Index
27/01 Rechtsanwälte;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Dipl. Ing. AF in W, vertreten durch Onz Onz Kraemmer Hüttler, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 24. Mai 2005, Zl UVS-03/G/11/4256/2004, betreffend Zurückweisung einer Berufung iA Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer, vertreten durch seine genannten Rechtsvertreter, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 30. März 2004, betreffend Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, eingebrachte Berufung nach § 66 Abs 4 AVG als verspätet zurück.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 63 Abs 5 AVG iVm § 24 VStG die Berufung gegen das besagte Straferkenntnis innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung zu erheben gewesen und diese gesetzlich normierte Frist nicht erstreckbar sei. Das Straferkenntnis sei - gemäß dem Ersuchen des Beschwerdeführers vom 12. Jänner 2004, weitere Zustellungen an ihn selbst vorzunehmen, weil er auf die Einschaltung eines Anwalts verzichten habe wollen (Blatt 41 der von der Erstbehörde geführten Verwaltungsstrafakten) - nach einem erfolglosen Zustellversuch am 2. April 2004 und einem zweiten erfolglosen Zustellversuch am 3. April 2004 an seinem Wohnort in W, M-Gasse 10, beim Postamt W hinterlegt und ab 6. April 2004 zur Abholung bereitgehalten worden. Die Rechtsmittelfrist habe daher am 6. April 2004 zu laufen begonnen und gemäß § 32 Abs 2 AVG am 20. April dieses Jahres geendet. Auf einen Antrag des durch seine Rechtvertreter vertretenen Beschwerdeführers auf Bescheidzustellung vom 28. April 2004 sei unter Hinweis darauf, dass gemäß § 6 des Zustellgesetzes die erste Zustellung maßgebend sei, wenn das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt werde, eine weitere Ausfertigung des angefochtenen Straferkenntnisses mit Schreiben vom 28. April 2004 den Rechtsvertretern des Beschwerdeführers zugestellt worden. Die mit 12. Mai 2004 datierte Berufung sei trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung laut Datum des Poststempels an diesem Tag bei der Erstbehörde eingebracht worden. Zur behaupteten Rechtzeitigkeit der Berufung wird in der Berufung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bevollmächtigung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers bereits am 12. Dezember 2003 der Erstbehörde infolge Akteneinsicht bekannt gewesen wäre. Die erteilte Vollmacht wäre niemals widerrufen worden. Auch das Schreiben des Beschwerdeführers vom 23. Februar 2004, in welchem er ersucht hätte, den Schriftverkehr an seine Büroadresse zu richten, könnte nicht als Aufkündigung der Vollmacht gedeutet werden. Eine Heilung des Zustellmangels wäre auch nicht eingetreten, weil der Beschwerdeführer seinen Rechtsvertreter (gemeint: vor dem Schreiben vom 28. April 2004) lediglich vom Umstand der Zustellung des Straferkenntnisses, nicht jedoch über dessen Inhalt informiert hätte.
Nach Abschluss seiner Einvernahme am 12. Jänner 2004 habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er um Zustellung der das Verfahren betreffenden Schriftstücke an die Geschäftsadresse in W ersuchen würde, weil er auf die Einschaltung seines Anwalts verzichten wollte. Mit Schreiben vom 23. Februar 2004 sei um Zustellung per Adresse des Büros in A ersucht worden. Das in Rede stehende Straferkenntnis sei schließlich - wie bereits festgehalten - an der Wohnanschrift des Beschwerdeführers beim Postamt W hinterlegt und ab 6. April 2004 zur Abholung bereitgehalten worden. Über die Rechtsfolgen hinsichtlich einer hinterlegten Sendung sei der Beschwerdeführer durch die laut Rückschein - vom Beschwerdeführer auch bestätigt - im Briefkasten eingelegte Hinterlegungsanzeige (Formular: "Verständigung über die Hinterlegung") informiert worden. Entscheidend sei die erste gültige Zustellung, wobei § 7 des Zustellgesetzes bei der Frage der Gültigkeit der Zustellung mit zu berücksichtigen sei. Ab dieser Zustellung würden die mit der Zustellung verbundenen Rechtsfolgen (wie etwa die Rechtsmittelfrist) laufen. Eine spätere Zustellung setze die Rechtsmittelfrist nicht neuerlich in Lauf. Die zweiwöchige Rechtsmittelfrist habe (wie ebenfalls bereits erwähnt) vorliegend am 6. April 2004 begonnen und am 20. April 2004 geendet. Die mit 12. Mai 2004 datierte Berufung sei somit verspätet bei der Erstbehörde eingebracht worden. Für die Zurückweisung der Berufung als verspätet sei allein die Versäumung der Rechtsmittelfrist maßgeblich. Ob ein Verschulden der Partei an der Verspätung vorliege, sei daher nicht zu prüfen. Eine Verschuldensprüfung wäre nur bei einer Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag von Belang, ein derartiger Antrag liege jedoch nicht vor. Da es im Fall der verspäteten Einbringung eines Rechtsmittels der belangten Behörde verwehrt sei, auf das Vorbringen des Rechtsmittelwerbers einzugehen und eine Sachentscheidung zu treffen, sei die vorliegende Berufung ohne Eingehen auf die Berufungsausführungen als verspätet zurückzuweisen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:
Nach § 46 Abs 1 VStG ist den Parteien, denen gegen ein Straferkenntnis Berufung zusteht, von Amts wegen eine Ausfertigung des Bescheides mitzuteilen, wenn ihnen der Bescheid nicht mündlich verkündet worden ist. Nach der mit "Vertreter" überschriebenen Bestimmung des § 10 AVG (in seiner hier maßgeblichen Fassung vor seiner Änderung durch BGBl I Nr 5/2008) können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter (sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird) durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen (Abs 1), wobei sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis sich nach den Bestimmungen der Vollmacht richten (Abs 2). Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen (Abs 5). Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, dass der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt (Abs 6).
Bezüglich der mündlichen Verkündung eines Bescheides (Straferkenntnisses) hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 1982, VwSlg 10920 A/1982, ausgesprochen, dass ein namhaft gemachter Vertreter bei der Verkündung eines mündlichen Bescheides - sofern die Partei sich nicht ungeachtet des vorliegenden Vollmachtsverhältnisses mit der Verkündung ihr gegenüber einverstanden erklärt - nicht übergangen werden darf und in einem solchen Fall ein Bescheid nicht rechtswirksam gegenüber der Partei mündlich verkündet werden kann (vgl auch die hg Erkenntnisse vom 13. November 1996, Zl 96/03/0126, und vom 22. März 2002, Zl 99/21/0364).
Der Grundgedanke dieser Rechtsprechung greift angesichts der nach § 46 VStG für die Kundmachung des Bescheides gegenüber dem Adressaten gegebenen Gleichwertigkeit von mündlicher Verkündung und Zustellung auch für die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung eines Bescheides. In diesem Sinne darf im Fall, dass einem Rechtsvertreter eine zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erteilte Vollmacht iSd § 8 Abs 1 RAO erteilt wurde, die nach der hg Rechtsprechung auch eine Zustellvollmacht iSd § 9 des Zustellgesetzes umfasst (vgl das hg Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl 99/03/0325), bei der Zustellung eines Straferkenntnisses nach § 46 VStG der Rechtsvertreter nur dann übergangen werden, wenn sich die Partei ungeachtet des Vollmachtsverhältnisses mit der Zustellung an sie in einer von ihr abgegebenen Erklärung einverstanden erklärte. In einem solchen über § 9 des Zustellgesetzes (insbesondere dessen Abs 3), der (lediglich) vom Vorliegen einer Zustellvollmacht ausgeht, hinausgehenden Fall, dass daneben noch eine Einverständniserklärung der besagten Art gegeben ist, kann somit die Zustellung wirksam entweder an einen solchen bevollmächtigten Parteienvertreter oder an die damit einverstandene Partei erfolgen.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer an die Erstbehörde vor dem erstinstanzlichen Straferkenntnis folgendes Schreiben gerichtet (ohne Hervorhebungen im Original):
"Bundespolizeidirektion Wien
Verkehrsamt
z.Hd. Fr. Dr. SA
Josef-Holaubek-Platz 1
1090 Wien
A, am 23. Februar 2004
Verwaltungsstrafverfahren wegen Verdachtes
der Übertretung nach GGBG/ADR
Sehr geehrte Frau Doktor A,
Wir ersuchen sie, Schriftverkehr in der Causa
AZ: S 168468/VA/03, AZ: S 168469/VA/03, Verfahren nach dem GGBG/ADR
an unsere Büroadresse:
O GmbH
A
B Straße
A
zu Handen Herrn DI AF zu richten.
Mit freundlichen Grüßen
DI AF
Geschäftsführer"
Diesem vom Beschwerdeführer gefertigten Schreiben kann entnommen werden, dass er - was sich aus der genannten Aktenzahl dieses Verfahrens (AZ S 168468/VA/03) ergibt - damit einverstanden ist, dass im hier relevanten von der Erstbehörde gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren weitere behördliche Schreiben an ihn selbst zugestellt werden. Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage kann es daher nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn das besagte erstinstanzliche Straferkenntnis nicht seinem bevollmächtigten Rechtsvertreter, sondern dem Beschwerdeführer selbst zugestellt wurde. Dass die Zustellung nicht an den Arbeitsplatz des Beschwerdeführers, sondern an seine auch in der Beschwerde angegebene Wohnadresse erfolgte, vermag am vorstehenden Ergebnis nichts zu ändern, wird doch gemäß § 2 Z 5 des Zustellgesetzes, BGBl Nr 200/1982 in der damals anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 10/2004 auch die Wohnung als "Abgabestelle" eingestuft, die gemäß § 2 Z 4 leg cit als Zustelladresse gilt, wobei gemäß § 4 Abs 1 leg cit einem Empfänger an jede Zustelladresse zugestellt werden darf (sofern - was vorliegend nicht der Fall ist - gesetzlich nicht die Zustellung an bestimmte Zustelladressen vorgesehen ist).
Vor diesem Hintergrund erweist sich die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers, der insbesondere darauf verweist, dass mit dem genannten Ersuchen des Beschwerdeführers vom 23. Februar 2004 kein Verzicht auf die anwaltliche Vertretung abgeleitet werden könne, und dass der im Bescheid genannte bei der Erstbehörde angelegte Aktenvermerk vom 12. Jänner 2004 über seine damals tatsächlich abgegebenen Erklärungen hinausgehe, als nicht zielführend.
Die belangte Behörde hat somit die in Rede stehende Berufung zu Recht als verspätet eingestuft und daher zurückgewiesen. Von daher geht auch die Rüge fehl, die belangte Behörde habe keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zumal eine solche Verhandlung gemäß § 51e Abs 1 Z 1 VStG entfällt, wenn (wie vorliegend) die Berufung schon als verspätet zurückzuweisen ist, und damit der in der Berufung gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zum Tragen kommen kann.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333. Wien, am 3. September 2008
Schlagworte
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungZeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005030171.X00Im RIS seit
09.10.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013