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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art6 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des H K in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 19. Dezember 2005, Zl. MA 61/IV - K 1015/2005, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Laut seinen Angaben lebte der Beschwerdeführer seit März 1991 in Österreich und wurde im April 1998 aus Österreich abgeschoben. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 28. Oktober 2002 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 und Abs. 4 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 (StbG), abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 1. August 1997 sei gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dieses Aufenthaltsverbot sei mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 8. März 2001 gemäß § 114 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 (FrG) aufgehoben worden. Auf Grund dieses Aufenthaltsverbots habe sich der Beschwerdeführer von April 1998 bis August 2001 in der Türkei aufgehalten.
Da der Beschwerdeführer für diesen Zeitraum keine wesentlichen Anknüpfungspunkte zu Österreich dargelegt habe, sei der Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen gemäß Art. 6 Abs. 3 B-VG in diesem Zeitraum eindeutig in der Türkei gelegen. Für diese Tatsache seien die Umstände, weshalb das genannte Aufenthaltsverbot unbekämpft geblieben sei sowie die Folgen der Nichtbekämpfung irrelevant. Das Vorbringen, der Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 1. August 1997 hätte beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden können und wäre möglicherweise aufgehoben worden, ändere nichts an der Tatsache, dass dieser Bescheid zum Zeitpunkt seiner Erlassung rechtskonform gewesen sei. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), B 1045/98, sei auf das vorliegende Verfahren nicht analog anzuwenden, da nicht vergleichbare Sachverhalte vorlägen.
Durch den mehr als dreijährigen tatsächlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Türkei sei eine Unterbrechung des Hauptwohnsitzes in Österreich von April 1998 bis 13. August 2001 gegeben, sodass eine Verleihung gemäß § 10 Abs. 1 StbG mangels Vorliegens eines ununterbrochenen 10-jährigen Hauptwohnsitzes in Österreich nicht erfolgen könne. Auch eine vorzeitige Einbürgerung gemäß § 10 Abs. 4 Z 1 StbG sei nicht möglich, da der Beschwerdeführer noch nicht die dafür erforderliche Mindestwohnsitzdauer von sechs Jahren erfülle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006) kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat.
Gemäß § 10 Abs. 4 Z 1 StbG kann von der Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 leg. cit. aus besonders berücksichtigungswürdigem Grund abgesehen werden, sofern es sich um einen Fremden handelt, der seit mindestens sechs Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat.
2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht der einmal an einem Ort im Inland begründete Hauptwohnsitz nicht durch jeden Auslandsaufenthalt wieder verloren, sofern der Lebensmittelpunkt des Verleihungswerbers auch während dieser Zeit im Bundesgebiet erhalten bleibt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. März 2006, Zl. 2004/01/0266, mwN).
In objektiver Hinsicht setzt das Fortbestehen eines Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet voraus, dass der Einbürgerungswerber Beziehungen zum Inland aufrecht erhält, die bei einer Gesamtbetrachtung seiner beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensumstände den Schluss rechtfertigen, er habe seinen Lebensmittelpunkt nach wie vor in Österreich. Bedeutsame Kriterien dieser Gesamtbetrachtung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Aufrechterhaltung einer Wohnmöglichkeit im Inland während der Zeit des Auslandsaufenthaltes und die - etwa auf Grund von Wiedereinstellungszusagen des österreichischen Arbeitgebers - beruflich gesicherte Stellung im Bundesgebiet (vgl. zuletzt die hg. Erkenntnisse vom 25. September 2007, Zlen. 2005/01/0198 bzw. 2005/01/0816, jeweils mwN).
3. Davon ausgehend kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Beschwerdefall zu dem Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer habe während seines Auslandsaufenthaltes in der Türkei von April 1998 bis August 2001 seinen Lebensmittelpunkt nicht im Bundesgebiet gehabt.
4. Die Beschwerde bestreitet diesen Umstand auch nicht, sondern wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, der Auslandsaufenthalt des Beschwerdeführers sei durch rechtswidriges Behördenhandeln verursacht worden. Der Beschwerdeführer sei auf Grund eines über ihn auf fünf Jahre verhängten Aufenthaltsverbotes aus Österreich abgeschoben worden. Diesem Aufenthaltsverbot sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer beinahe sechs Jahre davor eine Scheinehe geschlossen habe. Dem Antrag des Beschwerdeführers, das Aufenthaltsverbot gemäß § 114 Abs. 3 FrG aufzuheben, sei seitens der Bundespolizeidirektion Wien nicht stattgegeben worden. Der dagegen gerichteten Berufung sei erst am 8. März 2001, sohin eineinhalb Jahre nach Antragstellung Folge gegeben worden. Daher dürfe der faktische Auslandsaufenthalt des Beschwerdeführers im Sinne des Erkenntnisses des VfGH vom 9. Juni 1999, B 1045/98, nicht berücksichtigt werden.
Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, dass das vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des VfGH vom 9. Juni 1999, B 1045/98, VfSlg. 15.504, im Beschwerdefall nicht einschlägig ist:
So blieb im Beschwerdefall das Aufenthaltsverbot unstrittig durch den Beschwerdeführer unbekämpft und wurde keine Beschwerde an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof erhoben. Dem von der Beschwerde angeführten Erkenntnis des VfGH lag dagegen ein Beschwerdefall zu Grunde, in dem der dort maßgebliche Bescheid beim VfGH angefochten und in der Folge mit Erkenntnis des VfGH VfSlg. 14.879/1997 aufgehoben worden war.
Auch aus der von der Beschwerde angeführten Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes gemäß § 114 Abs. 3 FrG kann nicht auf die Rechtswidrigkeit des seinerzeitigen Aufenthaltsverbotes geschlossen werden. So waren Aufenthaltsverbote nach dieser Übergangsbestimmung (nur) dann aufzuheben, wenn sie bei fiktiver Geltung des FrG im Zeitpunkt ihrer Verhängung nicht hätten erlassen werden dürfen (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2005, Zl. 2005/18/0672, mwN). Zudem erfolgte eine solche Aufhebung nicht rückwirkend - ex tunc - (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 98/18/0146).
Das von der Beschwerde angeführte Erkenntnis des VfGH vom 13. Dezember 1995, B 434/94, VfSlg. 14.393, ist im Beschwerdefall ebenfalls nicht einschlägig, weil die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht auf das verhängte Aufenthaltsverbot, sondern auf die Unterbrechung der Wohnsitzfrist nach § 10 Abs. 1 Z 1 StbG durch den unstrittigen Auslandsaufenthalt des Beschwerdeführers gestützt hat.
Dass der Beschwerdeführer seinem Vorbringen zufolge alle Anstrengungen unternommen habe, wieder nach Österreich einreisen zu dürfen, ändert an diesem - auch gemäß § 10 Abs. 4 Z 1 StbG einem Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet entgegen stehenden - Auslandsaufenthalt ebenso wenig wie die Behauptung, die Aufhebung des gegen den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes nach § 114 Abs. 3 FrG sei erst nach eineinhalbjähriger Verzögerung erfolgt.
Davon ausgehend fehlt den in der Beschwerde behaupteten Begründungsmängeln die für die Aufhebung wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften erforderliche Relevanz.
5. Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 4. September 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006010064.X00Im RIS seit
28.10.2008Zuletzt aktualisiert am
27.02.2009