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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Das Land Steiermark ist schuldig, den Beschwerdeführern zu B1724/01 die mit 2.340,07 € und dem Beschwerdeführer zu B507/00 die mit 2.143,68 € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu Handen ihrer Rechtsvertreter bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Zu B507/00:
1.1. Der Bürgermeister der Gemeinde Wielfresen erteilte mit Bescheid vom 11. Mai 1999, Spruchpunkt I, gemäß §41 Abs3 des Steiermärkischen Baugesetzes den Auftrag, das auf dem Grundstück Nr. 1187 (öffentliches Wassergut) errichtete Holzhaus "Wachau mit Zubau" binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Im Spruchpunkt II dieses Bescheides untersagte er dem nunmehrigen Beschwerdeführer gemäß §50a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 die Nutzung der Grundstücke Nr. 772/1 und 1187, KG Unterfresen, zur Errichtung und zum Betrieb einer Wasserkraftanlage und trug ihm auf, binnen einem Monat nach Rechtskraft des Bescheides auf den Grundstücken Nr. 772/1 und 1187, KG Unterfresen, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen.
1.2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Wielfresen vom 23. August 1999 als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Vorstellung wies die Steiermärkische Landesregierung mit Bescheid vom 14. Jänner 2000 hinsichtlich des Beseitigungsauftrages (Spruchpunkt I) und hinsichtlich der widerrechtlichen Nutzung der Grundstücke Nr. 772/1 und 1187, KG Unterfresen, (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zum Beseitigungsauftrag betreffend die Holzhütte wird ausgeführt, dass das Baugesetz anwendbar sei, da diese zumindest als "Bauhütte" verwendet werde und nicht unmittelbar der Wassernutzung diene. Zu Spruchpunkt II wird ausgeführt, dass das Grundstück als Freiland gewidmet sei. Im Freiland seien gemäß §25 Abs1 iVm Abs3 Z1 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 nur land- und forstwirtschaftliche Nutzungen und Gebäude zulässig, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erforderlich seien. Die gemäß §50a leg. cit. erforderliche "dauernde Nutzung entgegen dem Flächenwidmungsplan" sei als erwiesen anzunehmen. Eine Wasserkraftanlage bedürfe im Übrigen gemäß §25 Abs2 leg. cit. vor ihrer Errichtung nicht nur einer wasserrechtlichen Bewilligung sondern auch der entsprechenden Festlegung einer Sondernutzung im Freiland.
1.3. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) behauptet und die Aufhebung des Bescheides beantragt. Es wird vorgebracht, dass dem §50a Stmk ROG 1974 ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt werde, weil die Gemeinde, welche bloß das Baurecht vollziehen könne, nicht befugt sei, über diesen "Umweg" wasserrechtliche Angelegenheiten zu regeln und somit in die Kompetenz des Bundes eingreife.
1.4. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
2. Zu B1724/01:
2.1. Der Bürgermeister der Gemeinde Ottendorf an der Rittschein erteilte den nunmehrigen Beschwerdeführern mit Bescheid vom 24. April 2001 den Auftrag, die Nutzung des Grundstückes Nr. 2778, KG Ottendorf, als Start- und Landefläche für Modellflugzeuge gemäß §50a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 zu unterlassen. Der Gemeinderat der Gemeinde Ottendorf a.d.R. gab der dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid vom 10. August 2001 keine Folge, da eine ständige und wiederholte, der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmung nicht entsprechende Nutzung - die Durchführung von Starts und Landungen mit Modellflugzeugen - vorliege. Die Steiermärkische Landesregierung wies die Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. November 2001 als unbegründet ab. Das Grundstück Nr. 2778, KG Ottendorf, sei im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Ottendorf a.d.R., Revision 3.0, als Freiland gewidmet. Die von den Beschwerdeführern vorgeschlagene Änderung des Flächenwidmungsplans durch Ausweisung dieses Grundstückes als Sondernutzung Modellflugplatz sei nicht erfolgt.
2.2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf Freizügigkeit der Person (Art4 Abs1 StGG) sowie die Rechtswidrigkeit genereller Normen (§50a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974, Flächenwidmungsplan 3.0 der Gemeinde Ottendorf) behauptet. Die Liegenschaft der Beschwerdeführer werde seit Jahren teilweise landwirtschaftlich, teilweise zur Ausübung des Modellflugzeugsports genutzt. "Die erlaubte Nutzung" werde in der Widmungskategorie Freiland in §25 Stmk ROG 1974 nicht definiert. Somit wären auch Spaziergänge oder Grillfeste im Freiland zu untersagen. Die Voraussetzungen der gesetzlichen Eigentumsbeschränkung (Interesse der Allgemeinheit) würden nicht vorliegen. Die Bestimmung des §50a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG.
2.3. Die Steiermärkische Landesregierung und die Gemeinde Ritsch a.d.R. legten Verwaltungsakten vor.
3. §50a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127/1974 idF des Gesetzes vom 22. November 1988, mit dem das Steiermärkische Raumordnungsgesetz 1974 geändert wird (Steiermärkische Raumordnungsgesetznovelle 1988), LGBl. Nr. 15/1989, (in der Folge: Stmk ROG 1974) lautet:
"§50a
Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes
Wird ein Grundstück ständig oder wiederholt anders als in der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Art genutzt, so hat die Gemeinde durch Bescheid das Unterlassen dieser Nutzung vorzuschreiben."
II. 1. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen mit Beschluss vom 30. November 2002 gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §50a des Gesetzes vom 25. Juni 1974 über die Raumordnung im Lande Steiermark (Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974), LGBl. Nr. 127/1974 idF des Gesetzes vom 22. November 1988, mit dem das Steiermärkische Raumordnungsgesetz 1974 geändert wird (Steiermärkische Raumordnungsgesetznovelle 1988), LGBl. Nr. 15/1989, eingeleitet.
In der nichtöffentlichen Sitzung am 25. September 2003, protokolliert zu G9,10/03, hat der Verfassungsgerichtshof §50a Stmk ROG 1974 als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Die belangte Behörde hat daher eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985).
Die Bescheide waren daher aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten zu B1724/01 ist ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von 163,51 €, Umsatzsteuer in Höhe von 359,73 € und eine Eingabegebühr von 181,68 €, zu B507/00 ist Umsatzsteuer in Höhe von 327 € und ebenso eine Eingabegebühr in Höhe von 181,68 €, enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B1724.2001Dokumentnummer
JFT_09969075_01B01724_00