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19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §37;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2008/22/0377Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden 1. des I, und 2. des O, beide vertreten durch die Brauneis, Klauser & Prändl, Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Bauernmarkt 2, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 10. Mai 2005, 1. Zl. 143.599/2-III/4/05 und
2. Zl. 143.599/3-III/4/05, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) wurden die Anträge der Beschwerdeführer, türkische Staatsangehörige, auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen gemäß § 14 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Der Erstbeschwerdeführer habe von 1980 bis 1991 ständig in Österreich gelebt und sei durchgehend beschäftigt gewesen. 1991 sei er abgeschoben worden. Am 12. Juli 2002 seien der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer mit einem Visum "C" nach Österreich eingereist und nach Ablauf der Gültigkeitsdauer in Österreich verblieben. Am 24. September 2004 hätten die Beschwerdeführer beim Landeshauptmann für Wien Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen gestellt, die von der genannten Behörde gemäß § 14 Abs. 2 FrG abgewiesen worden seien.
Erst- und Zweitbeschwerdeführer seien Ehegatte bzw. Sohn der seit 1972 ständig in Österreich aufhältigen F E. Des Weiteren lebten zwei Söhne des Erstbeschwerdeführers bzw. Brüder des Zweitbeschwerdeführers, I und M E., seit ihrer Geburt in Österreich. Alle seien türkische Staatsangehörige.
Es stehe fest, dass die Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel für Österreich verfügten und der gegenständliche Antrag als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten sei, den sie gemäß § 14 Abs. 2 FrG vor ihrer Einreise nach Österreich vom Ausland aus stellen hätten müssen. Die Tatsache der Inlandsantragstellung sei in den Berufungen auch nicht bestritten worden. Diese Vorgangsweise widerspreche dem in § 14 Abs. 2 FrG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, dass Fremde die Entscheidung über ihren Antrag im Ausland abzuwarten hätten.
Im Zuge der Befragung des Erstbeschwerdeführers hinsichtlich humanitärer Gründe habe dieser angegeben, dass es "in Österreich schön zu leben sei" und seine Frau Bluthochdruck hätte. Als er ersucht worden sei, Befunde seiner Gattin zu bringen, habe er angegeben, dass es jetzt seiner Gattin gut gehen und sie keine Behandlung mehr brauchen würde. Laut eigenen Angaben wäre seine Gattin das letzte Mal wegen Bluthochdrucks vor ca. zwei Jahren im Spital gewesen. Trotz intensiver Befragung hätte er keine humanitären Gründe nennen können.
Die belangte Behörde hielt daher fest, dass die Ehegattin und zwei Söhne des Erstbeschwerdeführers bzw. die Mutter und zwei Brüder des Zweitbeschwerdeführers in Wien lebten. Jedoch vermöge der Umstand, dass sich die Familie rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und die beiden Beschwerdeführer mit der übrigen Familie zusammenleben wollten, keinen besonders berücksichtigungswürdigen Aspekt im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG darzutun, zumal das Fremdengesetz für die Familienzusammenführung eindeutige Verfahrensnormen festhalte. Die Behörde habe einen im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung abzuweisen, wenn kein besonders berücksichtigungswürdiger Fall aus humanitären Gründen vorliege. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und unter Berücksichtigung der Erläuterungen zur Regierungsvorlage Fälle, wenn Fremde einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG ausgesetzt seien, Fremde, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konfliktes verlassen hätten sowie Opfer und Zeugen von Menschenhandel. Sowohl die Anträge als auch die Berufungen hätten keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG enthalten, weshalb die Anträge gemäß § 14 Abs. 2 FrG vor der Einreise vom Ausland aus eingebracht werden hätten müssen. Daher habe den Berufungen nicht stattgegeben werden können. Überdies liege ein Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG vor, der für sich allein schon zu einer zwingenden Versagung führe. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG habe keine Ermessensausübung unter Berücksichtigung der in § 8 Abs. 3 FrG genannten Kriterien zu erfolgen. Darüber hinaus sei die Antragstellung vor der Einreise von wesentlicher Bedeutung und führe eine nicht dem Gesetz entsprechende Antragstellung zur Abweisung des Antrages. Der Gesetzgeber habe bereits bei Erlassung dieser Bestimmung auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über die persönlichen Verhältnisse gestellt. Ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, sei daher entbehrlich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die im Wesentlichen inhaltsgleichen Beschwerden, die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden, nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Unstrittig ist, dass die Ehefrau und zwei Söhne des Erstbeschwerdeführers bzw. die Mutter und zwei Brüder des Zweitbeschwerdeführers in Österreich leben. Die Beschwerdeführer sind mit einem Visum "C" nach Österreich eingereist und halten sich seither durchgehend im Inland auf. Sie verfügen über keinen Aufenthaltstitel.
Die Abweisung der Anträge stützte die belangte Behörde auf die Versagungsgründe des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG und des § 14 Abs. 2 FrG.
Ein Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG liegt vor, wenn ein Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll. Bei Vorliegen dieses absoluten Versagungsgrundes hat eine Ermessensübung nicht zu erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2002/21/0138).
Gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG kann ein Antrag bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen im Inland gestellt werden. § 10 Abs. 4 FrG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0020). Weiters liegt ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zlen. 2004/21/0195 bis 0197, mwN).
Die Beschwerdeführer bringen vor, dass die Ehefrau und zwei Söhne des Erstbeschwerdeführers bzw. die Mutter und zwei Brüder des Zweitbeschwerdeführers sich rechtmäßig im Inland aufhielten und die Ehegattin bzw. Mutter unter chronischer Bronchitis, arterieller Hypertonie und chronischer Gastritis sowie Depressionen leide. Der ältere Sohn des Erstbeschwerdeführers bzw. Bruder des Zweitbeschwerdeführers leide unter schizophrener Psychose, Psoriasis pustulosa, Hebephrenie und Bakteriämie und sei in einer geschlossenen Anstalt untergebracht. Die Familie benötige dringend die Unterstützung und Pflege durch den Erstbeschwerdeführer. Beide Beschwerdeführer hätten keine weiteren familiären Bindungen und auch keine Wohnmöglichkeit in der Türkei, sämtliche Finanzen der Familie wären in den Aufbau ihrer Existenz in Österreich geflossen. Den Anträgen sei ein als "Lebenslauf" bezeichnetes Dokument vom 21. September 2004 beigelegt worden, in dem die wesentlichen Informationen über die Beschwerdeführer und ihre Familienverhältnisse zusammengefasst seien. Darüber hinaus würden auch explizit humanitäre Gründe für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung angeführt.
Mit diesem Vorbringen kann eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide nicht aufgezeigt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2003/18/0320, in diesem Zusammenhang ausgeführt, der Text des § 10 Abs. 4 FrG wie auch die für sein Verständnis maßgeblichen Gesetzesmaterialien zeigten, dass diese Regelung auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden im Sinne von § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 leg. cit. abstelle und auf einen - ausnahmsweise - aus Art. 8 EMRK abzuleitenden Anspruch auf Familiennachzug (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 2007, Zl. 2004/18/0368, mit weiteren Nachweisen). Wie der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, B 1159/04, ausgeführt hat, enthält Art. 8 EMRK kein Recht von Ausländern auf Entfaltung des Familienlebens in einem bestimmten Staat ihres Aufenthaltes. Unter besonderen Umständen kann sich jedoch aus Art. 8 EMRK eine Verpflichtung des Staates ergeben, die Einreise und die Niederlassung von Familienangehörigen zu ermöglichen, dies mit der Folge, dass die Verweigerung der Einreise oder Niederlassung einen Eingriff in dieses Grundrecht bildet.
Dass den Beschwerdeführern im gegenständlichen Fall in ihrem Heimatstaat (Türkei) eine Gefährdung oder Notlage im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG drohe, wird von ihnen nicht behauptet. Bezüglich der Erkrankung der Ehefrau des Erstbeschwerdeführers bzw. Mutter des Zweitbeschwerdeführers konnte nicht nachgewiesen werden, dass diese einer dringend notwendigen Unterstützung und Pflege bedürfe, die ausschließlich vom Erstbeschwerdeführer geleistet werden könnte. Den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, dass es der Gattin bzw. Mutter gut gehe und sie keine Behandlung mehr brauche, wurde nicht substantiiert entgegen getreten. Zur Erkrankung des Sohnes des Erstbeschwerdeführers bzw. Bruder des Zweitbeschwerdeführers ist festzuhalten, dass die in beiden Beschwerden angeführten Befunde vom 12. und 17. August 2005, wonach dieser unter schizophrener Psychose, Psoriasis pustulosa, Hebephrenie und Bakteriämie leide und in einer geschlossenen Anstalt untergebracht sei, dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen sind. Es wurde aber auch in diesem Zusammenhang kein dringend notwendiger Pflegebedarf dargetan, der es den Beschwerdeführern unmöglich machen würde, zumindest für die Dauer eines ordnungsgemäß eingeleiteten und durchgeführten Niederlassungsverfahrens das Bundesgebiet zu verlassen.
Den Beschwerdeführern ist es somit nicht gelungen darzutun, dass es sich bei der sofortigen Familienzusammenführung um die für sie einzig zumutbare Lösung handle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2005/18/0496).
Demzufolge ist mit der Versagung einer Niederlassungsbewilligung für die Beschwerdeführer kein (unzulässiger) Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte verbunden und nicht als rechtswidrig anzusehen, wenn die belangte Behörde das Vorliegen von "besonders berücksichtigungswürdigen Gründen" im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG verneint und die Abweisung der gegenständlichen Anträge unter Berufung auf § 14 Abs. 2 (erster Satz) FrG vorgenommen hat.
Da sich die angefochtenen Bescheide somit nicht als rechtswidrig erweisen, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. August 2008
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008220376.X00Im RIS seit
09.10.2008Zuletzt aktualisiert am
27.02.2009