TE Vfgh Erkenntnis 2003/9/25 G9/03 ua

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Veröffentlicht am 25.09.2003
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art15 Abs1
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art118 Abs6
Stmk RaumOG 1974 §3 Abs1
Stmk RaumOG 1974 §23, §24, §26
Stmk RaumOG 1974 §50a

Leitsatz

Keine ausreichende Bestimmtheit der raumordnungsrechtlichen Bestimmung über die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes durch bescheidmäßige Anordnung der Unterlassung einer weiteren widmungswidrigen Nutzung eines Grundstücks

Spruch

§50a des Gesetzes vom 25. Juni 1974 über die Raumordnung im Lande Steiermark (Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974), LGBl. Nr. 127/1974 idF des Gesetzes vom 22. November 1988, mit dem das Steiermärkische Raumordnungsgesetz 1974 geändert wird (Steiermärkische Raumordnungsgesetznovelle 1988), LGBl. Nr. 15/1989, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Der Landeshauptmann für Steiermark ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B1724/01 und B507/00 Beschwerdeverfahren anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1. Zu B507/00:

1.1. Der Bürgermeister der Gemeinde Wielfresen erteilte mit Bescheid vom 11. Mai 1999, Spruchpunkt I, gemäß §41 Abs3 des Steiermärkischen Baugesetzes den Auftrag, das auf dem Grundstück Nr. 1187 (öffentliches Wassergut) errichtete Holzhaus "Wachau mit Zubau" binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Im Spruchpunkt II dieses Bescheides untersagte er dem nunmehrigen Beschwerdeführer gemäß §50a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 die Nutzung der Grundstücke Nr. 772/1 und 1187, KG Unterfresen, zur Errichtung und zum Betrieb einer Wasserkraftanlage und trug ihm auf, binnen einem Monat nach Rechtskraft des Bescheides auf den Grundstücken Nr. 772/1 und 1187, KG Unterfresen, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der nunmehrige Beschwerdeführer ein gemauertes Gebäude samt zusätzlichen Wasserbecken zum Betrieb einer Wasserkraftanlage auf den Grundstücken 772/1 und 1187, KG Unterfresen, errichtet hätte. Die Anlage bedürfe daher einer wasserrechtlichen Bewilligung [diese wasserrechtliche Bewilligung wurde mit Bescheid der BH Deutschlandsberg vom 14. März 2000 erteilt]. Das Steiermärkische Baugesetz sei gemäß §3 Z6 leg. cit. auf dieses Gebäude nicht anwendbar. Allerdings könne die Gemeinde nach §50a Stmk ROG die Unterlassung einer Nutzung vorschreiben. Die Errichtung und der Betrieb eines Turbinenhauses und einer Stromversorgungsanlage würden nicht der Freilandwidmung entsprechen und seien daher unzulässig.

1.2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Wielfresen vom 23. August 1999 als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Vorstellung wies die Steiermärkische Landesregierung mit Bescheid vom 14. Jänner 2000 hinsichtlich des Beseitigungsauftrages (Spruchpunkt I) und hinsichtlich der widerrechtlichen Nutzung der Grundstücke Nr. 772/1 und 1187, KG Unterfresen, (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zum Beseitigungsauftrag betreffend die Holzhütte wird ausgeführt, dass das Baugesetz anwendbar sei, da diese zumindest als "Bauhütte" verwendet werde und nicht unmittelbar der Wassernutzung diene. Zu Spruchpunkt II wird ausgeführt, dass das Grundstück als Freiland gewidmet sei. Im Freiland seien gemäß §25 Abs1 iVm Abs3 Z1 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 nur land- und forstwirtschaftliche Nutzungen und Gebäude zulässig, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erforderlich seien. Die gemäß §50a leg. cit. vorausgesetzte "dauernde Nutzung entgegen dem Flächenwidmungsplan" sei als erwiesen anzunehmen. Eine Wasserkraftanlage bedürfe im Übrigen gemäß §25 Abs2 leg. cit. vor ihrer Errichtung nicht nur einer wasserrechtlichen Bewilligung sondern auch der entsprechenden Festlegung einer Sondernutzung im Freiland.

1.3. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) behauptet und die Aufhebung des Bescheides beantragt. Es wird vorgebracht, dass dem §50a Stmk ROG 1974 ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt werde, weil die Gemeinde, welche bloß das Baurecht vollziehen könne, nicht befugt sei, über diesen "Umweg" wasserrechtliche Angelegenheiten zu regeln und somit in die Kompetenz des Bundes eingreife.

1.4. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

2. Zu B1724/01:

2.1. Der Bürgermeister der Gemeinde Ottendorf an der Rittschein erteilte den nunmehrigen Beschwerdeführern mit Bescheid vom 24. April 2001 den Auftrag, die Nutzung des Grundstückes Nr. 2778, KG Ottendorf, als Start- und Landefläche für Modellflugzeuge gemäß §50a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 zu unterlassen. Der Gemeinderat der Gemeinde Ottendorf a.d.R. gab der dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid vom 10. August 2001 keine Folge, da eine ständige und wiederholte, der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmung nicht entsprechende Nutzung - die Durchführung von Starts und Landungen mit Modellflugzeugen - vorliege. Die Steiermärkische Landesregierung wies die Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. November 2001 als unbegründet ab. Das Grundstück Nr. 2778, KG Ottendorf, sei im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Ottendorf a.d.R., Revision 3.0, als Freiland gewidmet. Die von den Beschwerdeführern vorgeschlagene Änderung des Flächenwidmungsplans durch Ausweisung dieses Grundstückes als Sondernutzung "Modellflugzeug" sei nicht erfolgt.

2.2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf Freizügigkeit der Person (Art4 Abs1 StGG) sowie die Rechtswidrigkeit genereller Normen (§50a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974, Flächenwidmungsplan 3.0 der Gemeinde Ottendorf) behauptet. Die Liegenschaft der Beschwerdeführer werde seit Jahren teilweise landwirtschaftlich, teilweise zur Ausübung des Modellflugzeugsports genutzt. Die Anpassung der Widmung an die seit 1989 in unregelmäßigen Abständen stattfindende tatsächliche Nutzung durch die Festlegung der Sondernutzung "Modellflugplatz" sei aus politischen Gründen vom Gemeinderat anlässlich der Revision des Flächenwidmungsplanes abgelehnt worden. Im Zuge der Erwägung einer Umwidmung habe man ein lärmtechnisches Gutachten eingeholt, dem zu entnehmen sei, dass die Lärmbelästigung die Planungsrichtwerte für die Widmung "Allgemeines Wohngebiet" nicht |berschreite. Auch den Sicherheitsbedenken sei man erfolgreich entgegengetreten. Aufgrund all dieser Umstände und der tatsächlichen Nutzung sei die Flächenwidmung gesetzwidrig. Darüber hinaus werde "die erlaubte Nutzung" in der Widmungskategorie Freiland in §25 Stmk ROG 1974 nicht definiert. Somit wären auch Spaziergänge oder Grillfeste im Freiland zu untersagen. Die Voraussetzungen der gesetzlichen Eigentumsbeschränkung (Interesse der Allgemeinheit) würden nicht vorliegen. Die Bestimmung des §50a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG.

2.3. Die Steiermärkische Landesregierung und die Gemeinde Ritsch legten Verwaltungsakten vor.

3. §50a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127/1974 idF des Gesetzes vom 22. November 1988, mit dem das Steiermärkische Raumordnungsgesetz 1974 geändert wird (Steiermärkische Raumordnungsgesetznovelle 1988), LGBl. Nr. 15/1989, (in der Folge: Stmk ROG 1974) lautet:

"§50a

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

Wird ein Grundstück ständig oder wiederholt anders als in der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Art genutzt, so hat die Gemeinde durch Bescheid das Unterlassen dieser Nutzung vorzuschreiben."

II. 1. Aus Anlass dieser Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof am 30. November 2002 gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des §50a des Gesetzes vom 25. Juni 1974 über die Raumordnung im Lande Steiermark (Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974), LGBl. Nr. 127/1974 idF des Gesetzes vom 22. November 1988, mit dem das Steiermärkische Raumordnungsgesetz 1974 geändert wird (Steiermärkische Raumordnungsgesetznovelle 1988), LGBl. Nr. 15/1989, von Amts wegen zu prüfen.

In seinem Prüfungsbeschluss ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Beschwerden zulässig sind und dass die belangte Behörde bei Erlassung der angefochtenen Bescheide §50a Stmk ROG 1974 angewendet hat und dass daher auch der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung darüber diese Bestimmung anzuwenden hätte.

2. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des §50a Stmk ROG 1974 sind folgende Bedenken entstanden:

"Einerseits dürfte der Landesgesetzgeber für eine derartige Regelung nicht zuständig sein, andererseits dürfte die Regelung im Hinblick auf Art5 StGG verfassungswidrig sein; schließlich bestehen Bedenken ob der ausreichenden Bestimmtheit der Regelung.

2.1. Gemäß dem Kompetenzfeststellungserkenntnis VfSlg. 2674/1954 ist 'die planmäßige und vorausschauende Gesamtgestaltung eines bestimmten Gebietes in bezug auf seine Verbauung, insbesondere für Wohn- und Industriezwecke einerseits und für die Erhaltung von im wesentlichen unbebauten Flächen andererseits ('Landesplanung' - 'Raumordnung'), [...] nach Art15 Abs1 B-VG in der Fassung von 1929 in Gesetzgebung und Vollziehung insoweit Landessache, als nicht etwa einzelne dieser planenden Maßnahmen, wie im besonderen solche auf den Gebieten des Eisenbahnwesens, des Bergwesens, des Forstwesens und des Wasserrechts, nach Art10 bis 12 B-VG in der Fassung von 1929 der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes ausdrücklich vorbehalten sind.'

§50a Stmk ROG 1974 verpflichtet die Gemeinde dazu, durch Bescheid das Unterlassen einer bestimmten Nutzung eines Grundstücks vorzuschreiben, und zwar dann, wenn es ständig oder wiederholt anders als in der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Art genützt wird. Diese Bestimmung dürfte einerseits kompetenzwidrig sein, weil sie sich - ungeachtet der Regelung des §1 Abs3 leg. cit. - nicht auf Maßnahmen beschränkt, die gemäß Art15 Abs1 B-VG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen.

2.2. Dazu kommt, dass §50a Stmk ROG 1974 es auch zu verbieten scheint, eine - etwa durch rechtskräftige Bau- oder Benützungsbewilligung - rechtmäßige (bauliche) Nutzung nach einer Änderung der für das Grundstück festgelegten Flächenwidmung beizubehalten. Auch diese Nutzung dürfte nach einer entsprechenden Änderung des Flächenwidmungsplans gemäß §50a Stmk ROG 1974 untersagt werden. Der Wortlaut der in Prüfung gezogenen Bestimmung scheint es nämlich nicht auszuschließen, dass die Baubehörde im Fall der Rückwidmung eines bebauten Bauland-Grundstückes in Freiland die Nutzung eines auf diesem Grundstück bestehenden Gebäudes untersagen darf. Ein derartiger Eigentumseingriff scheint aber weder im öffentlichen Interesse geboten noch verhältnismäßig zu sein, weshalb in verfassungswidriger Weise in die Eigentumsfreiheit eingegriffen werden dürfte und §50a somit im Widerspruch zu Art5 StGG zu stehen scheint (vgl. VfSlg. 9911/1983, 12.227/1989, 15.625/1999).

2.3. Eine einschränkende Auslegung der Regelung des §50a Stmk ROG 1974 dahingehend, dass nur solche Nutzungen gemeint sein können, die nach dem Stmk ROG 1974 tatsächlich einer bestimmten Widmungsfestlegung bedürfen, dürfte somit daran scheitern, dass sich die widmungsrechtlichen Regelungen nur auf bauliche Nutzungen beziehen, die im Fall ihrer Widmungswidrigkeit ohnehin nach den Bestimmungen des Stmk BauG hintangehalten werden dürften.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zu §50a Stmk ROG 1974, eingeführt durch die Novelle 1988, ergibt sich, dass mit dieser Bestimmung erreicht werden sollte, dass ständige oder wiederholte nutzungswidrige Maßnahmen, gegen die mangels sonstiger Rechtsgrundlagen nicht vorgegangen werden könne, unterlassen werden. Als Beispiel dafür könne eine Landebahn für Modellflugzeuge angesehen werden, denn diese sei nicht von vornherein bewilligungspflichtig etwa im Sinne der Bauordnung. Auch die Erläuternden Bemerkungen scheinen keinen Aufschluss auf einen zulässigen, konkreten Regelungsinhalt der Norm zu geben. Aus der Entstehungsgeschichte scheint deutlich zu werden, dass der Landesgesetzgeber einen Auffangtatbestand schaffen wollte, ohne hervorzukehren, unter welchen kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten und Kriterien die Regelung erfolgte. Allein, dass gegen Maßnahmen - die nicht ausreichend bestimmt bezeichnet werden - mangels sonstiger Rechtsgrundlagen nicht vorgegangen werden könnte, scheint jedenfalls den kompetenzrechtlichen Hintergrund der Regelung auch nicht zu erhellen. Letzteres hätte aber dazu beitragen können, den Inhalt der gesetzlichen Regelung zu ermitteln, um festzustellen, welche Nutzungen, die 'anders als in der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Art' sind, nicht von §50a Stmk ROG 1974 erfasst sind.

2.4. Gegen die Regelung des §50a Stmk ROG 1974 bestehen schließlich auch Bedenken ob ihrer ausreichenden Bestimmtheit. Wenn sie es einerseits ermöglicht, das Unterlassen einer Nutzung dann vorzuschreiben, wenn ein Grundstück 'anders als in der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Art genutzt' wird, und sich andererseits die Bestimmungen des Stmk ROG 1974 über die Konsequenzen der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes nur auf bauliche Nutzungen beziehen, so scheint das Gesetz dem Verfassungsgerichtshof nicht die Überprüfung zu erlauben, ob die Unterlassung einer bestimmten Nutzung dem Gesetz entsprechend vorgeschrieben wurde. Eine derartige Regelung dürfte Art18 B-VG widersprechen (VfSlg. 8209/1977, 8395/1978, 11.499/1987, 14.466/1996, 14.631/1996, 14.936/1997, 15.493/1999, VfGH vom 14. März 2001, G105/00)."

3. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt das Gesetzesprüfungsverfahren einzustellen. Sie führt weiter aus:

"Im Einleitungsbeschluss hegt der Verfassungsgerichtshof insofern verfassungsrechtliche Bedenken gegen §50a Stmk. ROG 1974, als einerseits der Landesgesetzgeber für eine derartige Regelung nicht zuständig sein dürfte, andererseits die Regelung im Hinblick auf Art5 StGG verfassungswidrig sei. Schließlich bestehen Bedenken ob der ausreichenden Bestimmtheit der Regelung.

Demgegenüber ist die Steiermärkische Landesregierung der Auffassung, dass der Landesgesetzgeber sehr wohl zu einer derartigen Regelung zuständig ist, dass diese Regelung auch verfassungskonform interpretiert werden kann und die Bestimmung auch ausreichend konkretisiert ist. Dies wird wie folgt begründet:

[...] Unter Hinweis auf das Kompetenzfeststellungserkenntnis, VfSlg. 2674, vertritt der Verfassungsgerichtshof vorläufig die Auffassung, dass die Bestimmung des §50a ROG kompetenzwidrig sei, da sie sich - ungeachtet der Regelung des §1 Abs3 ROG - nicht auf Maßnahmen beschränke, die gemäß Art15 Abs1 B-VG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen.

§1 Abs3 ROG besagt, dass den Bestimmungen des Gesetzes, die den 'Zuständigkeitsbereich des Bundes, insbesondere in Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie, des Verkehrswesens bezüglich Eisenbahnen sowie der Bundesstraßen, des Bergwesens, des Forstwesens und des Denkmalschutzes' berühren, 'keine über die Zuständigkeit des Landes hinausgehende rechtliche Wirkung' zukommt. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Bestimmung in VfSlg. 12068 selbst als 'eine die Bundeskompetenz sichernde Auslegungsregel' bezeichnet. Darüber hinaus hat er in VfSlg. 13234 festgehalten, dass 'deutlich wird, dass der Steiermärkische Landesgesetzgeber keine Anordnungen treffen wollte, die über die Kompetenz des Landes hinausgehen (vgl. insbesondere die in §1 Abs3 Stmk. ROG 1974 festgelegte salvatorische Klausel)'. Dies bedeutet, dass der Verfassungsgerichtshof bei der Interpretation des §1 Abs3 immer davon ausgegangen ist, dass auf Grund dieser Bestimmung eine einschränkende, verfassungskonforme Interpretation des Zuständigkeitsbereiches des Landes gewählt werden muss. Dies ist aus dem vom Verfassungsgerichtshof selbst oft ausgesprochenen Erfordernis, eine Gesetzesbestimmung einer - soweit möglich - verfassungskonformen Auslegung zuzuführen, geboten (vgl. VfSlg. 12469, 13336, 13805, VfGH 11.3.1998, G 262-97, 328-97).

Dass §50a ROG verfassungskonform interpretiert werden kann, hat auch der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen dargelegt. 'Wenn nun der verfahrensgegenständliche Schotterabbau auf Grund der vorgefundenen Mineralien dem Berggesetz unterliegen sollte, so folgt daraus aus kompetenzrechtlicher Betrachtung, dass wegen der dann gegebenen Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung in Angelegenheiten des Bergwesens kein Raum für die Anwendung des §50a ROG bleibt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 2685....). Dieser verfassungsrechtlichen Regelung trägt auch §1 Abs3 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes Rechnung.' (VwGH 11.8.1994, 94/06/0099). Dies wurde vom Verwaltungsgerichtshof dann auch im Erkenntnis vom 7.11.1996, 95/06/0060, bestätigt, in dem er ausführte, dass für die Anwendung des §50a ROG kein Raum bleibe, wenn man davon ausgeht, dass die strittige Nutzung dieses Grundstückes im Abbau eines mineralischen Rohstoffes besteht, der dem Berggesetz unterliege.

Auch in der Literatur wird der Anwendungsbereich des §50a ROG eingeschränkt auf die Zuständigkeit des Landes gesehen. So halten Eisenberger/Eisenberger, Die Bewilligung von Wasseranlagen anhand der Steiermärkischen Rechtslage, bbl 2001, 54, fest, dass 'die eigentliche Wasseranlage ... nicht dem Regime des ROG (unterliegt), es ist keine besondere Ausweisung im Flächenwidmungsplan erforderlich. Der Gemeinde ist es demgemäß untersagt, in diesen Fällen einen Bescheid gemäß §50a ROG zu erlassen.'

Sowohl aus der Judikatur als auch der Literatur ist somit verfassungskonform ableitbar, dass dem §50a ROG ausschließlich jener Anwendungsbereich zukommt, der im Rahmen der landesgesetzlichen Befugnisse zulässig ist und bundesrechtliche Regelungen nicht berühren kann.

[...] Nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofes wäre es auch denkbar, nach Änderung eines Flächenwidmungsplanes eine rechtmäßige durch Bescheid festgelegte Nutzung gemäß §50a Stmk. ROG zu untersagen, da der Wortlaut eine derartige Maßnahme nicht ausschließe. Eine diesbezügliche Interpretation ist jedoch nicht geboten. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11.2.1993, 92/06/0232, ausgeführt hat, sei §50a ROG daher 'nach seiner erkennbaren Zweckbestimmung - im Einklang mit den Gesetzesmaterialien - einschränkend auszulegen und daher in jenen Fällen nicht anzuwenden, in denen es sich um eine zum Beispiel nach den baurechtlichen Bestimmungen bewilligungspflichtige (wenn auch nicht bewilligte) Flächennutzung handelt; diese ist nämlich - unabhängig von dem nach §50a ROG maßgebenden Widerspruch zum Flächenwidmungsplan - schon nach baurechtlichen Bestimmungen unzulässig, wenn sie ohne Bewilligung erfolgt. Liegt hingegen eine (wenn auch der Flächenwidmung widersprechende) rechtskräftige Bewilligung vor so ist §50a ROG nicht anzuwenden; eine solche Bewilligung müsste vielmehr gegebenenfalls zuerst gemäß §32 Abs3 in Verbindung mit §68 Abs4 Z. 4 AVG für nichtig erklärt werden.' Zu dieser einschränkenden Interpretation gelangte der VwGH zunächst durch Berücksichtigung der Materialien, in welchen ausgeführt wurde, dass die Bestimmung auf ständig oder wiederholt nutzungswidrige Maßnahmen abziele, gegen die mangels sonstiger Rechtsgrundlagen nicht vorgegangen werden könne. Die Einschränkung schien dem VwGH aber auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, weil es bei einer anderen Auslegung, etwa bei nachträglicher Änderung des Flächenwidmungsplanes, zu einer Durchbrechung rechtskräftiger Bescheide - z.B. Baubewilligungsbescheide - kommen könnte (vgl. auch Perthold-Stoitzner, ecolex, 1994, 62).

[...] Dem Vorwurf der angeblichen mangelhaften Bestimmtheit ist entgegenzuhalten, dass bereits die zitierten Erläuternden Bemerkungen zur Novelle 1988 wörtlich ausführen, dass mit dieser Bestimmung ständig oder wiederholt nutzungswidrige Maßnahmen zur Unterlassung vorgeschrieben werden sollen und als Beispiel 'eine Landebahn für Modellflugzeuge angesehen werden könnte, denn diese ist nicht von vornherein bewilligungspflichtig etwa im Sinne der Bauordnung (1968)'. Wie die Erläuternden Bemerkungen weiter ausführen, soll der Gemeinde die Möglichkeit gegeben werden, mittels Bescheid den Grundeigentümer oder Verfügungsberechtigten zu verpflichten, entweder die gesetzte Maßnahme zu beseitigen oder die Tätigkeit zu unterlassen. Schon aus den Erläuternden Bemerkungen geht hervor, dass §50a ROG sich auf Bauwerke jedenfalls nicht beziehen soll, sondern die Anwendbarkeit auf Tätigkeiten und Maßnahmen beschränkt, die - unter Einschränkung auf nicht dem Bund unterliegende Kompetenzen - unterlassen werden sollen, um dem Zweck der Raumordnung, nämlich z.B. den Raumordnungsgrundsätzen, nicht zu widersprechen. Dem §3 Abs1 der Raumordnungsgrundsätze wohnt bei der Formulierung, dass die Ordnung von Teilräumen sich in die Ordnung des Gesamtraumes einzufügen hat, der allgemeine Grundsatz inne, dass alle Maßnahmen auf örtlicher Ebene dem Grundsatz der möglichsten Vermeidung der gegenseitigen Beeinträchtigung unterliegen.

Darauf aufbauend ist auch ein Abstimmungsgebot in der Raumplanung normiert. Auch die anderen Raumordnungsgrundsätze dienen dem Ziel, einerseits Freiland von Bauland (Abs9) bzw. Baugebiete in Form von Gewerbegebiet oder Wohngebiet voneinander abzugrenzen. Nach §3 Abs12 leg.cit. ist eine Zersiedelung der Landschaft zu vermeiden, wobei durchaus Maßnahmen, die der Baugesetzgebung nicht unterliegen, einen Landschaftscharakter zersiedeln würden. Die Notwendigkeit der Einhaltung dieser Raumordnungsgrundsätze wurde auch in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes durchgehend bestätigt. Die Bedenken im Beschwerdevorbringen, z.B. die landwirtschaftliche Nutzung des §25 ROG sei mangelhaft umschrieben, kann nicht nachvollzogen werden, da der Verwaltungsgerichtshof die land- und forstwirtschaftliche Nutzung sehr wohl in seiner umfangreichen Judikatur - abgrenzend[e] von der Sondernutzung des §25 Abs2 - als gesetzeskonform und durchaus bestimmt angesehen hat. Gerade auch das Beispiel in den Erläuternden Bemerkungen erhellt, dass die Lärmerregung eines Modellflugplatzes mit den in der Land- und Forstwirtschaft üblichen Belästigungen nichts zu tun hat. Solche Belästigungen gehen nämlich üblicherweise weit über land- und forstwirtschaftliche Belästigungen insoferne hinaus, als durch die Höhenlage der Flugzeuge in benachbarten Baugebieten (siehe oben §3 Abs1 ROG) Belästigungen auftreten, die ansonsten durch andere landesgesetzliche Bestimmungen nicht abgestellt werden könnten.

Bezüglich der möglichen und notwendigen Anwendbarkeit des §50a ROG. wird auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.Oktober 1995, 95/06/0120, hingewiesen. Daraus ergibt sich, dass die Anwendung des §50a in Bezug auf das Steiermärkische Geländefahrzeuggesetz durchaus gesetzeskonform möglich ist, zumal durch §50a ROG eine Handhabe geschaffen werden soll, um nutzungswidrige Maßnahmen untersagen zu können, gegen die mangels sonstiger Rechtsgrundlagen nicht vorgegangen werden kann. 'Auch auf dem Boden der in dem genannten Erkenntnis angenommenen Subsidiarität des Institutes des §50a ROG muss in Fällen wie dem vorliegenden, in dem keine Möglichkeit der Erteilung eines verwaltungspolizeilichen Auftrages nach der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Norm besteht, von der Anwendbarkeit des §50a ROG ausgegangen werden.'

Auch unter Zugrundelegung dieses Erkenntnisses besteht ein Bedarf einer Regelung, um den Freilandcharakter und der landwirtschaftlichen Nutzung als Vorrang gemäß §3 Abs9 leg. cit. zum Durchbruch zu verhelfen. Auch in Bezug auf die Erhaltung z.B. des Wohncharakters von Wohnbauland im Sinne des §3 Abs7 ROG sind Fälle bekannt, wonach die ständige oder wiederholte Nutzung von Baulandflächen, z.B. für das Abstellung und Reparieren von Kraftfahrzeugen auf Grünflächen im Bauland oder die Aufzucht von landwirtschaftlichen Tieren in Wohngebieten Tatbestände darstellen, denen ohne bauliche Maßnahmen in keiner Weise im örtlichen Wirkungsbereich der Gemeinde entgegengetreten werden kann. Solche Maßnahmen sind jedoch durchaus geeignet, den Wohngebietscharakter zur Tages- und Nachtzeit wesentlich ständig oder wiederholt zu beeinträchtigen.

Die mangelnde Bestimmtheit kann daher sowohl unter dem Gesichtspunkt des möglichen Anwendungsbereiches nicht erkannt werden als auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Nutzung 'anders als der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Art', da durch die gesetzlichen Bestimmungen der ausweisbaren Flächenkategorien und die zu den einzelnen Kategorien ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die jeweilige Nutzung eindeutig festgelegt ist und umschrieben werden kann.

Die dargestellte Judikatur und die genannten Beispiele zeigen ebenso, dass §50a ROG in der Praxis wesentliche Bedeutung hat; und zwar auch in dem dem Land ausschließlich zustehenden Regelungsbereich. Die Aufrechterhaltung der Bestimmung ist aus den vorgenannten Beispielen unumgänglich notwendig und auf Grund der möglichen verfassungskonformen Interpretation zulässig."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorläufigen Annahmen, dass die Beschwerdeverfahren, die Anlass zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben haben, zulässig sind und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde §50a Stmk ROG 1974 anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen.

2. Auch die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken ob der mangelnden Bestimmtheit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen treffen zu:

Es kann dahin gestellt bleiben, ob §50a iVm §1 Abs3 Stmk ROG 1974 keine Anordnungen treffen wollte, die über die Kompetenz des Landes hinausgehen, und ob er im Falle einer der nunmehrigen Flächenwidmung widersprechenden rechtskräftigen Bau- oder Benützungsbewilligung anzuwenden ist. Denn die Bestimmung widerspricht aus folgenden Gründen Art18 B-VG:

Der Landesgesetzgeber ist gemäß Art15 Abs1 B-VG grundsätzlich zuständig, die Untersagung der Nutzung eines Grundstücks, soweit die Angelegenheit nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes übertragen ist, zu regeln. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Landesgesetzgeber bei Erlassung des §50a Stmk ROG 1974 auf die Kompetenz "Raumordnung" (vgl. VfSlg. 2674/1954) stützen könnte, wenn die Regelung in keinem Zusammenhang mit einer baulichen Nutzung steht. Denn die sonstigen Bestimmungen des Stmk ROG 1974 beziehen die Konsequenzen der Festlegungen des Flächenwidmungsplans - wie sich aus dem Folgenden ergibt - jedenfalls nur auf bauliche Nutzungen:

Wenn in §50a Stmk ROG 1974 festgelegt ist, "anders als in der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Art genutzt", so ist die Bestimmung auch unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einer Auslegung nicht zugänglich. Auch aus §25 Stmk ROG 1974 ergibt sich kein Anhaltspunkt, was unter dieser zitierten Wortfolge zu verstehen ist:

§25 Abs1 Stmk ROG 1974, idF LGBl. Nr. 1/1995, definiert Freiland als alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen festgelegten Grundflächen. Gemäß Abs2 dieser Bestimmung können Flächen als Sondernutzung festgelegt werden. Als Sondernutzungen gelten insbesondere ua. Flächen für Erwerbsgärtnereien, Kur-, Erholungs-, Spiel- und Sportzwecke, öffentliche Parkanlagen und Auffüllungsgebiete.

Die Festlegung der zulässigen Nutzungen im Freiland beschränkt sich in §25 Abs3 bis 6 Stmk ROG 1974 auf die Regelung der Errichtung von

* Neu- und Zubauten (§25 Abs3 Z1, Abs4 Z1 und 2,

Abs5 Z1 und 2)

* Umbauten (§25 Abs3 Z2)

* Objekte in Kleingartenanlagen (§25 Abs3 Z4) * Wartehäuschen, Telefonzellen und dgl. (§25 Abs3 Z5)

* kleineren ebenerdigen, unbewohnbaren Bauten (§25 Abs4 Z3)

* sowie auf die Regelung der Änderung des Verwendungszwecks (§25 Abs3 Z3).

Daraus ergibt sich, dass sich die Festlegungen des Flächenwidmungsplanes nur auf bauliche Nutzungen eines Grundstückes beziehen und nicht jede andere Art der Nutzung regeln. Obwohl §25 Stmk ROG 1974 im Freiland im Allgemeinen die land- und forstwirtschaftliche Nutzung im Auge hat und für diesen Zweck nicht erforderliche Bauten weitgehend einschränkt, kann der Freilandwidmung nicht entnommen werden, dass jede andere Nutzung, z.B. einer Wiese zu Spielzwecken oder das Betreten einer Wiese mit der Widmungsart Freiland in Konflikt gerät. Umgekehrt verbietet es auch die Festlegung einer Sondernutzungsart z.B. für Spielzwecke nicht, dass die Fläche weiterhin landwirtschaftlich genutzt wird. Da das Stmk ROG 1974 keine Regelung für andere als bauliche Nutzungen in einem Gebiet mit bestimmter Widmungsart enthält, und angesichts der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks, bleibt weitgehend unklar, welche Nutzungen von der Gemeinde untersagt werden dürfen.

Die Bestimmung des §50a Stmk ROG 1974 ist auch im Zusammenhang mit den Bestimmungen über Bauland (§23 Stmk ROG 1974), Verkehrsflächen (§24 Stmk ROG 1974) und Vorbehaltsflächen (§26 Stmk ROG 1974) einer Auslegung nicht zugänglich. Es treffen auch in diesen Widmungskategorien die Widmungsbestimmungen des Raumordnungsgesetzes keine Regelungen über in der Widmungskategorie zulässige, nicht im Zusammenhang mit der Bebauung stehende Nutzungen.

Dem Vorwurf der mangelnden Bestimmtheit hält die Steiermärkische Landesregierung die Erläuternden Bemerkungen zur Novelle 1988 entgegen, wonach mit dieser Bestimmung ständig oder wiederholt nutzungswidrige Maßnahmen zur Unterlassung vorgeschrieben werden sollen [gegen die mangels sonstiger Rechtsgrundlagen nicht vorgegangen werden könne] und führt als Beispiel "eine Landebahn für Modellflugzeuge" an, da diese nicht baubewilligungspflichtig sei. Aus den Erläuterungen gehe hervor, dass sich §50a Stmk ROG 1974 nicht auf Bauwerke beziehen solle, sondern auf die Unterlassung von - nicht der Bundeskompetenz unterliegenden - Tätigkeiten und Maßnahmen abziele, die im Widerspruch zum "Zweck der Raumordnung" (etwa Raumordnungsgrundsätzen, wie dem Grundsatz der möglichsten Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigung, vgl. §3 Abs1 Stmk ROG 1974) stehen. Nach §3 Abs12 leg. cit. sei eine Zersiedelung der Landschaft zu vermeiden, wobei durchaus Maßnahmen, die der Baugesetzgebung nicht unterliegen, einen Landschaftscharakter zersiedeln würden. Die Belästigung durch ein Modellflugzeug gehe üblicherweise weit über land- und forstwirtschaftliche Belästigungen hinaus.

§50a Stmk ROG 1974 verpflichtet die Gemeinde dazu, durch Bescheid das Unterlassen einer bestimmten Nutzung eines Grundstücks vorzuschreiben, und zwar dann, wenn es ständig oder wiederholt anders als in der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Art genützt wird. Der Untersagungstatbestand knüpft daher an widmungsrechtliche Bestimmungen an. Der Inhalt der Regelung des §50a wäre aber auch unter Heranziehung der Raumordnungsgrundsätze - wenn die Nutzung nicht baulicher Natur wäre - nicht bestimmbar. Der Grundsatz etwa der Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigungen (§3 Abs1 Stmk ROG 1974) gilt insbesondere für die Festlegung und Anordnung von Widmungen, die Regelungen über bauliche Nutzungen in einer bestimmten Nutzungskategorie treffen. Auch der von der Steiermärkischen Landesregierung ins Treffen geführte Raumordnungsgrundsatz der Vermeidung der Zersiedelung betrifft gerade die Vermeidung einer konzeptlosen Bebauung außerhalb von räumlich abgegrenzten Siedlungszonen.

Der Verfassungsgerichtshof übersieht dabei nicht die Schwierigkeit etwa einer taxativen Aufzählung aller Nutzungen, die der Gesetzgeber untersagen möchte. Selbst bei - im Hinblick auf den normierten Zusammenhang mit der baulichen Nutzung - restriktiver Auslegung der widmungsrechtlichen Bestimmungen führte es jedoch zum Ergebnis eines unangemessen exzessiven Untersagungstatbestandes, unter welchen fast jedes - sonst nicht bewilligungspflichtige, der Flächenwidmung widersprechende - Verhalten subsumiert werden könnte.

Wenn die Landesregierung meint, dass es Nutzungen gäbe, z.B. das Abstellen und Reparieren von Kraftfahrzeugen auf Grünflächen im Bauland oder die Aufzucht von landwirtschaftlichen Tieren in Wohngebieten, denen man anderenfalls "im örtlichen Wirkungsbereich der Gemeinde" nicht entgegen treten könne, so übersieht sie dabei die Möglichkeit der Erlassung einer ortspolizeilichen Verordnung gemäß Art118 Abs6 B-VG zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände (vgl. zu Modellflugzeugen VfSlg. 8283/1978).

Die Bestimmung des §50a war daher mangels ausreichender Bestimmtheit als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Kompetenz Bund - Länder, Sicherheitspolizei örtliche, Verordnung ortspolizeiliche, Determinierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G9.2003

Dokumentnummer

JFT_09969075_03G00009_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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