Index
20 Privatrecht allgemeinNorm
B-VG Art140 Abs1 / AllgLeitsatz
Keine Zulässigkeit eines lediglich gegen die Gesetzesauslegung durchden Obersten Gerichtshof gerichteten Gesetzesprüfungsantrags mangelsZuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Überprüfung derHandhabung eines Gesetzes durch die ordentlichen GerichteSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit Schriftsatz vom 11. April 2008 stellten dierömisch eins. 1. Mit Schriftsatz vom 11. April 2008 stellten die
antragstellenden Gesellschaften, die als Versicherungsunternehmen kapitalbildende Lebensversicherungen anbieten, gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "die Worte 'vereinbart und' in §§173 Abs3 und 176 Abs4 VersVG als verfassungswidrig aufheben".
2. Diese (jeweils hervorgehobenen) Worte stehen in folgendem rechtlichen Zusammenhang:
§173 Versicherungsvertragsgesetz 1958 (in der Folge: VersVG), BGBl. 2/1959 idF BGBl. I 509/1994, bestimmt: §173 Versicherungsvertragsgesetz 1958 (in der Folge: VersVG), Bundesgesetzblatt 2 aus 1959, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 509 aus 1994,, bestimmt:
"(1) Der Versicherungsnehmer kann jederzeit für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen.
§176 VersVG, BGBl. 2/1959 idF BGBl. I 95/2006, lautet (auszugsweise) folgendermaßen: §176 VersVG, Bundesgesetzblatt 2 aus 1959, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 95 aus 2006,, lautet (auszugsweise) folgendermaßen:
"(1) Wird eine Kapitalversicherung für den Todesfall, die in der Art genommen ist, daß der Eintritt der Verpflichtung des Versicherers zur Zahlung des vereinbarten Kapitals gewiß ist, durch Rücktritt, Kündigung oder Anfechtung aufgehoben, so hat der Versicherer den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert zu erstatten.
...
3. Ihre Antragslegitimation begründen die antragstellenden Gesellschaften damit, dass der angefochtene Teil der §§173 Abs3 und 176 Abs4 VersVG unmittelbar und nachteilig in ihre Rechtssphäre eingreife, da ihnen nach dem angefochtenen Teil dieser Bestimmungen im Falle der vorzeitigen Kündigung durch einen Versicherungsnehmer oder dessen Prämienfreistellung im Rahmen der kapitalbildenden Lebensversicherung die gesetzliche Berechtigung zu einem Abzug nur dann zukäme, wenn separate Vereinbarungen mit den Versicherungsnehmern vorliegen, in welchen die Abzüge der Höhe nach ausreichend bestimmt und nachvollziehbar determiniert werden. Ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des Eingriffs in ihre Rechtssphäre stehe nicht zur Verfügung: Vor Ergehen einer Reihe von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (in der Folge: OGH), welche die relevierten verfassungsrechtlichen Bedenken hervorgerufen haben (vgl. dazu unten Punkt 4.), habe keine Veranlassung zur Anregung eines Gesetzesprüfungsverfahrens bestanden. Es sei den antragstellenden Gesellschaften weder zumutbar, ein gegen sie geführtes zivilgerichtliches Verfahren dadurch zu provozieren, dass sie rechtswidrige Abzüge vornähmen, noch eine Klage auf Feststellung einzubringen, da deren einziger Zweck es wäre, ein Mittel zu gewinnen, um die relevierten verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. 3. Ihre Antragslegitimation begründen die antragstellenden Gesellschaften damit, dass der angefochtene Teil der §§173 Abs3 und 176 Abs4 VersVG unmittelbar und nachteilig in ihre Rechtssphäre eingreife, da ihnen nach dem angefochtenen Teil dieser Bestimmungen im Falle der vorzeitigen Kündigung durch einen Versicherungsnehmer oder dessen Prämienfreistellung im Rahmen der kapitalbildenden Lebensversicherung die gesetzliche Berechtigung zu einem Abzug nur dann zukäme, wenn separate Vereinbarungen mit den Versicherungsnehmern vorliegen, in welchen die Abzüge der Höhe nach ausreichend bestimmt und nachvollziehbar determiniert werden. Ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des Eingriffs in ihre Rechtssphäre stehe nicht zur Verfügung: Vor Ergehen einer Reihe von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (in der Folge: OGH), welche die relevierten verfassungsrechtlichen Bedenken hervorgerufen haben vergleiche dazu unten Punkt 4.), habe keine Veranlassung zur Anregung eines Gesetzesprüfungsverfahrens bestanden. Es sei den antragstellenden Gesellschaften weder zumutbar, ein gegen sie geführtes zivilgerichtliches Verfahren dadurch zu provozieren, dass sie rechtswidrige Abzüge vornähmen, noch eine Klage auf Feststellung einzubringen, da deren einziger Zweck es wäre, ein Mittel zu gewinnen, um die relevierten verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
4. In der Sache führen die antragstellenden Gesellschaften - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, dass die angefochtene Wortfolge in den §§173 Abs3 und 176 Abs4 VersVG verfassungskonform so zu interpretieren sei, dass der Abschluss einer separaten Vereinbarung über den Abzug im Falle der vorzeitigen Kündigung durch einen Versicherungsnehmer oder dessen Prämienfreistellung im Rahmen der kapitalbildenden Lebensversicherung dem Grunde und der Höhe nach gesetzlich nicht erforderlich sei. Sollte der Verfassungsgerichtshof dieser Auslegung folgen, so wäre nach Auffassung der antragstellenden Gesellschaften der Individualantrag abzuweisen.
Der OGH habe jedoch in einer Reihe von Erkenntnissen zur Zulässigkeit von Klauseln in den von den Versicherern jeweils verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (vgl. zB OGH 17.1.2007, 7 Ob 131/06z; 17.1.2007, 7 Ob 140/06y; 17.1.2007, Der OGH habe jedoch in einer Reihe von Erkenntnissen zur Zulässigkeit von Klauseln in den von den Versicherern jeweils verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen vergleiche zB OGH 17.1.2007, 7 Ob 131/06z; 17.1.2007, 7 Ob 140/06y; 17.1.2007,
7 Ob 173/06a [hinsichtlich der Zehntantragstellerin]; 30.5.2007,
7 Ob 4/07z [hinsichtlich der Fünftantragstellerin]; 17.10.2007, 7 Ob 151/07t [hinsichtlich der Fünfzehntantragstellerin]) eine Auslegung der §§173 Abs3 und 176 Abs4 VersVG vertreten, "wonach die Rückkaufswerte und die vom Versicherer vorzunehmenden Abzüge im Fall der vorzeitigen Kündigung einer Lebensversicherung in einem solchen Ausmaß zu determinieren [seien], dass man von einer gesonderten ausdrücklichen Vereinbarung sprechen [müsse], unabhängig davon, ob diese im Rahmen Allgemeiner Versicherungsbedingungen oder im Wege einer separaten vertraglichen Vereinbarung [erfolge]." In diesem Verständnis führe die Bestimmung zu einer Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPMRK), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B-VG) und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG).
5. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung, allenfalls die Abweisung des Antrages begehrt.
5.1. Zur Antragslegitimation führt die Bundesregierung aus, dass die Fünft-, die Zehnt- und die Fünfzehntantragstellerin bereits jeweils Partei eines Verfahrens gewesen seien, in dem die Frage der Zulässigkeit der in Rede stehenden Klauseln in den von den Versicherern jeweils verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch den OGH geprüft worden sei und von den betreffenden antragstellenden Gesellschaften die nunmehr relevierten verfassungsrechtlichen Bedenken bereits geltend gemacht werden hätten können. Auch hinsichtlich der weiteren antragstellenden Gesellschaften bestehe ein zumutbarer Weg zur Herantragung der verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof: Die antragstellenden Gesellschaften behaupteten gerade, die angefochtenen Bestimmungen des VersVG seien einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich; es sei ihnen daher zumutbar, ein ihrer Rechtsansicht entsprechendes Verhalten zu setzen und daraus resultierende Rechtsstreitigkeiten von den ordentlichen Gerichten klären zu lassen.
5.2. Nach Ansicht der Bundesregierung mangelt es darüber hinaus auch deshalb an der Antragslegitimation, weil die mit dem Individualantrag begehrte Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen die behauptete Rechtsverletzung nicht beseitigen könnte und sich somit der Anfechtungsumfang als zu eng erweise: Der OGH habe in sämtlichen von den antragstellenden Gesellschaften genannten Entscheidungen die Unwirksamkeit der in Rede stehenden Klauseln primär mit einem Verstoß gegen das Transparenzgebot des §6 Abs3 KSchG begründet. Im Falle der Aufhebung der angefochtenen Wortfolgen wären die antragstellenden Gesellschaften daher nicht in die Lage versetzt, sich wirksam auf die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendeten, hier in Rede stehenden Klauseln zu berufen.
6. Die antragstellenden Gesellschaften replizierten. In ihrer Replik führen sie zur Unzumutbarkeit eines anderen Weges im Wesentlichen Folgendes aus: Würde den Versicherungsnehmern bei Prämienfreistellung oder vorzeitiger Kündigung die Differenz zwischen Rückkaufswert und Auszahlungsbetrag zunächst in Form einer Vorleistung ausbezahlt werden, um sie daran anschließend im ordentlichen Rechtsweg zurückfordern zu können, so wäre dies angesichts der zu erwartenden Forderungsausfälle wirtschaftlich unzumutbar. Würde hingegen eine Vorleistung nicht erfolgen, so wäre das Bestehen einer Möglichkeit, die verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, von der Klagsführung der Versicherungsnehmer abhängig, was wiederum nicht zumutbar sei.
Zum Anfechtungsumfang bringen die antragstellenden Gesellschaften vor, "[e]ine zahlenmäßig bestimmte und daher völlig transparente Vereinbarung zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherungsnehmer über einen bestimmten Rückkaufswert soll nach Ansicht des OGH (teil-)unwirksam sein, wenn in diesem Rückkaufswert ein Rückkaufsabschlag einkalkuliert wurde, der nicht separat ausgewiesen ist. Das hat mit den vom OGH beanstandeten Klauseln und mit §6 Abs3 KSchG nichts zu tun."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit desrömisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des
Antrags erwogen:
1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
2. Die antragstellenden Gesellschaften weisen selbst darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof ihren Antrag abzuweisen hätte, wenn er die Auslegung der angefochtenen Bestimmung durch den OGH für verfassungswidrig hält. Daraus folgt, dass sich die antragstellenden Gesellschaften nicht gegen das in den §§173 Abs3 und 176 Abs4 VersVG normierte Erfordernis einer Vereinbarung an sich wenden, sondern nur gegen die Auslegung dieser Voraussetzung durch den OGH. Es ist jedoch nicht Aufgabe eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art140 B-VG, die Handhabung des Gesetzes durch die ordentlichen Gerichte zu überprüfen (vgl. auch VfSlg. 17.393/2004). 2. Die antragstellenden Gesellschaften weisen selbst darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof ihren Antrag abzuweisen hätte, wenn er die Auslegung der angefochtenen Bestimmung durch den OGH für verfassungswidrig hält. Daraus folgt, dass sich die antragstellenden Gesellschaften nicht gegen das in den §§173 Abs3 und 176 Abs4 VersVG normierte Erfordernis einer Vereinbarung an sich wenden, sondern nur gegen die Auslegung dieser Voraussetzung durch den OGH. Es ist jedoch nicht Aufgabe eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art140 B-VG, die Handhabung des Gesetzes durch die ordentlichen Gerichte zu überprüfen vergleiche auch VfSlg. 17.393/2004).
3. Der Antrag war daher bereits aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass zu prüfen war, ob seiner meritorischen Erledigung noch weitere Prozesshindernisse entgegenstehen.
4. Dieser Beschluss konnte in nichtöffentlicher Sitzung gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefasst werden.
Schlagworte
Versicherungsrecht, VfGH / Bedenken, VfGH / Individualantrag, VfGH /Zuständigkeit, AuslegungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2008:G42.2008Zuletzt aktualisiert am
19.08.2010