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L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;Norm
BauO Tir 2001 §1 Abs3 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des SP in N, vertreten durch Dr. Gerhard Seirer und Mag. Herbert Weichselbraun, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Tirolerstraße 30/2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28. November 2006, Zl. Ve1-8-1/233-9, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde N, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am 10. August 2005 beim Gemeindeamt der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Bauansuchen vom 5. August 2005 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für die Errichtung zweier Betonfermenter (mit Decke je 615,44 m3), einer Vorgrube mit 50,24 m3 und einem Endlager mit 778,63 3 Nutzinhalt. Zu diesem Bauansuchen stellte der Beschwerdeführer klar, er sei nach wie vor der Meinung, dass eine Biogasanlage mit "BHKW" (= Blockheizkraftwerk) eine Stromerzeugungsanlage bilde und dass die Güllebehälter und Gülleendlager aus dem Anwendungsbereich der Tiroler Bauordnung ausgenommen seien. Vorsichtshalber stelle er aber ein Bauansuchen für die Biogasanlage. Nach der Baubeschreibung und den vorgelegten Plänen sollen im Bereich zwischen den Rinderställen zwei und vier bzw. fünf zwei Fermenter mit einem Durchmesser von ca. 14 m in Stahlbeton hergestellt werden. Die Vorgrube ist zwischen den bestehenden Rinderställen zwei und vier vorgesehen, das Endlager mit einer Größe von 12 m x 40 m zwischen den Ställen vier und fünf.
Nach entsprechender Aufforderung durch die erstinstanzliche Behörde schränkte der Beschwerdeführer sein Bauvorhaben dahin ein, dass in der beantragten Anlage ausschließlich die auf den Hofgrundstücken Nr. 1106, 1105 und Bp. .202, alle KG. N., anfallende Gülle der Betriebe des Beschwerdeführers, des M.P. und der M.P. verarbeitet werde. Die Gülle bilde den Hauptanteil. Ergänzend würden andere in diesen Betrieben entstehende biogene Materialien eingebracht.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde erteilte mit Bescheid vom 13. Jänner 2006 die beantragte baurechtliche Bewilligung für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben unter "Nebenbestimmungen" und Auflagen (bautechnische Vorschreibungen) und eingeschränkt auf die Verarbeitung von Gülle und biogenen Materialien, die in den Landwirtschaftsbetrieben auf den näher angeführten Grundstücken der KG N. produziert werden. In der Nebenbestimmung 1a wurde vorgeschrieben, dass die Baubewilligung außer Kraft trete, wenn für den Betrieb der Anlage andere Materialien verwendet würden als Gülle und Festmist, welche ausschließlich aus den landwirtschaftlichen Betrieben auf den näher angeführten Grundstücken hervorkämen. Die Zufuhr betriebsfremder Materialien werde dezidiert ausgeschlossen. In gleicher Weise trete gemäß der Nebenbestimmung 1b die Baubewilligung außer Kraft, wenn nicht zu näher angeführten Terminen im Jahr ein schriftlicher Nachweis über die in die jeweilige Stromabnehmerleitung eingespeiste Strommenge sowie über den jeweiligen Viehbestand vorgelegt werde. Weiters ordnete die Nebenbestimmung 2 die Gewährleistung mehrmaliger Subtratproben durch die Baubehörden und von ihr beauftragte Sachverständige an.
Die gegen die Nebenbestimmungen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. März 2006 als unbegründet abgewiesen. Die Berufungsbehörde erachtete die auflösende Bedingung unter Punkt 1., gegen die sich die Berufung richtete, als zu Recht ergangen.
Die belangte Behörde gab der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 14. Juni 2006 Folge, behob den bekämpften Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde. Dies wurde insbesondere damit begründet, dass die vorgeschriebene Bedingung Punkt 1a einerseits eine Einschränkung des Antrages (Ausschluss von biogenen Materialien) darstelle, andererseits sei diese Bedingung nicht geeignet, allenfalls die Genehmigungsfähigkeit dieses Projektes herbeizuführen. Die Bedingung 1b erweise sich als unzulässig, zumal Stromerzeugungsanlagen gemäß § 1 Abs. 1 lit. c Tir. BauO 2001 (TBO 2001) vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen seien und diesbezüglich keine Kompetenz der Baubehörde bestehe. Weiters sei diese Bedingung nicht geeignet, die widmungsgemäße Verwendung der Sonderfläche Hofstelle sicherzustellen. Diesbezüglich wäre eine Lieferung von elektrischer Energie an Dritte mittels Vorschreibung von Bedingungen auszuschließen. Die Lieferung von elektrischer Energie an Dritte könne mit dieser Bedingung jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Auch die "Auflage 2." betreffend die Überprüfung von Substratproben erweise sich als unzulässig. Auch diesbezüglich sei nicht erkennbar, aus welchen bau- oder raumordnungsrechtlichen Überlegungen diese "Auflage" erfolgt wäre. Antragsgemäß solle lediglich der anfallende Dünger bzw. das biogene Material und die anfallende Gülle aus den drei Betrieben des Beschwerdeführers, der M.P. und des M.P. der Anlage zugeführt werden. Die Gülle bilde den Hauptanteil. Ergänzend sollten auch andere in den oben genannten Betrieben entstehende biogene Materialien (z.B. Mist) eingebracht werden. Damit seien die verwendeten Stoffe vom Antragsteller vollständig angeführt. Die Überprüfung des Substrates erfolge allenfalls im Rahmen des gas- bzw. elektrizitätsrechtlichen Verfahrens, eine Kompetenz der Baubehörde liege nicht vor. Im fortgesetzten Verfahren werde daher die Baubewilligung unter Vorschreibung von zur Sicherstellung bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geeignete Auflagen und Bedingungen zu erteilen sein.
Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde gab der Berufung mit Bescheid vom 21. August 2006 teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid vom 13. Jänner 2006 dahingehend ab, dass die darin enthaltenen Nebenbestimmungen 1 und 2 aufgehoben wurden. Die Baubewilligung wurde unter der auflösenden Bedingung erteilt, dass keine Lieferung elektrischer Energie an Dritte erfolge bzw. auch sonst keinerlei erwerbsmäßige Tätigkeit ausgeübt werde.
Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 nicht anwendbar sei, zumal der Beschwerdeführer nicht eine Anlage zur Erzeugung und Lieferung von Wärme aus Biomasse (vgl. § 2 Abs. 4 Z. 9 GewO 1994) errichte, sondern eine Anlage zur Erzeugung elektrischer Energie. Die gegenständlichen baulichen Anlagen dienten jedoch nicht der Stromerzeugung an sich, sondern der Sammlung von Gülle und Festmist sowie weiterer biogener Stoffe. Eine Stromerzeugung erfolge in diesen baulichen Anlagen projektgemäß nicht, demgemäß handle es sich nicht um eine Stromerzeugungsanlage, die vom Anwendungsbereich der TBO 2001 ausgenommen wäre. Dadurch, dass auf der Hofstelle elektrische Energie erzeugt und in das Netz der TIWAG eingespeist werden könne, handle es sich nach Ansicht der belangten Behörde noch nicht um ein Elektrizitätsunternehmen im Sinne des § 7 Z. 8 Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz - ELWOG bzw. § 2 Abs. 1 Z. 20 GewO 1994. Vielmehr könnte durch die Erzeugung und die Weitergabe von elektrischer Energie an die TIWAG eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 44 Abs. 5 Tir. RaumordnungsG 2006 (TROG 2006) ausgeübt werden. Da somit nicht auszuschließen sei, dass eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt werde, obwohl die Festlegungen des Flächenwidmungsplanes dem entgegenstünden, könne es nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die Baubehörde Bedingungen zur widmungsgemäßen Verwendung der baulichen Anlagen vorschreibe. Der Beschwerdeführer sei somit nicht in Rechten verletzt. Bereits im Bescheid vom 14. Juni 2006 habe die belangte Behörde ihre diesbezügliche Rechtsansicht klargestellt, dass die Baubehörde zur Sicherung der widmungsgemäßen Verwendung eines Grundstückes (hier: § 44 TROG 2006) Auflagen und Bedingungen vorschreiben dürfte. Die Berufungsbehörde sei dieser bindenden Rechtsansicht des aufhebenden Vorstellungsbescheides vollinhaltlich gefolgt.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Die Beschwerde richtet sich dagegen, dass dem Beschwerdeführer die Baubewilligung nicht ohne Auferlegung einer auflösenden Bedingung erteilt worden sei.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Ansicht des Beschwerdeführers stelle die Errichtung einer Biogasanlage als Stromerzeugungsanlage einen Ausnahmetatbestand vom Anwendungsbereich der Tiroler Bauordnung gemäß § 1 Abs. 3 lit. c TBO 2001 dar.
In dem hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2007, Zl. 2005/06/0261, sprach der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Anlagen aus, dass sie Nebenanlagen im Sinne des § 4 Z. 35 Tir. Elektrizitätsgesetz 2003 (TEG 2003) darstellten, die der Stromerzeugung, Übertragung und Verteilung von elektrischem Strom dienten. Es liege auch eine entsprechende räumliche und betriebstechnische Einheit der Anlage vor. Erfolge die Erzeugung von elektrischer Energie in Anlagen auf Basis von Biogas, einem erneuerbaren Energieträger, seien nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes all jene Einrichtungen, die in derartigen Anlagen für den erneuerbaren Energieträger bestimmt seien, als Teil der Stromerzeugungsanlage und somit als eine der Erzeugung von elektrischer Energie dienende Nebenanlage im Sinne des § 4 Z. 35 TEG 2003 zu qualifizieren. Liege aber eine Stromerzeugungsanlage vor, die kein Gebäude mit Aufenthaltsräumen darstelle, falle eine derartige Anlage gemäß § 1 Abs. 3 lit. c TBO 2001 nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes.
Eine Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des TEG 2003, des ÖkostromG und des § 1 Abs. 3 lit. c TBO 2001 erübrigt sich im Hinblick auf deren Wiedergabe in dem angeführten hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2007. Liegt aber eine Stromerzeugungsanlage vor, die kein Gebäude mit Aufenthaltsräumen darstellt, fällt eine derartige Anlage gemäß § 1 Abs. 3 lit. c TBO 2001 nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Die von der belangten Behörde im Vorstellungsbescheid vom 14. Juni 2006 nicht ausdrücklich behandelte Frage der Zuständigkeit der Baubehörden für das vorliegende Bauansuchen ist von der Bindungswirkung dieses Bescheides nicht erfasst.
Indem die belangte Behörde den Berufungsbescheid vom 21. August 2006 nicht aufgehoben hat, weil das Ansuchen rechtens nicht inhaltlich zu behandeln, sondern wegen Unzuständigkeit der Baubehörden zurückzuweisen gewesen wäre, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 9. September 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007060026.X00Im RIS seit
14.10.2008Zuletzt aktualisiert am
26.11.2008