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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des HB in G, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Neutorgasse 51/II, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 22. September 2005, Zl. 043521/2004/0009, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erlassung einer Baueinstellung nach dem Steiermärkischen Baugesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer von 169/1349-Anteilen eines im Gemeindegebiet der Landeshauptstadt Graz gelegenen Grundstückes, mit welchem untrennbar Wohnungseigentum verbunden ist.
Am 12. Februar 2002 suchte Dipl. Ing. L. als Miteigentümer der Liegenschaft um Bewilligung des Umbaus dieses Wohnhauses zu sieben Wohneinheiten an. Dabei sollten laut den Planunterlagen das gesamte Gebäude mit Ausnahme der nordostseitigen Giebelwand verändert und die Wiedererrichtung mit annähernd gleichen Außenmessungen erfolgen. Die weiteren Miteigentümer der gegenständlichen Liegenschaft, darunter auch der Beschwerdeführer, stimmten der Durchführung der baulichen Maßnahmen zu. Mit Bescheid vom 15. Mai 2002 bewilligte die Baubehörde erster Instanz den plan- und beschreibungsgemäßen Umbau des Wohnhauses für sieben Wohneinheiten auf dem oben genannten Grundstück unter Auflage. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Eingabe vom 16. März 2004 teilte Dipl. Ing. L. der Baubehörde mit, dass die Erhaltung der nordostseitigen Giebelwand aus Gründen mangelnder Standsicherheit nicht möglich erscheine, was durch ein Sachverständigengutachten bestätigt worden sei. Daher müsse die vorgenannte Giebelwand abgebrochen werden. Weiters bestätigte er, dass im Zuge der Errichtung des aufgehenden Mauerwerks die Wand an der selben Stelle wieder errichtet werde. Das äußere Erscheinungsbild dieser Wand werde in der selben Form wieder hergestellt.
Mit Vermerk vom 30. März 2004 stellte die Baupolizei der Stadt G im Rahmen der Bauüberwachung die gänzliche Abtragung des Gebäudes samt der nordostseitigen Giebelwand fest.
Der Beschwerdeführer teilte am 12. Mai 2004 dem Magistrat der Landeshauptstadt Graz mit, dass er mit dem Abbruch der nordostseitigen Giebelwand nicht einverstanden sei. Er beantragte die Durchführung eines Ortsaugenscheins, Feststellungen über die Abweichungen von den bewilligten Baumaßnahmen und die behördliche Einstellung der Bauführung.
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 30. Juni 2004 (dem Beschwerdeführer zugestellt am 1. Juli 2004), wies die Baubehörde erster Instanz diesen Antrag zurück und führte aus, dass die Baubewilligung vom 15. Mai 2002 in Rechtskraft erwachsen sei und der Beschwerdeführer den darin bewilligten Baumaßnahmen zugestimmt habe. Durch den Wegfall der ursprünglichen nordostseitigen Giebelwand sei das Wesen des Projektes nicht verändert worden und es sei durch die weiterhin fensterlose Ausführung der ebenfalls genehmigten Wand auch kein Widerspruch hinsichtlich der gestalterischen Bedeutung des Straßenbildes entstanden. Eine solche geringfügige Planabweichung vom genehmigten Bauplan bedürfe keiner Bewilligung der Behörde. Der an den Bauwerber erhobene Vorwurf, dass er die Zustimmung des Beschwerdeführers zum Bauansuchen nur unter der Voraussetzung erteilt bekommen habe, dass die nordostseitige Giebelwand bestehen bleibe, sei sohin nicht vor der Baubehörde, sondern vor dem Zivilgericht zu verfolgen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit 9. Juli 2004 Berufung. Am 10. Juni 2005 stellte er einen Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG. Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in Stattgebung des Devolutionsantrages die Berufung des Beschwerdeführers ab. Sie sprach aus, dass gemäß § 41 Abs. 6 Stmk BauG einem Nachbarn das Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zustehe, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstige Maßnahmen im Sinne der Absätze 1, 3 und 4 leg. cit. ihre im § 26 Abs. 1 leg. cit. normierten Rechte verletzten. Unstrittig sei, dass dem Beschwerdeführer die im § 41 Abs. 6 leg. cit. angesprochene Nachbareigenschaft nicht zukomme. Vielmehr handle es sich beim Beschwerdeführer um einen Miteigentümer des Bauplatzes. Hinsichtlich der Grundeigentümer des Bauplatzes bzw. der Miteigentümer desselben entspreche es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese keinen Rechtsanspruch auf Erlassung eines baubehördlichen Auftrages hinsichtlich der auf ihrer Liegenschaft errichteten Baulichkeit hätten. Ebenso wenig bestehe ein Rechtsanspruch eines Grund/Miteigentümers auf Durchführung eines Ortsaugenscheines durch die Behörde. Daraus folge, dass einem Grundeigentümer bzw. Miteigentümer keine Parteistellung in einem Baueinstellungsverfahren nach § 41 Abs. 1 leg. cit. zukomme und der Antrag eines Grund- respektive Miteigentümers auf Erlassung einer Baueinstellung von der Baubehörde mangels Rechtsanspruches auf Erlassung eines solchen Auftrages zurückzuweisen sei. Es sei der belangten Behörde als Berufungsbehörde verwehrt, eine Prüfung dahingehend anzustellen, ob seitens der erstinstanzlichen Baubehörde von Amts wegen eine Baueinstellung zu verfügen gewesen wäre.
Lediglich zu Informationszwecken sei festgehalten, dass auch nach Auffassung der belangten Behörde der Wegfall der betreffenden Giebelwand angesichts der Tatsache, dass aus den im Bauakt erliegenden Plänen ersichtlich sei, dass innerhalb der nordöstlichen Giebelwand über alle Geschosse eine fensterlose 30 cm starke Wand eingetragen sei, das Wesen des Projektes nicht verändert habe: Beim Wegfall dieser Giebelwand handle es sich um eine geringfügige Abweichung vom genehmigten Projekt, die nicht bewilligungspflichtig sei und sohin auch nicht der Zustimmung des Grundeigentümers bedürfe. Auf Grund einer der belangten Behörde vorliegenden Lichtbilddokumentation sei unzweifelhaft, dass die gegenständliche Fassade völlig ident mit der ursprünglich vorhandenen, also der abgebrochenen, wiederhergestellt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der dessen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie die Rechtswidrigkeit seines Inhalts geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildetem Senat erwogen:
Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (Stmk BauG), LGBl. 59/1995, i. d.F. LGBl. Nr. 78/2003, lauten:
"§ 41
Baueinstellung und Beseitigungsauftrag
(1) Die Behörde hat die Baueinstellung zu verfügen, wenn
Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen,
insbesondere wenn
1. bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung,
2. anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im
Sinne des § 33 Abs. 6 oder
3. baubewilligungsfreie Vorhaben nicht im Sinne dieses
Gesetzes ausgeführt werden.
(2) Werden unzulässige Bauarbeiten trotz verfügter Baueinstellung fortgesetzt, kann die Baubehörde die Baustelle versiegeln oder absperren und die auf der Baustelle vorhandenen Baustoffe, Bauteile, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam bringen.
(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.
(4) Die Behörde hat die Unterlassung der vorschriftswidrigen Nutzung aufzutragen, wenn eine bewilligungspflichtige Änderung des Verwendungszweckes von baulichen Anlagen oder Teilen derselben ohne Bewilligung vorgenommen wurde; Abs. 3 zweiter Satz gilt sinngemäß.
(5) Berufungen gegen Bescheide nach Abs. 1 und 4 haben keine aufschiebende Wirkung.
(6) Den Nachbarn steht das Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstigen Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 ihre Rechte (§ 26 Abs. 1) verletzen."
Gegenstand der Entscheidung der belangten Behörde war die, ob die Baubehörde erster Instanz die Anträge des Beschwerdeführers zu Recht zurückgewiesen hat. Dabei geht es maßgeblich darum, ob einem Miteigentümer das Recht zukommt, die Durchführung eines Verfahren nach § 41 Stmk. BauG zu begehren.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf vollständige Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes, in seinem Recht auf Parteiengehör und Bescheidbegründung, sowie in seinem materiellen Recht auf Einhaltung der Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes verletzt. Sein Recht auf Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages und seine Parteistellung in einem solchen Verfahren begründet er damit, dass er als Grundstückseigentümer immer Partei des Bewilligungsverfahrens sei.
Der Antrag des Beschwerdeführers vom 12. Mai 2004 zielt auf die Durchführung eines Verfahrens zur Setzung von baupolizeilichen Maßnahmen nach § 41 Stmk BauG ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach dargelegt, dass grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages besteht, es sei denn, der Gesetzgeber hat einen solchen Anspruch vorgesehen. Im Stmk BauG hat der Gesetzgeber ein derartiges Recht nur dem Nachbarn, nicht aber dem Grundeigentümer zuerkannt. Der Eigentümer oder ein Miteigentümer besitzt diesbezüglich keinen Rechtsanspruch (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. September 1995, Zl. 95/06/0126, und vom 23. Dezember 1999, Zl. 99/06/0173, m.w.N.).
Auch die vom Beschwerdeführer gezogene Schlussfolgerung, aus dem Umstand, dass dem Grundeigentümer das Recht auf Parteistellung im Baugenehmigungsverfahren zukomme, sei zu folgern, dass ihm auch ein Recht auf Erlassung einer baupolizeilichen Maßnahme auf seinem eigenen Grundstück zustehen müsse, ist nicht überzeugend. Zum einen ist auch die Parteistellung des Grundeigentümers, wenn er nicht selbst Bauwerber ist, im Baugenehmigungsverfahren auf die Frage seiner Zustimmung zum Bauantrag eingeschränkt. Zum anderen geht es bei Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages um öffentliche Interessen, nicht aber um das Interesse des Eigentümers daran, dass auf seinem Grundstück eine Bauführung gegen seinen Willen nicht erfolge. Letzteres Interesse kann der Eigentümer - insoferne ist der Behörde erster Instanz zuzustimmen -
auf zivilprozessualem Wege verfolgen.
Im gegenständlichen Fall wurde auch, wie vom Beschwerdeführer selbst in der Beschwerde gerügt, kein baupolizeiliches Verfahren von Amts wegen eingeleitet. Daher wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in Rechten verletzt, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 9. September 2008
Schlagworte
Baurecht Baubefehl Polizeibefehl baupolizeilicher Auftrag Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005060341.X00Im RIS seit
20.10.2008Zuletzt aktualisiert am
26.11.2008