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L9 Sozial- und GesundheitsrechtNorm
B-VG Art137 / VerzugLeitsatz
Abweisung einer Klage auf Auszahlung einer Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Wiener Sozialhilfegesetz wegen zwischenzeitig erfolgter Auszahlung zur Gänze; Zuspruch von Verzugszinsen für einen verspätet ausbezahlten RestbetragSpruch
I. Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang des §64 Abs1 Z1 und 2 ZPO wird stattgegeben.
II. Das Land Wien ist schuldig, der Klägerin zu Handen ihrer Rechtsvertreterin 4 vH Zinsen aus EUR 35,75 vom 7. Februar 2003 bis 14. Juli 2003 binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Wiener Landesregierung hatte der Klägerin mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 26. November 2002, MA 15-II-H 27/2002, der Klägerin zugestellt am 23. Jänner 2003, nach den Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG), LGBl. Nr. 11/1973 idgF, eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von EUR 364,65 (unter Anrechnung des am 21. Mai 2002 mit mündlich verkündetem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - MA 12 zuerkannten und der Klägerin ausbezahlten Betrags von EUR 328,90) gewährt.
2. Die vorliegende, auf Art137 B-VG gestützte Klage - beim Verfassungsgerichtshof am 23. Juni 2003 eingelangt - begehrt, das Land Wien schuldig zu erkennen, "der Klägerin den Betrag von EUR 364,65 zuzüglich 4 % Zinsen seit 23.1.2003 sowie die Kosten dieses Rechtsstreites binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen der Klagevertreterin zu bezahlen".
Begründend wird dazu ua. folgendes ausgeführt:
"Bei Vorsprache der Klägerin bei der MA 12 am 20.1.2003 und am 21.3.2003 wurde die Auszahlung des gegenständlichen Betrages verweigert. Einen Grund hierfür nannte die Behörde nicht. Die Auszahlung ist längst fällig. Bis dato hat die Klägerin jedoch keinerlei Zahlung erhalten."
3. Das Land Wien hat mit Schreiben vom 8. Juli 2003 eine Gegenschrift erstattet, worin die Abweisung der Klage beantragt wird. Dazu heißt es, ein Teil des der Klägerin mit Berufungsbescheid vom 26. November 2002 zuerkannten Betrages, nämlich EUR 328,90, sei der Klägerin bereits am 21. Mai 2002 persönlich ausbezahlt worden. Allein der Restbetrag von EUR 35,80 (gerundet) sei - "auf Grund eines Irrtums" - zunächst nicht ausbezahlt worden; er werde jedoch am 11. Juli 2003 auf das Konto der Klägerin angewiesen werden.
II. Da die Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) vorliegen, war dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe "im Umfang des §64 Abs1 Z1 und 2 ZPO" stattzugeben.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. VfGH 10. Juni 2003, A3/03 mwN) - Klage erwogen:
Die Klage ist nur zum Teil begründet.
1. Die Klägerin hat den ihr mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. November 2002 zuerkannten Betrag inzwischen zur Gänze ausbezahlt erhalten.
Da die Klage dessen ungeachtet weder zurückgezogen noch auf Zinsen und Kosten eingeschränkt worden ist, war das Hauptbegehren abzuweisen (vgl. VfSlg. 10.006/1984, 13.201/1992, 15.750/2000).
2. Wenn das Gesetz - wie hier - nicht anderes bestimmt, sind nach der ständigen, mit VfSlg. 28/1919 beginnenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen Verzugszinsen zu entrichten, und zwar ab dem Zeitpunkt des Verzuges (vgl. zB auch VfSlg. 3909/1961, 5079/1965, 6924/1972, 10.498/1985, 10.889/1986, 11.064/1986 uva.).
2.1. Die Klägerin hat den mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (MA 12) vom 21. Mai 2002 zugesprochenen Betrag von EUR 328,90 noch am selben Tag bar ausbezahlt erhalten, sodass die beklagte Partei insoweit zu keiner Zeit in Verzug gewesen ist.
2.2. Hinsichtlich des - verspätet ausbezahlten - Restbetrages von EUR 35,75 besteht das Verzugszinsenbegehren indes dem Grunde nach zu Recht:
2.2.1. Es ist gesetzlich nicht geregelt, wie nach dem WSHG gewährte Leistungen dem Begünstigten auszubezahlen sind. Im vorliegenden Fall kann es jedoch dahingestellt bleiben, ob der der Klägerin zuerkannte Betrag als Hol- oder Schickschuld anzusehen ist:
Gemäß §905 Abs2 ABGB sind Geldzahlungen (unter der Voraussetzung, dass Erfüllungsort der zugrunde liegenden Verbindlichkeit der Wohnsitz bzw. der Ort der Niederlassung des Schuldners ist) - im Zweifel - auf Gefahr und Kosten des Schuldners dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu "übermachen", dh. zu übersenden; es handelt sich um Schickschulden (vgl. OGH RZ 1965, 82; SZ 38/100, 50/151, 71/129 ua.). Eine taugliche Übersendungsart ist - zumindest, wenn, wie vorliegend, Einverständnis über diese Zahlungsart besteht - die Einzahlung (Überweisung) auf ein Konto des Gläubigers.
Rechtzeitig erfolgt die Zahlung einer Geldschuld, die auch dann Schickschuld bleibt, wenn die Zahlung auf ein Bankkonto zu erfolgen hat, wenn - bei bargeldloser Überweisung - der Überweisungsauftrag spätestens am Fälligkeitstag beim kontoführenden Institut einlangt (zB OGH SZ 57/160 mwN). Unerheblich ist, wann der sonach angewiesene Betrag dem Gläubigerkonto gutgeschrieben wird. Die Rechtzeitigkeit der Zahlung steht aber immer unter der Bedingung des Einlangens der Kontogutschrift (zB OGH SZ 50/151).
Allein die - nach dem soeben Gesagten - rechtzeitige Zahlung wirkt auf den Überweisungstag zurück; ein Verzug des Schuldners ist demgegenüber erst mit Einlangen des geschuldeten Betrags auf dem Konto des Gläubigers (Datum der Wertstellung) beendet (zB OGH SZ 46/6).
2.2.2. Als Voraussetzung der Fälligkeit ist dem zur Zahlung Verpflichteten eine angemessene Frist einzuräumen (vgl. zB VfGH 24. September 2002, A7/02, sowie §59 Abs2 AVG bzw. §409 Abs1 ZPO). Im vorliegenden Fall ist ein Zeitraum von zwei Wochen ab 23. Jänner 2003, dem Tag der Zustellung des Bescheides vom 26. November 2002, als ausreichend anzusehen. Die beklagte Partei wäre somit allein dann nicht in Verzug geraten, wenn sie spätestens am Fälligkeitstag - dh. am 6. Februar 2003 - den Überweisungsauftrag an die Klägerin erteilt hätte.
Die Anweisung an die Bank ist indes erst am 11. Juli 2003 erfolgt, sodass sich die beklagte Partei mit Ablauf des 6. Februar 2003 in Verzug befunden hat. Nach dem vorhin Gesagten konnte erst das Einlangen des geschuldeten Betrags auf dem Konto der Gläubigerin den Verzug beenden.
Die Geringfügigkeit des Zinsenbegehrens im Verhältnis zum Gesamtbetrag erlaubt es dem Verfassungsgerichtshof, in Anwendung des §273 Abs2 ZPO (§35 Abs1 VfGG) eine Übermittlungsdauer von drei Tagen anzunehmen. Verzugszinsen waren sohin nicht im Sinne des Klagebehrens schon ab 23. Jänner 2003, sondern erst ab 7. Februar 2003 bis 14. Juli 2003, dem nach freier Überzeugung bestimmten letzten Tag des Verzuges, zuzusprechen.
Das Mehrbegehren war abzuweisen.
3. In Fragen des Kostenersatzes gilt - nach den in Klagssachen gemäß Art137 B-VG sinngemäß (§35 Abs1 VfGG) anzuwendenden Bestimmungen der ZPO - im Allgemeinen das Erfolgsprinzip; der Kostenersatzanspruch bestimmt sich somit nach dem Prozessausgang (vgl. OGH 31. August 1972, 3 Ob 84/72; 5. Mai 1987, 4 Ob 390/86 uva.). Da die Klägerin nach Zahlung des eingeklagten (Rest-)Betrages - trotz Gelegenheit - die Klage nicht auf Zinsen und Kosten eingeschränkt hat, ist sie nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil ihres Anspruches, nämlich mit einem Teil ihres Zinsenbegehrens, als obsiegend, im übrigen indessen als unterliegend anzusehen (vgl. OGH 2. Oktober 1974, 5 Ob 184/74), sodass ihr keine Kosten zuzusprechen waren (vgl. §§41, 35 VfGG iVm §43 Abs2 ZPO).
Da das beklagte Land Kosten weder begehrt noch ziffernmäßig verzeichnet hat, waren auch ihm keine Kosten zuzusprechen (zB VfSlg. 9280/1981).
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / KlagenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:A4.2003Dokumentnummer
JFT_09969077_03A00004_00