Index
41/02 Asylrecht;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des S H in W, geboren am 2. April 1982, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Oktober 2007, Zl. E1/378.881/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. Oktober 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bangladesch, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Feststellungen zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 7. September 2000 illegal in das Bundesgebiet gelangt sei und einen Asylantrag gestellt habe, der abgewiesen worden sei. Der abweisende Bescheid sei nach Zurückziehung der Berufung durch den Beschwerdeführer in Rechtskraft erwachsen.
Am 17. Juli 2004 habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin U.M. geheiratet und am 16. September 2004 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 18. Jänner 2007 sei die Ehe des Beschwerdeführers mit U.M. (gemäß § 23 Ehegesetz) rechtskräftig für nichtig erklärt worden. (Den Feststellungen des angeführten Urteils ist zu entnehmen, dass sich U.M. und der Beschwerdeführer aufgrund einer Vermittlung erstmals in der "McDonald's"-Filiale am Schwedenplatz trafen und vereinbarten, dass U.M. für die Eheschließung mit dem Beschwerdeführer EUR 6.000,-- erhalten sollte, die beiden jedoch nicht zusammenleben sollten und U.M. den Beschwerdeführer an ihrer Adresse anmelden sollte. U.M., die seit Jahren heroinabhängig war, schloss diese Ehe aus rein finanziellen Motiven, der Beschwerdeführer, um durch die Eheschließung eine unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und einen ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen. Die beiden hatten nie eine Liebesbeziehung oder geschlechtliche Beziehung und nahmen auch nie eine Lebensgemeinschaft auf.)
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten; familiäre Bindungen bestünden zu einem Onkel, mit dem der Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt lebe.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der im § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierte Sachverhalt verwirklicht sei und somit die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben seien.
Es sei zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, der jedoch zulässig sei, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße jedoch gravierend, wer zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Scheinehe schließe. Die solcherart vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung sei von solchem Gewicht, dass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG erweisen müsse.
Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei jedoch zu bedenken, dass der Beschwerdeführer zunächst lediglich auf Grund des gestellten Asylantrages zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt gewesen sei und sich sein weiterer Aufenthalt und jede von ihm ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit ausschließlich auf das dargestellte Fehlverhalten gestützt hätten. Die geltend gemachten Bindungen zum Onkel wögen keinesfalls schwer, sei doch der Beschwerdeführer selbst längst volljährig und wohne mit dem Onkel nicht im gemeinsamen Haushalt.
Solcherart sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zu unterstellende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gering. Dem gegenüber stehe jedoch das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung von Scheinehen. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes; dieses erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.
Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung mit zehn Jahren gerechtfertigt. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamtfehlverhalten könne auch unter Bedachtnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe (vor Verstreichen jener Frist) weggefallen sein würden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die vom Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe mit Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 18. Jänner 2007 mit der (tragenden) Begründung gemäß § 23 Ehegesetz rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, dass die Ehe lediglich dazu gedient habe, dem Beschwerdeführer eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen. Auf Grund dieses Urteils steht in bindender Weise fest, dass er die Ehe ausschließlich zu den genannten Zwecken geschlossen hat, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen (vgl. zu dieser Bindungswirkung etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2008/18/0078, mwN).
Im Hinblick darauf ist das Vorbringen in der Beschwerde, welches das Vorliegen einer Scheinehe in Abrede stellt, nicht zielführend; die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, begegnet daher keinen Bedenken.
2. Da das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen die öffentliche Ordnung - nämlich das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - erheblich beeinträchtigt, ist vorliegend - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - auch die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2007/18/0509).
3. Gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG führt der Beschwerdeführer unter anderem ins Treffen, dass er seit sieben Jahren in Österreich integriert sei, wo er mit dem Gesetz nicht in Konflikt geraten sei, ordnungsgemäß gearbeitet, Steuern gezahlt und so zum Wirtschaftsleben in Österreich beigetragen habe. Er sei den österreichischen Gebietskörperschaften nicht zur Last gefallen und habe zum Wohl der österreichischen Volkswirtschaft beigetragen. Die belangte Behörde habe seinem Privat- und Familienleben zu wenig Beachtung geschenkt.
Dem ist zu erwidern, dass die belangte Behörde im Rahmen der gemäß § 60 Abs. 6 FPG bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes durchzuführenden Interessenabwägung gemäß § 66 FPG die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers, seine unselbständige Erwerbstätigkeit und seine Bindung zu seinem in Österreich aufhältigen, aber nicht im gemeinsamen Haushalt wohnenden Onkel berücksichtigt hat. Das Gewicht seiner privaten und beruflichen Interessen auf Grund seines bisherigen inländischen Aufenthaltes und seiner Berufstätigkeit wird jedoch entscheidend dadurch relativiert, dass die Berechtigungen für seinen Aufenthalt und seine Berufstätigkeit auf eine rechtsmissbräuchlich eingegangene Ehe zurückzuführen sind.
Diesen Interessen steht - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), selbst dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man dieser Abwägung die Beschwerdebehauptung zu Grunde legte, dass der Beschwerdeführer durch seine Arbeit zum Wohl der österreichischen Volkswirtschaft beigetragen habe. Denn bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG sind zu Gunsten des Fremden nur die den privaten und familiären Bereich betreffenden Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen zu berücksichtigen (vgl. das bereits angeführte hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, mwN).
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, die belangte Behörde habe keine ausreichenden Feststellungen zum Ausmaß seiner Integration und zu seiner Familie getroffen (und damit erkennbar einen sekundären Verfahrensmangel releviert), bleibt nach dem Beschwerdevorbringen völlig im Dunkeln, welche weiteren Feststellungen in dieser Hinsicht die belangte Behörde über die oben wiedergegebenen hinaus treffen hätte sollen. Im Übrigen ist auch den von dem rechtsanwaltlich vertretenen Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren unterbreiteten Tatsachenbehauptungen kein Vorbringen zu diesen Themenkreisen zu entnehmen, das über die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen hinausginge.
4. Schließlich ergeben sich auch weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände, die es geboten hätten, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
5. Aus all diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. September 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007180899.X00Im RIS seit
24.09.2008Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009