das Gewicht der privaten und familiären Beziehungen auch dadurch gemindert, dass der Beschwerdeführer im Laufe seines Aufenthaltes in Österreich, wie sich aus den aktenkundigen Verurteilungen ergebe, seinen Unterhaltspflichten nicht regelmäßig und ordnungsgemäß nachgekommen sei. Bei diesem Ergebnis sei auch die Ausübung des der Behörde zustehenden Ermessens eine Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbots nicht in Betracht gekommen. Angesichts der unveränderten Einstellung des Beschwerdeführers zu den ihm rechtskräftig nachgewiesenen Verbrechen, nämlich dass es sich lediglich um eine Lügenkampagne seiner Opfer gehandelt habe, sei nicht zu erkennen, wann sich der Beschwerdeführer zur Beachtung der österreichischen Rechtsordnung durchringen werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gegen den Beschwerdeführer als türkischen Staatsangehörigen, dem die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB) zukommt, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig (vgl. § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG, mit dem die gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots innerstaatlich umgesetzt wurden), wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Für die Beantwortung der Frage, ob diese Annahme gerechtfertigt ist, ist demnach zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der Beurteilung der genannten Gefährdung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen türkische Staatsangehörige, denen die genannte Rechtsstellung zukommt und die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist überdies nur dann zulässig (vgl. § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG), wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0262, mwN).
Unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" im Sinn des fünften Satzes des § 86 Abs. 1 FPG ist -
entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbots herangezogenen Umstände, die in ihrer Gesamtheit die Maßnahme tragen, zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2007/18/0418). Der "maßgebliche Sachverhalt" im Fall eines auf strafbare Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbots umfasst das den Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten. Die belangte Behörde hat dem Aufenthaltsverbot zulässigerweise insbesondere die ab 1995 begangenen Straftaten des Beschwerdeführers zugrunde gelegt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der seit Juli 1991 in Österreich befindliche Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz noch nicht zehn Jahre im Bundesgebiet. Daher sind für ihn nur die ersten vier Sätze des § 86 Abs. 1 FPG maßgeblich.
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, die im § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt. Er führt aus, sich zwar mit der Verurteilung "abgefunden" zu haben, bestreitet jedoch nach wie vor, die ihm zur Last gelegten Tathandlungen begangen zu haben. Er verweist im Übrigen darauf, dass sich der seiner Verurteilung zu Grunde liegende, ihm vorgeworfene Sachverhalt in den Jahren 1995 bis 1998 ereignet habe und er sich seit diesem Zeitraum nichts zu Schulden kommen lassen und wohlverhalten habe.
2.2. Der Beschwerdeführer ist am 15. Oktober 1991 in Wien eine Scheinehe mit einer österreichische Staatsbürgerin eingegangen und hat darauf gestützt Aufenthaltstitel zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" erhalten. Dieses Fehlverhalten könnte zwar für sich alleine ein Aufenthaltsverbot nicht mehr rechtfertigen, es kann aber bei der nunmehrigen Beurteilung seines Gesamtfehlverhaltens und seiner familiären Situation auch nicht außer Betracht bleiben. Er hat für seinen minderjährigen Sohn B W. im Zeitraum von 1. Oktober 1999 bis 6. November 2000 keine Unterhaltszahlungen geleistet. In der Zeit von 1995 bis Anfang 1998 hat er mit zwei unmündigen Töchtern seiner früheren Lebensgefährtin den Beischlaf unternommen und diese sowie eine dritte unmündige Tochter auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht. Der Beschwerdeführer wurde wegen der zuletzt genannten strafbaren Handlungen mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Jänner 2001 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren, davon 16 Monate bedingt, verurteilt. Die materielle Rechtskraft des Schuldspruches bewirkt, dass dadurch - vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens - mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass der Verurteilte die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteiles rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2002, Zl. 2001/18/0258).
Der Beschwerdeführer hat durch sein Gesamtfehlverhalten gegen das große öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften sowie an der Verhinderung von gegen Ehe und Familie gerichteten strafbaren Handlungen verstoßen und durch den Beischlaf und die Unzucht mit Unmündigen schwere und besonders verwerfliche Handlungen gegen die Sittlichkeit gesetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2002, Zl. 99/18/0083). Der seit dem Fehlverhalten des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum bietet keine Gewähr dafür, dass er nicht wieder in der bezeichneten Weise straffällig werden könnte. Er hat alle drei minderjährigen Töchter seiner früheren Lebensgefährtin über einen Zeitraum von insgesamt (rund) drei Jahren in zahlreichen Angriffen missbraucht. Diese schweren Tathandlungen an den Minderjährigen zeigen die kriminelle Energie, die von der Persönlichkeit des Beschwerdeführers ausgeht. Angesichts dessen erscheint der Zeitraum seit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft im September 2002, somit von über dreieinhalb Jahren, in dem sich der Beschwerdeführer wohlverhalten hat, zu kurz, um von einem tatsächlichen Gesinnungswandel des Beschwerdeführers und einer positiven Verhaltensprognose auszugehen. Daher begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.
3. Der Beschwerdeführer befindet sich - mit einer Unterbrechung von etwa zweieinhalb Jahren - seit 1991 im Bundesgebiet. Seinen eigenen Angaben zufolge reiste er im Juni oder Juli 2003 nach Holland aus und im Dezember 2005 wieder nach Österreich ein. Er ist verheiratet und für vier eheliche und ein uneheliches Kind sorgepflichtig. Weitere Familienmitglieder des Beschwerdeführers wohnen ebenfalls im Bundesgebiet. Er war zuletzt vom 7. Juni 2000 bis zum 30. April 2001 beschäftigt. In der Folge erhielt er Krankengeld bzw. zuletzt bis zum 28. Februar 2003 Notstandshilfe. Angesichts der erheblichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich hat die belangte Behörde zutreffend einen mit dem vorliegenden Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers iSd § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf seine persönlichen Interessen - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, liegt doch dem Beschwerdeführer - wie schon erwähnt (vgl. oben II. 2.1.) - ein insbesondere im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit verwerfliches Fehlverhalten zur Last, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten erscheinen lässt.
Im Licht dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 2 FPG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Die Integration des Beschwerdeführers in der für sie wesentlichen sozialen Komponente hat durch das Eingehen einer Scheinehe, die Verletzung der Unterhaltspflicht und vor allem durch die beschriebenen strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht der durch seine Straftaten in Österreich bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Angehörigen.
4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 2. September 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006180333.X00Im RIS seit
24.09.2008Zuletzt aktualisiert am
15.02.2013