TE Vfgh Beschluss 2003/9/23 B1153/03, V100/03

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Veröffentlicht am 23.09.2003
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7810 Starkstromwege

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
Stmk StarkstromwegeG §5

Spruch

Die Beschwerde gemäß Art144 B-VG wird zurückgewiesen.

Der Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit einem als "Bescheid" bezeichneten Verwaltungsakt vom 15. Juli 2003 erteilte die Steiermärkische Landesregierung der Steweag-Steg GmbH befristet bis 31. Juli 2005 gemäß §5 des Landes-Ausführungsgesetzes vom 10. November 1970, LGBl. Nr. 14/1971 idgF über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf den Bereich des Bundeslandes Steiermark erstrecken (Steiermärkisches StarkstromwegeG 1971), in der Folge: Stmk. StWG, die Berechtigung, zur Vornahme von Vorarbeiten fremde Grundstücke in den Gemeinden Labuch und Hofstätten [Anm: das ist die einschreitende Gemeinde] zu betreten und für die Ausarbeitung eines Detailprojektes für die Einbindungen der 110-kV-Leitungen Grambach-Gleisdorf in das projektierte 380/110-kV-Umspannwerk Oststeiermark/Wünschendorf nach Maßgabe von Lageplänen in Anspruch zu nehmen. Diese Bewilligung wurde der Gemeinde Labuch und der einschreitenden Gemeinde mit dem Ersuchen u. a. um Bekanntmachung durch Anschlag an der Gemeindetafel und Auflage des beiliegenden Übersichtsplans zur allgemeinen Einsichtnahme übermittelt.

2. Gegen diesen Verwaltungsakt wendet sich die Gemeinde Hofstätten einerseits mit einem Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG, andererseits mit einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG.

2.1. Die einschreitende Gemeinde begehrt gemäß Art139 Abs1 B-VG, "die angefochtene Emanation der Steiermärkischen Landesregierung vom 15.07.2003 kostenpflichtig wegen Gesetzwidrigkeit [...] aufzuheben."

Zur Zulässigkeit dieses Antrags führt die einschreitende Gemeinde aus, sie sei Eigentümerin von Flächen innerhalb ihres Gemeindegebiets. Die im Erkenntnis VfSlg. 15.545/1999 zu §5 des Bundesgesetzes über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken (StarkstromwegeG 1968), geäußerte Rechtsansicht, wonach gegenüber den zur Duldung der Vorarbeiten verpflichteten Grundeigentümern eine Verordnung zu ergehen habe, sei auf §5 des Stmk. StWG ohne weiteres übertragbar. Die bekämpfte Emanation sei in der Zeit vom 18. Juli bis 4. August 2003 an der Amtstafel der einschreitenden Gemeinde angeschlagen gewesen. Die der einschreitenden Gemeinde auferlegten Verpflichtungen seien als materielle Enteignung einzuordnen, werde doch der Beteiligten und den von ihr beauftragten Firmen die sonst nur dem Eigentümer eingeräumte Berechtigung übertragen, Grundflächen zu betreten und darauf befindliche Sachen zu beseitigen (zB das Entfernen von Ästen, Büschen oder Bäumen) und Bodenverwundungen im Zuge von Bodenuntersuchungen vorzunehmen. Sofern es sich bei der angefochtenen Emanation um eine Verordnung handle, greife diese in die Rechte der einschreitenden Gemeinde ein. Die in der bekämpften Emanation umschriebenen Eingriffe im Rahmen der Vorarbeiten seien wohl so weit konkretisiert, dass die Emanation hinreichend eindeutig sei, um im Sinne des Art139 Abs1 B-VG bekämpfbar zu sein. In Folge des Umstandes, dass die Beteiligte mit ihrem Schreiben vom 29. Juli 2003 die Durchführung der Vorarbeiten für Ende August/Anfang September des Jahres 2003 angekündigt habe, sei der Eingriff jedenfalls aktuell und nicht bloß potenziell. Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 15.545/1999 dargelegt habe, seien derartige Verordnungen der Individualanfechtung unterworfen und sei diese der dafür allein in Betracht kommende Rechtsweg.

2.2. Die einschreitende Gemeinde begehrt auch gemäß Art144 B-VG, die angefochtene Emanation kostenpflichtig aufzuheben. Sofern es sich bei der angefochtenen Emanation in Übereinstimmung mit ihrer Eigenbezeichnung um einen Bescheid handeln sollte, verletze dieser die einschreitende Gemeinde in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf "Selbstverwaltung, insbesondere auf Besorgung der Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches bezüglich Raumplanung und Verwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde", auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG). Zur Begründung führt die einschreitende Gemeinde aus:

"Gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 15.545/1999 hat bei Ausschöpfung der Ermächtigung des §5 Stmk. StWG gegenüber den Grundeigentümern (und damit auch gegenüber der beschwerdeführenden Gemeinde als Eigentümer von Grundflächen innerhalb ihres Gemeindegebietes) eine Verordnung zu ergehen. Im Gegensatz dazu hat die belangte Behörde im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ohne entsprechende gesetzliche Grundlage einen Bescheid erlassen."

II. 1. Zur Beschwerde gemäß Art144 B-VG:

Gemäß Art144 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, "soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrags in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet" (vgl. VfSlg. 9873/1983).

Es war daher zu prüfen, ob dem bekämpften Verwaltungsakt - aus der Sicht der beschwerdeführenden Gemeinde - Bescheidcharakter zukommt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 23. April 1996, Z94/05/0021) und der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 15.545/1999, 15.918/2000) in ihrer - auf §5 Stmk. StWG übertragbaren - Rechtsprechung zu §5 des Bundesgesetzes über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken (StarkstromwegeG 1968) dargelegt haben, wirkt der angefochtene Verwaltungsakt zwar für die beteiligte Partei "Steweag Steg GmbH" als Bescheid, nicht aber für die beschwerdeführende Gemeinde, die dadurch zur Duldung der Vornahme von Vorarbeiten auf ihren Grundstücken verpflichtet wird. Ihr gegenüber wirkt die Bewilligung als Verordnung.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen, weil der angefochtene Verwaltungsakt gegenüber der beschwerdeführenden Gemeinde nicht als Bescheid in Erscheinung tritt.

Bei diesem Verfahrensergebnis konnte eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entfallen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.

2. Zum Antrag gemäß Art139 B-VG:

Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Die antragstellende Gemeinde begehrt die Aufhebung der gesamten "Emanation der Steiermärkischen Landesregierung vom 15.07.2003". Dazu mangelt der antragstellenden Gemeinde jedoch die Legitimation. Es ist nämlich offenkundig, dass keineswegs alle Bestimmungen der zur Aufhebung beantragten "Emanation" derart beschaffen sind, dass sie iS des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG und §57 Abs1 letzter Satz VfGG unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde eingreifen könnten. Beispielsweise ist darauf zu verweisen, dass der angefochtene Verwaltungsakt nicht nur auf die antragstellende Gemeinde, sondern auch auf die Gemeinde Labuch Bezug nimmt. Die vom angefochtenen Verwaltungsakt angeordneten Duldungspflichten der Eigentümer von Grundstücken in Labuch können nicht in die Rechtssphäre der antragstellenden Gemeinde als Eigentümerin von Grundflächen in ihrem eigenen Gemeindegebiet eingreifen. Der auf die Aufhebung der ganzen Verordnung gerichtete Antrag ist deshalb unzulässig (vgl. zB VfSlg. 11.153/1986, 11.323/1987, 12.218/1989, 12.442/1990, 14.321/1995).

Der auf die Aufhebung der gesamten Verordnung und nicht bloß auf die Aufhebung der Wortfolgen "den Gemeinden" und "und Hofstätten" in Punkt I.1. des Spruchs des "Bescheides" gerichtete Antrag war deshalb schon aufgrund dieser Überlegungen zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Energierecht, Elektrizitätswesen, Verordnungsbegriff, VfGH / Legitimation, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1153.2003

Dokumentnummer

JFT_09969077_03B01153_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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