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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
ABGB §1332;Rechtssatz
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Auffallend sorglos handelt ein Wiedereinsetzungswerber, wenn er die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht läßt. Zu diesem Zweck muß die Organisation von Gebietskörperschaften (etwa von Gemeinden) oder Kapitalhandelsgesellschaften in gleicher Weise wie eine Rechtsanwaltskanzlei Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation erfüllen. Dasselbe gilt auch für die ÖBB. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt muß die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von - mit Präklusion sanktionierten - Prozeßhandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Rechtsmitteln oder von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, gesichert erscheint. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen sein, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Liegen Organisationsmängel vor, wodurch die Erreichung des vorhin genannten Zieles nicht gewährleistet ist, ist das Kontrollsystem in diesem Sinne unzureichend, oder hat der Antragsteller das Bestehen einer solchen Aufsichtspflicht überhaupt nicht erkannt, kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1989:1989170116.X01Im RIS seit
24.11.1989Zuletzt aktualisiert am
15.10.2010