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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §69 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des Y (A M) S in W, vertreten durch Dr. Rainer Pallas, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 7. Oktober 2004, Zl. MA 61/IV-S 695/2001, betreffend Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens und Abweisung des Ansuchens um Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der aus Ägypten stammende Beschwerdeführer beantragte im September 1999 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 12. März 2001 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) die österreichische Staatsbürgerschaft mit Wirkung vom 12. März 2001 verliehen.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 7. Oktober 2004 hat die Wiener Landesregierung wie folgt entschieden:
"1) Das mit rechtskräftigem Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 12. März 2001, MA 61/IV-S 695/2001, abgeschlossene Verfahren, mit welchem Herrn Y S, geboren 1958 in B, Ägypten, die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, wird von Amts wegen wieder aufgenommen.
Rechtsgrundlage: § 69 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF.
2) Das Ansuchen des Herrn Y S um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wird abgewiesen.
Rechtsgrundlage: § 11 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 StbG" Diesen Bescheid (Spruchpunkt 1) begründete die belangte
Behörde damit, der Beschwerdeführer habe angegeben, als Zeitungszusteller tätig zu sein; zum Beweis für sein geregeltes, monatliches Einkommen habe er eine "Honoraraufstellung der Firma M" vorgelegt. Da kein Grund bestanden habe, an der Echtheit dieses Einkommensnachweises zu zweifeln, sei dem Beschwerdeführer am 19. Juni 2000 ein Zusicherungsbescheid ausgefolgt worden. Am 8. November 2000 habe der Beschwerdeführer den Nachweis des Austritts aus dem ägyptischen Staatsverband erbracht und zum Beleg der Sicherung des Lebensunterhaltes eine "Honoraraufstellung vom Februar 2001 in der Höhe von ATS 9.521,-- an die Firma M" vorgelegt. Nachdem am 21. März 2001 dem Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden war, habe er (bereits) am 29. März 2001 um Sozialhilfe angesucht; dieser Sachverhalt sei der belangten Behörde mitgeteilt worden. In diesem Zusammenhang sei auch bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer bei der Firma M nie gearbeitet habe und die von ihm vorgelegten Einkommensnachweise gefälscht gewesen seien. Wegen dieser Taten sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Oktober 2002 des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB für schuldig befunden und dafür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Monats verurteilt worden; diese Strafe sei unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden.
Im Hinblick auf diesen dargestellten Sachverhalt sei gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 12. März 2001 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens verfügt worden.
Zu dem (danach der Erledigung bedürftigen) Verleihungsansuchen führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 11 StbG aus, es entspreche - ausgehend von dem dargestellten Sachverhalt - weder dem öffentlichen Interesse noch dem allgemeinen Wohl, einen Fremden in den Staatsverband aufzunehmen, der gefälschte Einkommensnachweise zur Glaubhaftmachung seines gesicherten Lebensunterhaltes vorgelegt habe, um sich hiedurch die Staatsbürgerschaft zu erschleichen. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei dem Beschwerdeführer (durch Zustellung am 13. November 2003) zur Kenntnis gebracht worden; eine Stellungnahme in der Sache habe der Beschwerdeführer jedoch nicht erstattet.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde nach Aktenvorlage eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde ging bei ihrer von Amts wegen (§ 69 Abs. 3 AVG) verfügten Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens davon aus, dass der Verleihungsbescheid (vom 12. März 2001) vom Beschwerdeführer durch vorsätzlichen Gebrauch falscher Urkunden (Einkommensnachweise) im Sinne des § 223 Abs. 2 StGB herbeigeführt bzw. erschlichen wurde und daher der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG erfüllt sei.
Dagegen bringt die Beschwerde vor, der Beschwerdeführer erachte sich im Recht auf "Rechtssicherheit im Hinblick auf die verliehene Staatsbürgerschaft" verletzt. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach "§ 69 Abs. 1 AVG" würden nicht vorliegen, weil bei "Wegfall meines Einkommensnachweises" die Staatsbürgerschaft dennoch "auf Grund meiner unverschuldeten (gesundheitlich bedingten) finanziellen Notlage" zu verleihen gewesen wäre. Die "Fälschung der Urkunde" könne den Ausgang des Verleihungsverfahrens nicht beeinflussen.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit der im angefochtenen Bescheid verfügten Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens auf.
Der vorliegend herangezogene Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat absoluten Charakter; es kommt daher nicht darauf an, ob ohne das verpönte Verhalten voraussichtlich ein anders lautender Bescheid ergangen wäre, bzw. ob die Behörde im neuen (wieder aufgenommenen) Verfahren zu einer anders lautenden Entscheidung gelangen wird (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2006, Zl. 2004/01/0470, mwN). Basierte der Bescheid über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf der durch gefälschte Urkunden (Honoraraufstellungen über eine vom Beschwerdeführer tatsächlich nie ausgeübte berufliche Tätigkeit) herbeigeführten objektiv unrichtigen Entscheidungsgrundlage, der Beschwerdeführer sei ab 1998 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, bzw. er erfülle derart die berufliche Integration am Arbeitsmarkt, dann wurde dieser Verleihungsbescheid im Sinne des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG durch eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt (vgl. insoweit auch das hg. Erkenntnis vom 30. August 2005, Zl. 2003/01/0416).
Zu der Abweisung seines Verleihungsansuchens im wiederaufgenommenen Verfahren bringt der Beschwerdeführer vor, das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 2 StbG liege (im Hinblick auf die vom Strafgericht über ihn verhängte Strafe) nicht vor. Die belangte Behörde habe das Ermessen "fehlerhaft ausgeübt"; sie habe den gesetzlich vorgegebenen Rahmen ihrer Ermessensentscheidung missachtet. Seine Strafe dürfe bei der Ermessensentscheidung nur berücksichtigt werden, wenn besondere Gründe, nämlich "öffentliche Interessen, allgemeines Wohl" hinzutreten. Derartige Gründe lägen aber nicht vor. Die "schwierige Situation" und der Sozialhilfebezug des Beschwerdeführers sei nicht einbezogen worden; diese Umstände seien der belangten Behörde aus dem Strafurteil bekannt geworden. Die belangte Behörde habe ihre Begründungspflicht verletzt, sie habe nicht dargelegt, inwiefern das allgemeine Wohl oder öffentliche Interesse beeinträchtigt wären. Im Rahmen ihrer Entscheidung hätte die belangte Behörde die "persönliche Integration in Österreich, meinen bisher ordentlichen Lebenswandel, meine schwierige Situation" dem einmaligen Fehlverhalten gegenüberstellen müssen. Das Vergehen (gemeint: die Straftat) habe der Beschwerdeführer "einzig im Staatsbürgerschaftsverfahren auf Grund seiner Verzweiflung in einer Notlage begangen"; dieses Vergehen stehe einer Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht entgegen.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Gemäß § 11 StbG (in der hier noch anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 124/1998) hat die Behörde sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr im § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war es der belangten Behörde nicht verwehrt, Umstände, die bereits bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzungen gemäß § 10 StbG zu beurteilen waren, im Rahmen der Ausübung des freien Ermessens gemäß § 11 StbG heranzuziehen. Bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers im Rahmen der Ausübung ihres freien Ermessens hatte die belangte Behörde (auch) auf die vom Verleihungswerber begangenen strafbaren Handlungen Bedacht zu nehmen (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 10. April 2008, Zl. 2005/01/0777, und vom 18. April 2002, Zl. 2000/01/0523). Entgegen der Ansicht der Beschwerde hat die belangte Behörde daher den gesetzlichen Ermessensspielraum nicht missachtet.
Die in der Beschwerde vorgetragenen Argumente reichen nicht aus, einen Ermessensfehler der belangten Behörde dazutun. Soweit die Beschwerde das Gewicht der Schuld des Beschwerdeführers an dem von ihm begangenen Urkundendelikt zu relativieren versucht, ist ihr entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer die falschen Einkommensnachweise nach den Feststellungen des Strafgerichts "im Wissen um deren Fälschung" gebrauchte und der belangten Behörde "in der Absicht" vorgelegt hat, "ein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis bei der Firma M vorzutäuschen". Dass ein solches Verhalten eines Staatsbürgerschaftswerbers der Verleihung der Staatsbürgerschaft ohne vorherige Bewährung über einen längeren Zeitraum hinweg aus Gründen des öffentlichen Interesses entgegenstand, liegt auf der Hand und bedurfte daher keiner weiteren Begründung.
Inwieweit die belangte Behörde eine "schwierige Situation" oder "gesundheitliche Notlage", die der Beschwerdeführer im Verleihungsverfahren nicht darlegte, nach der Aktenlage hätte berücksichtigen können (müssen), zeigt die Beschwerde nicht auf. Der insoweit behauptete Verfahrensfehler liegt somit nicht vor. Eine bei der Ermessensübung nach § 11 StbG (auch) in Betracht zu ziehende berufliche Integration des Beschwerdeführers war im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht bekannt; erst mit der Beschwerde wurden Nachweise über Beschäftigungszeiten vorgelegt.
Die belangte Behörde gelangte aus den dargelegten Erwägungen mit Recht zu dem Ergebnis, dass der Verleihung der Staatsbürgerschaft öffentlicher Interessen im Zeitpunkt ihrer Entscheidung entgegenstünden. Ein dabei unterlaufener Ermessensmissbrauch bzw. eine Ermessensüberschreitung und demnach eine vom Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG wahrzunehmende Rechtswidrigkeit ist vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 4. September 2008
Schlagworte
Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005010129.X00Im RIS seit
13.10.2008Zuletzt aktualisiert am
27.02.2009