Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des E K in H, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 3. Juni 2005, Zl. 111301/34-II/5/04, betreffend Bemessung der Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. Der Beschwerdeführer steht als Amtsdirektor i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war das Bundesministerium für Inneres.
Soweit sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten, dem angefochtenen Bescheid und der vorliegenden Beschwerde ergibt, wurde das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beschwerdeführers mit Wirkung vom 1. Juli 1966 begründet. Vom 1. Oktober 1973 bis zum 31. März 2002 war dem Beschwerdeführer Karenzurlaub gewährt worden, währenddessen mit ihm zugleich ein sondervertragliches Dienstverhältnis zum Bund begründet wurde. Gleichzeitig wurde u.a. verfügt, dass die Zeit dieses Urlaubs für die Bemessung des Ruhegenusses angerechnet wird. Auf Grund seiner Überleitungserklärung vom 12. März 2002 wurde der Beschwerdeführer mit Ablauf des 31. März 2002 in die Besoldungsgruppe Allgemeiner Verwaltungsdienst übergeleitet und gleichzeitig das mit ihm begründete sondervertragliche Dienstverhältnis beendet. Auf Antrag des Beschwerdeführers wurde dieser schließlich mit Ablauf des 30. November 2003 in den Ruhestand versetzt.
Mit Bescheid des Bundespensionsamtes vom 29. März 2004 wurde die Nebengebührenzulage des Beschwerdeführers mit EUR 13,50 bemessen. Für den Zeitraum vom 1. Jänner 2000 bis 30. November 2003 wurden Nebengebührenwerte im Ausmaß von 360,474 zu Grunde gelegt. Eine nähere Begründung, wie dieser Wert ermittelt wurde, enthält dieser Bescheid nicht. Für den Zeitraum bis 31. Dezember 1999 wurde vom Vorliegen keiner Nebengebührenwerte ausgegangen. Mit Eingabe vom 16. April 2004 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung, da die von ihm im Zeitraum von 1973 bis 2000 erworbenen Nebengebührenwerte nicht berücksichtigt wurden. Gleichzeitig mit dieser Berufung stellte er ein Ansuchen an das Bundesministerium für Inneres auf bescheidmäßige Gutschrift seiner erworbenen Nebengebührenwerte.
Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 2004 wurden dem Beschwerdeführer gestützt auf § 10 Abs. 6 Nebengebührenzulagengesetz, BGBl. Nr. 485/1971 (NGZG), die als Vertragsbediensteter festgehaltenen Nebengebührenwerte für den Zeitraum vor dem 1. Jänner 2000 in der Höhe von 10.530,255 und für den Zeitraum ab 1. Jänner 2000 bis 31. März 2003 in der Höhe von 1.020,054 "gutgeschrieben".
Mit Schreiben vom 2. September 2004 ersuchte das Bundespensionsamt das Bundesministerium für Inneres diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben. Begründet wurde dies damit, dass § 10 NGZG auf frühere Dienstverhältnisse vor Beginn des aktuellen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund abstelle. Das Bundesministerium für Inneres teilte auf dieses Ersuchen mit Schreiben vom 5. November 2004 mit, dass eine Aufhebung seines Bescheides nicht in Erwägung gezogen werde, weil die Voraussetzungen nach § 13 DVG nicht vorlägen (was näher ausgeführt wird).
Mit dem in weiterer Folge ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers betreffend die Bemessung der Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss nicht stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Rechtsvorschriften wird dies im Wesentlichen damit begründet, dass nach dem auf den Beschwerdeführer anzuwendenden § 65 Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340 idF des Deregulierungsgesetzes - Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119/2002, eine Gutschrift von Nebengebührenwerten nur für frühere privatrechtliche Dienstverhältnisse zum Bund vorgesehen sei, die dem bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis vorausgegangen sind. Im Falle des Beschwerdeführers habe sein privatrechtliches Dienstverhältnis jedoch neben dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis bestanden. Die Voraussetzungen für eine Gutschrift nach § 65 PG lägen somit nicht vor. Zudem habe das Bundesministerium für Inneres seinen Bescheid nicht auf § 65 PG, sondern auf § 10 NGZG gestützt, weshalb dieser Bescheid vom 10. Mai 2004 "auch aus dieser Erwägung nicht zu beachten" sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer eine Verletzung in seinem Recht auf Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss nach den Bestimmungen des Abschnittes IX des PG 1965 iVm mit seiner rechtskräftigen bescheidmäßigen Feststellung über Nebengebührenwerte behauptet und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
II.1. Zur Rechtslage:
Das Nebengebührenzulagengesetz, BGBl. Nr. 485/1971 (NGZG), regelte die Ansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen auf Nebengebührenzulage. Das NGZG wurde durch das Deregulierungsgesetz - Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119, mit Wirkung vom 1. Jänner 2003 aufgehoben. Die Bestimmungen dieses Gesetzes wurden (mit geringfügigen Änderungen) in das Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340 (PG), übernommen (§§ 58 ff PG). Durch Art. 21 Abs. 3 des Deregulierungsgesetzes - Öffentlicher Dienst wurde zugleich sichergestellt, dass durch das Außerkrafttreten des NGZG nicht in die aus ihm resultierenden Ansprüche und in wirksam gewordene gesetzliche Überleitungen und Änderungen der besoldungsrechtlichen Stellung eingegriffen wird.
Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen des PG in der im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 119/2002) lauten:
"Abschnitt IX
Nebengebührenzulage
Anspruch auf Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss
§ 58. Dem Beamten, der anspruchsbegründende Nebengebühren bezogen hat, gebührt eine monatliche Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss.
...
Bemessungsgrundlage und Ausmaß der Nebengebührenzulage
zum Ruhegenuss
§ 61. (1) Die Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss ist auf der Grundlage der für die Zeit vom 1. Jänner 1972 bis zum Ausscheiden aus dem Dienststand im Beamtendienstverhältnis festgehaltenen Summe der Nebengebührenwerte zu bemessen. Diese Summe erhöht sich
1. um Nebengebührenwerte aus früheren Dienstverhältnissen nach § 65 Abs. 5, nach § 66 Abs. 3 und nach § 11 Abs. 4 des Nebengebührenzulagengesetzes in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung und
2. um Gutschriften von Nebengebührenwerten
a)
nach den §§ 67 und 68 und
b)
nach § 12 des Nebengebührenzulagengesetzes in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung.
...
Berücksichtigung von Nebengebühren aus einem früheren
Dienstverhältnis
zum Bund; Festhalten der Nebengebühren
§ 65. (1) Neben den im bestehenden Dienstverhältnis bezogenen anspruchsbegründenden Nebengebühren sind bei der Feststellung des Anspruches auf eine Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss folgende Nebengebühren - soweit sie auf einen Zeitraum nach dem 31. Dezember 1971 entfallen - zu berücksichtigen:
1. anspruchsbegründende Nebengebühren, die der Beamte in einem früheren öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund bezogen hat, und
2. den anspruchsbegründenden Nebengebühren entsprechende Nebengebühren, die der Beamte in einem früheren privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund - ausgenommen in einem Dienstverhältnis bei den Österreichischen Bundesbahnen - bezogen hat.
(2) Nebengebühren aus einem früheren Dienstverhältnis zum Bund sind nach Abs. 1 nur dann zu berücksichtigen, wenn der Beamte sie für Zeiten bezogen hat, die im bestehenden Dienstverhältnis ruhegenussfähig sind.
(3) Zum Zwecke der allfälligen Berücksichtigung nach Abs. 1 sind die in Betracht kommenden Nebengebühren der in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehenden Bediensteten und der zeitverpflichteten Soldaten in gleicher Weise festzuhalten wie die Nebengebühren der Beamten. Die jeweils bis zum Ende eines Kalenderjahres festgehaltene Summe der Nebengebührenwerte ist dem Bediensteten schriftlich mitzuteilen.
(4) Beim Ausscheiden aus dem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund sind dem Bediensteten die festgehaltenen Nebengebührenwerte mitzuteilen.
(5) Anlässlich der Aufnahme des Beamten sind die in früheren Dienstverhältnissen zum Bund festgehaltenen Nebengebührenwerte, soweit sie auf Nebengebühren entfallen, die nach den Bestimmungen der Abs. 1 und 2 zu berücksichtigen sind, mit Bescheid festzustellen."
II.2. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof richtet sich ausschließlich gegen die Nichtberücksichtigung der während der Zeiten des sondervertraglichen Dienstverhältnisses erworbenen und mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 2004 gutgeschriebenen Nebengebührenwerte für die Zeit von 1973 bis 2002. Gegen die sonstigen Feststellungen und Berechnungen der Verwaltungsbehörden betreffend seine Nebengebührenzulage enthält das Vorbringen des Beschwerdeführers keine Einwände.
Die Beschwerde macht geltend, dass die belangte Behörde die Bindungswirkung des rechtskräftigen Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 2004, mit dem Nebengebührenwerte des Beschwerdeführers gutgeschrieben wurden, nicht beachtet habe. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht:
II.2.1. Im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers waren für die Bemessung der Nebengebührenzulage nicht mehr die Bestimmungen des NGZG anzuwenden, sondern die mit Wirkung vom 1. Jänner 2003 an ihre Stelle getretenen Bestimmungen der §§ 58 ff PG.
§ 61 Abs. 1 PG regelt die Bemessungsgrundlage der Nebengebührenzulage. Nach dem ersten Satz dieser Bestimmung ist die Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss auf der Grundlage der für die Zeit vom 1. Jänner 1972 bis zum Ausscheiden aus dem Dienststand im Beamtendienstverhältnis festgehaltenen Summe der Nebengebührenwerte zu bemessen; damit wird auf die gemäß § 59 Abs. 4 PG laufend festzuhaltenden Nebengebührenwerte aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abgestellt, die dem Bediensteten jährlich mitzuteilen sind (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 9402/1982, sowie die hg. Erkenntnisse vom 4. Mai 1983, Zl. 81/09/0102 = Slg. 11.053/A, und vom 19. September 2003, Zl. 2003/12/0148). Die Summe der derart festgehaltenen Nebengebührenwerte erhöht sich nach dem zweiten Satz des § 61 Abs. 1 PG um Nebengebührenwerte aus früheren Dienstverhältnissen nach § 65 Abs. 5 PG und bestimmten weiteren Bestimmungen sowie um Gutschriften von Nebengebührenwerten. § 61 Abs. 1 zweiter Satz PG verweist dabei durchwegs auf Bestimmungen, in denen die Feststellung bzw. Gutschrift von Nebengebührenwerten durch Bescheid vorgesehen ist. Soweit nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist, ist zur Feststellung bzw. Gutschrift der Nebengebührenwerte die jeweilige (Aktiv-)Dienstbehörde zuständig; dies gilt auch bei Personen, die aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand ausgeschieden sind: Nach § 2 Abs. 6 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 (DVG) idF des Art. XIII Z. 1 BGBl. Nr. 665/1994, ist zur Entscheidung in Dienstrechtsangelegenheiten solcher Personen, die aus Tatsachen herrühren, die vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand eingetreten sind, die Dienstbehörde berufen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Bediensteten aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand zuständig gewesen ist. Da die Feststellung von Nebengebührenwerten aus Tatsachen herrührt, die vor dem Ausscheiden des Bediensteten aus dem Dienststand entstanden sind, ist daher grundsätzlich die Zuständigkeit der Aktivdienstbehörde gegeben (vgl. zum ehemaligen
§ 11 NGZG das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2004, Zl. 2001/12/0216). Hingegen fällt die auf den von der Aktivdienstbehörde zu schaffenden Bemessungsgrundlagen aufbauende Bemessung der Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss (vgl. § 61 PG; siehe auch § 3 Abs. 2 Satz 1 PG) in die Zuständigkeit der Pensionsbehörden.
Wie schon der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 9402/1982 zur insofern gleichartigen Rechtslage nach dem NGZG festgehalten hat, ist somit verfahrensrechtlich die Feststellung der Nebengebührenwerte als Bemessungsgrundlage einerseits von der Bemessung der Höhe der Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss anderseits zu unterscheiden. Jene ist die notwendige Voraussetzung für diese. Dabei bildet die bescheidmäßige Feststellung der Nebengebührenwerte die bindende Grundlage für die darauf aufbauende Bemessung der Höhe der Nebengebührenzulage zum Ruhegenuss.
II.2.2. Fallbezogen ist davon auszugehen, dass der Bundesminister für Inneres im Zeitpunkt der Erlassung seines Bescheides über die Gutschrift bestimmter Nebengebührenwerte des Beschwerdeführers am 10. Mai 2004 nach § 2 Abs. 2 iVm Abs. 6 DVG die letzte Aktivdienstbehörde des Beschwerdeführers und daher auch zur Entscheidung über die Nebengebührenwerte zuständig war.
Der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 2004 war allerdings offenkundig rechtswidrig: Abgesehen davon, dass für die Bemessung der Nebengebührenwerte des Beschwerdeführers nicht mehr das NGZG anzuwenden ist, sondern die im Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung in Geltung stehenden Bestimmungen des PG, bietet dieses keine Grundlage für die vom Bundesminister für Inneres vorgenommene Berücksichtigung von Nebengebührenwerten aus einem früheren privatrechtlichen Dienstverhältnis. Zwar sieht § 65 Abs. 1 Z. 2 iVm Abs. 5 PG die Berücksichtigung von Nebengebühren aus einem früheren Dienstverhältnis zum Bund vor, welche anlässlich der Aufnahme des Beamten mit Bescheid festzustellen sind. Wie der Verwaltungsgerichtshof jedoch in seinem Erkenntnis vom 19. September 2003, Zl. 2003/12/0148 (auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), zu einem dem gegenständlichen Fall ähnlichen Sachverhalt festgestellt hat, sind mit dem Begriff "frühere Dienstverhältnisse" ausschließlich solche privatrechtliche Dienstverhältnisse zum Bund gemeint, welche vor der Begründung des aktuellen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses liegen. Privatrechtliche Dienstverhältnisse, die - wie im Fall des Beschwerdeführers - während eines Karenzurlaubes neben dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis des Beamten bestehen, sind damit nicht erfasst. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis mit näherer Begründung ferner dargelegt, dass gegen dieses Regelungssystem auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes lag im Übrigen im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 2004 bereits vor. Sein Bescheid vom 10. Mai 2004 entbehrte somit einer gesetzlichen Grundlage.
II.2.3. Ungeachtet seiner Rechtswidrigkeit hat der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 2004 jedoch Eingang in den Rechtsbestand gefunden; dass dieser Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, hat die belangte Behörde weder in ihrem angefochtenen Bescheid dargelegt noch ergeben sich dafür Anhaltspunkte aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.
An die darin rechtskräftig getroffene Feststellung der Berücksichtigung von Nebengebührenwerten aus einem früheren Dienstverhältnis zum Bund war die belangte Behörde jedoch - unabhängig von der Rechtswidrigkeit dieses Abspruches - entsprechend der wechselseitigen Bindung von Verwaltungsbehörden an ihre Entscheidungen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides gebunden (vgl. zur insofern gleichartigen Rechtslage nach dem NGZG schon das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2004, Zl. 2003/12/0141, sowie das bereits erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 9402/1982). Beizufügen ist, dass dieser rechtskräftige Bescheid der Aktivdienstbehörde auch bei der Überprüfung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde durch den Verwaltungsgerichtshof bindend ist.
Die bindende Wirkung des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 2004 kann entgegen der Auffassung der belangten Behörde auch nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass dieser Bescheid mit den anzuwendenden materiellen Rechtsvorschriften in Konflikt steht und eine falsche Rechtsgrundlage angibt: Das nach § 1 DVG auch im Dienstrechtsverfahren anzuwendende AVG statuiert ein Fehlerkalkül, wonach auch materiell rechtswidrige Bescheide, die die Mindestvoraussetzungen für das Zustandekommen eines Bescheides erfüllen, gültig sind und im Falle, dass sie rechtskräftig werden, die mit der Rechtskraft verbundene Bindungswirkung entfalten (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 19. Dezember 2000, Zl. 2000/12/0045). Die belangte Behörde legt weder im angefochtenen Bescheid noch in ihrer Gegenschrift dar, dass die für das Zustandekommen eines gültigen Bescheides erforderlichen Mindestvoraussetzungen (vgl. zu diesen die Nachweise zur ständigen Rechtsprechung bei Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Teilband, 2005, Rz 10 ff zu § 56) nicht vorlägen. Beizufügen ist, dass die Rechtskraftwirkung gerade darin besteht, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf, weshalb auch rechtswidrige Bescheide volle Bindungswirkung entfalten und nur unter den gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen wieder beseitigt werden können (vgl. insbesondere § 68 AVG iVm § 13 DVG). Dass die Erlassung rechtswidriger Bescheide für die einschreitenden Organwalter allenfalls straf-, disziplinar- oder amtshaftungsrechtliche Folgen nach sich ziehen kann, beeinträchtigt nicht die Bindungswirkung solcher Bescheide.
Die belangte Behörde hätte daher bei ihrer Bemessung der Nebengebührenzulagen des Beschwerdeführers den rechtskräftigen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 2004 über die Berücksichtigung von Nebengebührenwerten aus einem früheren Dienstverhältnis zum Bund ungeachtet seiner Rechtswidrigkeit wegen seiner Bindungswirkung zu Grunde zu legen gehabt. Da sie dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Wien, am 5. September 2008
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeRechtskraft Besondere Rechtsprobleme Verfahren vor dem VwGHBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005120158.X00Im RIS seit
02.10.2008Zuletzt aktualisiert am
27.03.2013