TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/9 2008/06/0141

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Veröffentlicht am 09.09.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
25/01 Strafprozess;
25/02 Strafvollzug;

Norm

MRK Art5;
MRKZP 01te Art1;
StGB §21 Abs2;
StGB §46;
StGB §47;
StGG Art5;
StPO 1975 §61;
StPO 1975 §62;
StVG §150 Abs3;
StVG §54 Abs1;
StVG §54 Abs2;
StVG §54a Abs1;
StVG §54a Abs3;
StVG §54a Abs5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des K J in W, vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 22-24/4/9, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien vom 4. März 2008, 1 Vk 354/07, betreffend eine Angelegenheit nach dem Strafvollzugsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde, der vorgelegten Beilagen und dem hg. Vorakt VH 2008/06/0016 geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 1990 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Jahren verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 2 StGB eingewiesen. Die Strafhaft endete am 9. Dezember 2001, seit dem wird er auf Grund angenommener nicht ausreichend abgebauter Gefährlichkeit in der Justizanstalt W (kurz: Justizanstalt bzw. JA) weiter angehalten. Der Beschwerdeführer strebt, vertreten durch einen von ihm im Jahr 2005 beauftragten (frei gewählten) Rechtsanwalt, eine bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug an; das diesbezügliche gerichtliche Verfahren war jedenfalls schon im August 2006 anhängig (und ist nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch nicht abgeschlossen - es geht, wie aus den vorgelegten Rechtsmittelentscheidungen zu entnehmen ist, dabei insbesondere um die sachverständige Begutachtung der Frage des Abbaues der angenommenen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers).

Mit Schreiben vom 3. Oktober 2007 an die Leitung der JA brachte der Rechtsfreund des Beschwerdeführers (namens des Beschwerdeführers) vor, er vertrete den Beschwerdeführer auch im Entlassungsverfahren und habe für ihn bereits einige bedeutende Zwischenerfolge erzielt (Hinweis auf zwei positive Rechtsmittelentscheidungen des Oberlandesgerichtes Wien). Vor kurzem habe er mit ihm eine weitere Akontozahlung in der Höhe von EUR 1.500,-- vereinbart. Wie ihm der Beschwerdeführer berichte, verfüge er über eine Rücklage in der Höhe von EUR 3.000,-- bis 4.000,--. Die in Aussicht genommene Zahlung sei gemäß § 54a Abs. 3 StVG zulässig, weil sie das Fortkommen nach der Haft fördere. Die Vertretung im Entlassungsverfahren solle ja gerade sicher stellen, dass der Beschwerdeführer überhaupt entlassen werde. Habe er keine effektive Rechtsvertretung, sei sein Fortkommen nach der Entlassung jedenfalls gefährdet, weil es dann (wie der bisherige Verfahrenslauf gezeigt habe) wohl jedenfalls keine Entlassung geben werde. Der Beschwerdeführer habe einen grundrechtlich verbürgten Anspruch auf eine selbst gewählte effektive Verteidigung im Entlassungsverfahren (Art. 5 Abs. 4 EMRK). Der Beschwerdeführer habe auch die bisherigen Akontozahlungen aus der Rücklage bestritten. Diese Zahlungen seien bislang problemlos genehmigt worden (Anmerkung: der Beschwerdeführer bringt vor, sein Vertreter habe drei solche Zahlungen erhalten, nämlich 2005, 2006 und 2007, was die Buchhaltung der Justizanstalt bestätigt hat:

EUR 2.000,--, EUR 2.500,-- und EUR 2.000,--). Sie nun - nach Erwirkung bedeutender grundrechtlicher Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Wien - zu verweigern, wäre mit einem fairen Haftprüfungsverfahren nicht vereinbar, zumal ihm auch nach Zahlung ein Betrag von weit über den "unantastbaren" EUR 726,-- verbleibe.

Die Anstaltsleiterin erwiderte mit Erledigung vom 8. November 2007, dem Ansuchen um Überweisung von EUR 1.500,-- von der Rücklage könne nicht stattgegeben werden, weil eine Rechtsvertretung im Verfahren gemäß § 25 Abs. 3 StGB keine Anschaffung darstelle, die das Fortkommen nach der Entlassung fördere. Diese Ansicht decke sich auch mit jener der Vollzugsdirektion. Dem Argument, dass die Zahlung das Fortkommen nach der Entlassung fördern und ohne Rechtsvertretung jedenfalls gefährden würde, könne nicht gefolgt werden. Wenn bisher Akontozahlungen von der Rücklage genehmigt worden seien, dann habe die seinerzeit genehmigende Stelle eine andere Rechtsauffassung vertreten. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls die Möglichkeit, die Kosten vom Eigen- und/oder Hausgeld zu bestreiten.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an die belangte Behörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde, soweit für das Beschwerdeverfahren noch erheblich, der Beschwerde keine Folge gegeben. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass nach dem klaren Wortlaut des § 54 Abs. 2 StVG die Rücklage der Vorsorge für den Unterhalt in der ersten Zeit nach der Entlassung diene. Insoweit der Beschwerdeführer vermeine, die Zahlung der für das Einschreiten des Rechtsanwaltes im Verfahren zur bedingten Entlassung aufgelaufenen Honorarforderung sei als Schuldentilgung nach dem - insoweit eine Einschränkung des im § 54 Abs. 2 StVG normierten Zweckes darstellenden - § 54a Abs. 1 StVG aus der Rücklage zu leisten, sei ihm zu entgegnen, dass nur solche Schulden zur Tilgung in Betracht kämen, die vor der Haft eingegangen worden seien (Hinweis auf Drexler, Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, Rz 1 zu § 54a). Es verbleibe somit zu prüfen, ob es sich bei der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers im Verfahren zu dessen bedingter Entlassung um eine Anschaffung handle, die im Sinne des § 54a Abs. 3 StVG das Fortkommen nach der Entlassung fördere. Auch dies sei zu verneinen. Die belangte Behörde könne die Argumentation des Beschwerdeführers, die Bezahlung des Wahlverteidigers sei aus der Rücklage zulässig, weil sie das Fortkommen nach der Haft fördere, weil ohne effektive Rechtsvertretung das Fortkommen des Untergebrachten nach der Entlassung jedenfalls gefährdet wäre (zumal es dann wohl jedenfalls keine Entlassung geben werde), nicht teilen. Die Entscheidung des Vollzugsgerichtes über das Vorliegen der Voraussetzungen einer bedingten Entlassung aus (hier) dem Maßnahmenvollzug hänge nämlich nicht davon ab, ob ein Untergebrachter einen Verteidiger habe oder unvertreten sei, sondern habe ausschließlich auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abzustellen. Würde man der Argumentation des Vertreters des Beschwerdeführers folgen, so würde ein unvertretener Strafgefangener niemals bedingt entlassen werden. Die Weigerung der Anstaltsleiterin, die angesprochenen EUR 1.500,-- als Honorar aus den erliegenden Mitteln aus der Rücklage zu bezahlen, sei somit rechtens gewesen. Dem Beschwerdeführer bleibe es unbenommen, die Kosten seiner Vertretung aus dem Eigen- oder Hausgeld zu bezahlen. Die behauptete frühere Zahlung von Honorarforderungen aus der Rücklage sei hier unbeachtlich.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 (StVG), in der Fassung BGBl. I Nr. 109/2007 anzuwenden.

Die §§ 54, 54a und 150 StVG lauten:

"Hausgeld und Rücklage

§ 54. (1) Die Arbeitsvergütung ist dem Strafgefangenen monatlich im nachhinein nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages (§ 32 Abs. 2 erster Fall und Abs. 3) sowie des auf ihn entfallenden Anteils am Arbeitslosenversicherungsbeitrag je zur Hälfte als Hausgeld und als Rücklage gutzuschreiben. Die im § 53 angeführten außerordentlichen Arbeitsvergütungen sind zur Gänze dem Hausgeld zuzuschreiben. Für die Bemessung des Hausgeldes ist die Höhe der Arbeitsvergütung im Zeitpunkt der Gutschrift maßgebend. Die Bemessung der Rücklage richtet sich nach der Höhe der Arbeitsvergütung im Zeitpunkt der Auszahlung oder Verwendung.

(2) Das Hausgeld steht dem Strafgefangenen unbeschadet der §§ 54a, 112 Abs. 2 und 114 Abs. 2 für die Verschaffung von Sachgütern und Leistungen nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zur Verfügung. Die Rücklage dient unbeschadet des § 54a der Vorsorge für den Unterhalt in der ersten Zeit nach der Entlassung.

(3) Kann der Strafgefangene außer dem Fall des § 48 Abs. 3 ohne sein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden keine Arbeitsvergütung bekommen, so sind ihm monatlich im nachhinein ein Betrag von fünf vH der niedrigsten Arbeitsvergütung als Hausgeld gutzuschreiben.

(4) Dem Strafgefangenen ist mindestens einmal im Vierteljahr und bei der Entlassung in die Verrechnung seines Guthabens Einsicht zu gewähren.

(5) Bei der Entlassung sind dem Strafgefangenen als Hausgeld und als Rücklage gutgeschriebene Geldbeträge auszuzahlen. Stirbt der Strafgefangene, so fallen die Ansprüche auf diese Geldbeträge in seinen Nachlass.

(6) Die Exekutionsordnung regelt, inwieweit der Anspruch auf Arbeitsvergütung sowie daraus herrührende Beträge übertragen, gepfändet oder verpfändet werden dürfen. Der Abs. 2 sowie die §§ 54a und 113 bleiben unberührt.

§ 54a. (1) Dem Strafgefangenen stehen das Hausgeld sowie die Hälfte der Rücklage auch für Leistungen an unterhaltsberechtigte Angehörige oder an Personen, die durch die strafbare Handlung in ihren Rechten verletzt worden sind, sowie zur Schuldentilgung zur Verfügung.

(2) Strafgefangene, die eine Freiheitsstrafe mit einer Strafzeit von mehr als einem Jahr zu verbüßen haben, sind bei Strafantritt und sobald die Rücklage 1000 Euro übersteigt, über die nach Abs. 1 bestehenden Verwendungsmöglichkeiten von Hausgeld und Rücklage zu informieren sowie nach Maßgabe der bestehenden Einrichtungen zu einer sinnvollen Verwendung anzuleiten und dabei zu unterstützen.

(3) Außer den Fällen des Abs. 1 sowie des § 54 Abs. 2 dürfen die Strafgefangenen Hausgeld und Rücklage im Vollzug auch für Anschaffungen verwenden, die ihr Fortkommen nach der Entlassung fördern. Die Entscheidung darüber steht dem Anstaltsleiter zu."

"Entlassungshilfe

§ 150. (1) Ist es einem Strafgefangenen nach seinen Verhältnissen offenbar nicht zumutbar, die notwendigen Kosten der Zureise zu seinem künftigen Aufenthaltsort innerhalb des Bundesgebietes zur Gänze aus eigenem zu tragen, so ist ihm eine Fahrkarte für die Benützung des in Betracht kommenden Massenbeförderungsmittels (§ 8 des Gebührenanspruchsgesetzes 1965) zu beschaffen und der die Verhältnisse des Strafgefangenen übersteigende Teil der Kosten von Amts wegen zu tragen. Liegt der künftige Aufenthaltsort im Ausland, so ist unter den gleichen Voraussetzungen eine Fahrkarte bis zu dem diesem Aufenthaltsort nächstgelegenen Grenzbahnhof innerhalb des Bundesgebietes zu beschaffen. Kann der Strafgefangene seinen künftigen Aufenthaltsort erst nach mehr als sechs Stunden erreichen, so ist ihm auf sein Ersuchen Reiseverpflegung mitzugeben.

(2) Strafgefangenen, deren Kleidung instandzusetzen nicht tunlich wäre oder deren Kleidung wegen der Jahreszeit oder des Gesundheitszustandes des Strafgefangenen nicht ausreicht und die sich ordentliche Entlassungsbekleidung auf andere Weise nicht beschaffen können, sind die notwendigen einfachen Kleidungsstücke von Amts wegen zuzuteilen.

(3) Erreichen die dem Strafgefangenen bei der Entlassung nach § 54 Abs. 5 auszuzahlenden Beträge ohne sein Verschulden nicht den unpfändbaren Freibetrag nach § 291a Abs. 1 Z 1 der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896 in der jeweils geltenden Fassung, und ist für den Unterhalt des Strafgefangenen in der ersten Zeit nach der Entlassung nicht anderweitig ausreichend vorgesorgt, so ist ihm ein Zuschuss bis zur Höhe dieses Betrages zu gewähren."

Der Beschwerdeführer befindet sich nicht im Strafvollzug, sondern ist vielmehr nach § 21 Abs. 2 StGB untergebracht. Hiefür gelten gemäß § 167 StVG u.a. die §§ 54, 54a und 150 StVG sinngemäß:

Strittig ist, ob die Akontozahlung, um die es hier geht, rechtens aus der Rücklage bezahlt werden darf.

Zweck der Rücklage ist, wie sich aus § 54 Abs. 2 StVG unmissverständlich ergibt, die soziale Absicherung des Strafgefangenen (hier: des Untergebrachten) nach der Entlassung (vgl. auch § 150 Abs. 3 StVG; siehe dazu auch Drexler, a.a.O., Rz 1 zu § 54 StVG). Damit wird (jedenfalls bis zu einem gewissen Grad) der Gefahr einer - mangels Eigenmitteln - "Beschaffungskriminalität" nach der Entlassung vorgebeugt oder aber, dass der Entlassene der öffentlichen Hand oder Dritten zur Last fällt. Verfügungen des Strafgefangenen (des Untergebrachten) über die Rücklage sind daher dementsprechend nur eingeschränkt zulässig, nämlich - nur diese Fälle werden hier thematisiert - gemäß § 54a Abs. 1 und Abs. 3 StVG (§ 54 Abs. 2 letzter Satz StVG ist hier nicht von Belang). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, dass § 54a Abs. 1 StVG nur die Tilgung solcher Schulden vorsieht, die vor der Haft eingegangen wurden, nicht aber auch danach, weil Letzteres der wesentlichen Zielsetzung der Rücklage, nämlich der sozialen Absicherung nach Entlassung, widerstreiten würde, hätte es doch sonst ein Strafgefangener (Untergebrachter) in der Hand, durch Eingehen von Schulden (sieht man von den Fällen des Abs. 3 ab) während der Haft die Rücklage zu schmälern; die vom Beschwerdeführer möglicherweise gewünschte Auslegung dahin, dass die Rücklage für die Tilgung jeglicher Art von Schulden herangezogen werden könnte, stünde auch in einem Spannungsverhältnis zu Abs. 3 leg. cit., wonach nur bestimmte Arten von Anschaffungen daraus bestritten werden dürfen. Damit kann die Rücklage nicht zur Tilgung dieser erst in der Haft entstandenen Honorarforderung herangezogen werden (was gleichermaßen für eine Akonto-Zahlung gilt). Es trifft auch nicht zu, dass es sich bei der Honorarforderung aus Anlass des Verfahrens zur bedingten Entlassung um eine "Anschaffung" handelte, die im Sinne des § 54a Abs. 3 StVG das Fortkommen des Beschwerdeführers nach der Entlassung fördere. Das Verfahren bezieht sich auf die angestrebte Entlassung und damit hat es begrifflich sein Bewenden, mag auch freilich die Entlassung logische Voraussetzung für ein Fortkommen nach der Entlassung sein (Beispiele für Anschaffungen für ein besseres Fortkommen nach der Entlassung siehe in Drexler, a.a.O., Rz 3 zu § 54a StVG - Ausbildungsmaßnahmen, Anschaffung einer Wohnung, Entfernungen von Tätowierungen).

Zusammenfassend hat die belangte Behörde zutreffend erkannt, dass der angestrebte Zugriff auf die Rücklage zur Leistung einer (weiteren) Akontozahlung von EUR 1.500,-- durch die §§ 54 und 54a StVG nicht gedeckt ist. Dem steht insbesondere auch nicht entgegen, dass die Rücklage vor Leistung der fraglichen weiteren Akontozahlung gemäß dem Vorbringen EUR 1.000,-- bis EUR 4.000,-- betragen soll, somit nicht unbeträchtlich ist; dabei darf nämlich nicht außer Acht bleiben, dass nach einem Freiheitsentzug von rund 18 Jahren typischerweise auch größere Aufwendungen erforderlich sind, um in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen (größere Aufwendungen zur Resozialisierung) als bei einem kürzeren Freiheitsentzug.

Darauf, dass bereits drei Akontozahlungen aus der Rücklage geleistet worden seien, kommt es für die Beurteilung der Zulässigkeit der hier gegenständlichen Zahlung nicht an.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die Auffassung des Beschwerdeführers, dass diese Auslegung verfassungswidrig sei:

Die im StVG vorgesehenen Beschränkungen des Zugriffes des Strafgefangenen (des Untergebrachten) auf die Rücklage während des Freiheitsentzuges können zwar als Eigentumsbeschränkung angesehen werden, dieser ist aber im Hinblick auf den wesentlichen Zweck dieser Beschränkungen (Förderung der Resozialisierung nach der Entlassung - die Resozialisierung ist ein wesentliches Ziel des Strafvollzuges) nicht unverhältnismäßig.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich auch nicht der Auffassung des Beschwerdeführers anzuschließen, die zuvor dargelegte Auslegung des Gesetzes würde das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Strafverfahren und auf ein faires Haftprüfungsverfahren (hier dem Sinn nach jeweils gemeint: Entlassungsverfahren) im Sinne des Art. 5 Abs. 4 und Art. 6 EMRK verletzen, weil das Recht auf eine selbstgewählte Verteidigung ein essentieller Bestandteil dieser Rechte sei; er sei daher nicht verhalten, im gerichtlichen Verfahren um Verfahrenshilfe einzukommen (Anm.: Diese Frage wurde im vorangegangenen Verfahrenshilfe-Bewilligungsverfahren VH 2008/06/0016 thematisiert).

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht die Bedeutung eines effektiven Rechtsschutzes auch im Entlassungsverfahren, was aber gleichermaßen für mittellose wie für nicht mittellose Personen zu gelten hat. Um mittellosen Personen effektiven Rechtsschutz angedeihen zu lassen, gibt es - generell gesprochen - das Rechtsinstitut der Verfahrenshilfe. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren zur bedingten Entlassung aus (einer Freiheitsstrafe oder) der gegenständlichen Maßnahme ist in der StPO oder auch im StVG zwar nicht vorgesehen aber auch nicht ausgeschlossen. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher der Auffassung, dass die Bestimmungen der StPO über die Bewilligung der Verfahrenshilfe analog anwendbar sind. Damit wird erreicht, dass auch mittellosen Personen ein effektiver Rechtsschutz im gerichtlichen Verfahren zur Entlassung aus der Maßnahme zuteil werden kann (vgl. Art. 5 EMRK) und nicht nur Personen, die aus eigenen - verfügbaren - Mitteln einen selbst gewählten Vertreter honorieren können. Besteht eine Rücklage in einem Ausmaß, das die Honorierung eines frei gewählten Verteidigers zulassen würde, kann der Strafgefangene (der Untergebrachte) aber wegen der gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen des StVG darauf nicht zugreifen, ist er insofern als "mittellos" anzusehen, womit das Bestehen der Rücklage, über die aber nicht verfügt werden kann, aus dem Blickwinkel des Vorhandenseins verfügbarer (hier: nicht verfügbarer) Mittel der Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht entgegen stünde. Das System der §§ 54 und 54a StVG steht somit einem effektiven Rechtsschutz durch eine entsprechende Vertretung im Verfahren zur bedingten Entlassung aus der freiheitsentziehenden Maßnahme nicht entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, der Anregung des Beschwerdeführers nachzukommen, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 54 Abs. 2 zweiter Satz sowie des § 54a StVG bzw. allenfalls nur im § 54a Abs. 3 StVG der Wortfolge "die ihr Fortkommen nach der Entlassung fördern" zu beantragen.

Da sich schon aus dem Vorbringen in der Beschwerde ergibt, dass die gerügten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 9. September 2008

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008060141.X00

Im RIS seit

14.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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