TE Vfgh Erkenntnis 2003/9/27 G222/01

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.2003
beobachten
merken

Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
ABGB §364a Abs2
AVG §8
Bgld BauG 1997 §21

Leitsatz

Unsachlichkeit der im Bgld Baugesetz 1997 normierten Einschränkung der Parteistellung von Nachbarn auf Eigentümer unmittelbar angrenzender Grundstücke; Aufhebung sämtlicher Regelungen betreffend Parteien und Anrainerrechte im Sinne des Hauptantrags des Verwaltungsgerichtshofes zur Vermeidung einer Sinnveränderung des - nach Aufhebung der präjudiziellen Bestimmung - verbleibenden Restes bzw wegen eines untrennbaren Zusammenhanges

Spruch

Die Abs1 bis 5 des §21 des Burgenländischen Baugesetzes 1997, LGBl. Nr. 10/1998, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Oktober 2004 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Landeshauptmann von Burgenland ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehrt der Verwaltungsgerichtshof

"1. die Abs1 bis 5 des §21 des Burgenländischen Baugesetzes 1997, LGBl. Nr. 10/1998, in eventu

2. nur den Abs1 dieses Paragraphen als verfassungswidrig aufzuheben".

2. §21 Burgenländisches Baugesetz 1997, LGBl. für das Burgenland Nr. 10/1998 (idF. Bgld. BauG) hat folgenden Wortlaut:

"§21

Parteien

(1) Parteien im Bauverfahren sind:

1.

der Bauwerber (Grundeigentümer oder andere Person mit Zustimmung des Grundeigentümers),

2.

die Eigentümer der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke (Anrainer).

(2) Ein Anrainer kann gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass er durch das Vorhaben in seinen Rechten verletzt wird.

(3) Ist das Recht, dessen Verletzung behauptet wird, im Privatrecht begründet (privatrechtliche Einwendung), so hat die Baubehörde einen gütlichen Ausgleich zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, ist sie in der Verhandlungsschrift festzuhalten und im Bescheid darauf hinzuweisen; kommt keine Einigung zustande, sind die streitenden Parteien hinsichtlich dieser Einwendung auf den Rechtsweg zu verweisen. Dies ist unter Anführung der Einwendung in der Verhandlungsschrift und im Bescheid ausdrücklich anzuführen.

(4) Wird die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften (z.B. Bauverordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien) behauptet, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Anrainers dienen (öffentlichrechtliche Einwendung), hat die Baubehörde hierüber im Bescheid zu erkennen und gegebenenfalls die Baubewilligung zu versagen oder die Einwendung als unbegründet abzuweisen und die Baubewilligung zu erteilen.

(5) Andere Einwendungen sind als unzulässig zurückzuweisen.

(6) Im Bauverfahren übergangene Parteien können ihre Rechte bis spätestens zwei Wochen nach Baubeginn bei der Baubehörde geltend machen."

3. Zum Sachverhalt der diesem Antrag zugrundeliegenden, bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren führt der Verwaltungsgerichtshof Folgendes aus:

"[...] Beschwerdeverfahren Zlen. 2000/05/0002 und 0003:

Mit Eingabe vom 29. Februar 1996 beantragte die mitbeteiligte Partei in jenen beiden Beschwerdeverfahren (kurz: Bauwerberin) die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Aufbereitungsanlage für bituminöses Mischgut samt Nebenanlagen auf dem Grundstück Nr.1230, KG Neumarkt im Tauchental. Mündliche Verhandlungen betreffend dieses Baubewilligungsgesuch erfolgten am 7. Oktober 1996 und am 14. November 1996. Die Beschwerdeführer - sowie zahlreiche andere Personen - erhoben insbesondere Einwendungen in Bezug auf die zu befürchtenden unzumutbaren Belästigungen durch Staub, Lärm, Geruch, Luftverschmutzung, Abgase und Dämpfe (der Beschwerdeführer G[...] B[...] wird kurz als Erstbeschwerdeführer bezeichnet, die drei Beschwerdeführerinnen im Verfahren Zl. 2000/05/0003 als Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen).

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 10. Juni 1997 wurde die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt. Soweit vorliegendenfalls erheblich, wurden die Einwendungen unter anderem der nunmehrigen Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhoben die ua. nunmehrigen Beschwerdeführer (in gesonderten Schriftsätzen) Berufung. Der Erstbeschwerdeführer brachte in seiner Berufung unter anderem vor, er sei Eigentümer von landwirtschaftlichen Grundstücken in einer Entfernung von ca. 100 m von dem Grundstück, auf welchem die Asphaltmischanlage errichtet werden solle. Die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin brachten jeweils vor, sie seien Eigentümerinnen eines Wohnhauses, welches sich ca. 500 bis 600 m entfernt (von der fraglichen Anlage) befinde. Die Viertbeschwerdeführerin verwies darauf, dass sich ihr Wohnhaus 'in der Nähe des Grundstückes, auf welchem die Asphaltmischanlage errichtet' werde, befinde.

Mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 27. Jänner 1998, Zl. VI/1-B-197/23-1997, wurde die Berufung unter anderem der nunmehrigen Beschwerdeführer (sowie auch des J. M., der vorgebracht hatte, er sei Eigentümer ua. eines Grundstückes, welches von dem zu verbauenden Grundstück nur durch einen 5 m breiten Bach getrennt sei) als unbegründet abgewiesen, wobei der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert wurde, dass ein bestimmter Punkt der Vorschreibungen zu entfallen habe.

Dagegen erhoben der nunmehrige Erstbeschwerdeführer einerseits sowie J. M. (in gesonderten Schriftsätzen) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers protokolliert zur Zl. 98/05/0044, hinsichtlich J. M. zur Zl. 98/05/0045).

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. August 1999, Zlen. 98/05/0044 und 0045, wurde der bekämpfte Berufungsbescheid (vom 27. Jänner 1998) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich die belangte Behörde mit dem Einwand der (damaligen) Beschwerdeführer, das zur Verarbeitung herangezogene Material sei asbesthältig und es müssten die sich daraus ergebenden Schadstoffemissionen ermittelt und in dem im Bauverfahren maßgeblich[en] medizi[ni]schen Gutachten allenfalls entsprechend berücksichtigt werden, hätte auseinander setzen müssen. Die belangte Behörde hätte sich auch mit den Einwendungen der (damaligen) Beschwerdeführer gegen das meteorologische Gutachten so wie mit (näher bezeichneten weiteren) Gutachten befassen müssen

[...].

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 23. November 1999 hat die belangte Behörde die Berufungen unter anderem der nunmehrigen Beschwerdeführer mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, gemäß §21 Abs1 des Burgenländischen Baugesetzes 1997, LGBl. Nr. 10/1998 (Bgld. BauG), seien Parteien im Bauverfahren

1.

der Bauwerber (Grundeigentümer oder andere Personen mit Zustimmung des Grundeigentümers),

2.

die Eigentümer der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke (Anrainer).

Das Bgld. BauG sei gemäß dessen §35 Abs1 mit 1. Februar 1998 in Kraft getreten, zufolge Abs2 dieses Paragraphen sei mit Inkrafttreten dieses Gesetzes die Burgenländische Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970 in der Fassung LGBl. Nr. 11/1994, außer Kraft getreten.

Keine der berufungswerbenden Parteien sei 'unmittelbar angrenzender Grundeigentümer an das Baugrundstück' [...]. Da keine anders lautenden Übergangsbestimmungen bestünden, sei für die Entscheidung der belangten Behörde als Berufungsbehörde die Rechtslage maßgeblich, die im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides gelte. Demnach habe die belangte Behörde die Bestimmungen des Bgld. BauG anzuwenden. Gemäß §21 Abs1 leg. cit. werde eindeutig klargestellt, wem im Bauverfahren nunmehr Parteistellung zukomme und in weiterer Folge dadurch die Möglichkeit der Erhebung von Einwendungen und Berufungen eröffnet werde. Nach der 'neuen Rechtslage' (Rechtslage nach dem Bgld. BauG) fehle den berufungswerbenden Parteien aber das Recht, Berufung zu erheben.

Dagegen richten sich die zu den Zlen. 2000/05/0002 bzw. 2000/05/0003 protokollierten Beschwerden.

[...] Verfahren Zl. 2001/05/0020:

Mit Eingabe vom 10. September 1998 kamen die weiteren Parteien des Beschwerdeverfahrens [...] bei der erstinstanzlichen Baubehörde um baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Segelhafens, von Kabanen, eines Versorgungshauses und eines Fahrradhauses auf dem Grundstück Nr. 5757/'368' im Gemeindegebiet ein. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 5757/291, welches ursprünglich an die Grundstücke Nr. 5757/1 einerseits und Nr. 5756 grenzte. Mit Teilungsplan vom 22. September 1998 wurde das Grundstück Nr. 5757/1 in die Grundstücke Nr. 5757/1 (neu) und Nr. 5757/362 andererseits geteilt. Dieser Teilungsplan wurde grundbücherlich durchgeführt (Beschluss des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 23. Juli 1999). Mit weiterem Teilungsplan vom 8. Juni 1999 wurde das Grundstück Nr. 5756 in die Grundstücke Nr. 5756/1 sowie Nr. 5756/2 geteilt. Auch dieser Teilungsplan wurde grundbücherlich durchgeführt (Beschluss des genannten Bezirksgerichtes vom 5. Oktober 1999). Nach den vorliegenden Planunterlagen sollen die beiden neuen Grundstücke Nr. 5757/362 sowie 5756/2 bebaut werden, wobei auf letzterem Grundstück das Fahrradhaus mit dem Müllplatz errichtet werden soll. Das Grundstück Nr. 5757/362 besteht flächenmäßig vorwiegend aus Wasser (Neusiedlersee), zum geringeren Teil aus Landfläche. Das 'Versorgungshaus' soll auf einer Landzunge (also auf festem Boden) errichtet werden, die insgesamt 67 Kabanen den Plänen zufolge auf der Wasserfläche. Die vorgenommene Grundteilung hat zur Folge, dass das Grundstück der Beschwerdeführerin von den zur Bebauung vorgesehenen Grundstücken nunmehr durch zwei winkelförmig angeordnete Grundstreifen mit einer Breite von jeweils rund 10 m (es finden sich in den Plänen Kotierungen von 10,01 m und 10,02 m) von den zur Bebauung vorgesehenen Flächen getrennt ist. Das Grundstück Nr. 5756/1 (neu) soll mit dem südlichsten Ende des zum Grundstück Nr. 5757/1 (neu) gehörigen Streifens als Einfahrt verwendet werden. Diese Zufahrtsstraße führt unter anderem entlang des Grundstückes der Beschwerdeführerin und trennt dieses vom Grundstück Nr. 5756/2 (das projektierte Fahrradhaus samt Müllplatz liegt somit in seiner gesamten Länge, von dieser Zufahrt getrennt, 'gegenüber' dem Grundstück der Beschwerdeführerin). Gegenüber der einen Schmalseite des Grundstückes der Beschwerdeführerin befindet sich, durch besagten ebenfalls rund 10 m breiten Grundstreifen (Wasserfläche) getrennt, welcher Teil des Grundstückes Nr. 5757/1 (neu) ist, die Landzunge mit dem Versorgungshaus (wobei auf Grund der Länge des Versorgungshauses nur ein Teil unmittelbar gegenüber jener Schmalseite des Grundstückes der Beschwerdeführerin zu liegen kommt). Gemäß der Aktenlage ist die Stadtgemeinde Neusiedl am See Eigentümerin dieser vier Grundstücke Nr. 5757/1 (neu), Nr. 5757/362, Nr. 5756/1, und Nr. 5756/2.

Mit Kundmachung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Neusiedl am See als Baubehörde erster Instanz vom 10. September 1999 wurde eine Bauverhandlung für den 30. September 1999 anberaumt, vor welcher die Beschwerdeführerin als Nachbarin umfangreiche Einwendungen erhob. Diese Bauverhandlung fand, wie sich aus den Akten ergibt, sodann nicht statt.

Mit Kundmachung vom 30. November 1999 wurde eine neuerliche Bauverhandlung für den 7. Dezember 1999 anberaumt. Die Beschwerdeführerin (die hiezu nicht geladen worden war) erhob abermals umfangreiche Einwendungen gegen das Vorhaben (die, mit Telekopie eingebracht, bei der Baubehörde am Tag vor der Verhandlung einlangten). Sie machte insbesondere geltend, dass projektbedingt (Müllplatz, 56 Parkplätze, 67 Kabanen und ebenso viele Stellplätze für Segelschiffe) störende Immissionen (durch 'Verkehr, Lärm, Müll sowie Gewässerverunreinigungen') zu erwarten seien. Sie beantragte unter anderem, ihr die 'Partei' (Anrainer-) Stellung' zuzuerkennen, ihre Einwendungen zu beachten und das Bauprojekt nicht zu genehmigen, in eventu es nur teilweise bzw. mit Auflagen zu genehmigen [...].

Die Beschwerdeführerin erschien mit ihrem Rechtsfreund zur Bauverhandlung vom 7. Dezember 1999, ihr wurde aber vom Verhandlungsleiter die Teilnahme verwehrt (ihrem Vorbringen zufolge mit der Begründung, ihr komme keinerlei Parteistellung zu).

Mit Bescheid vom 9. Dezember 1999 wurde der Bauwerberin die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt; dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin nicht zugestellt.

Mit dem als 'Erinnerung' überschriebenen Schriftsatz vom 10. Dezember 1999 bekräftigte die Beschwerdeführerin gegenüber der Baubehörde ihren Standpunkt, ihr komme 'zumindest Beteiligtenstellung' zu. Sie wäre berechtigt gewesen, an der Bauverhandlung teilzunehmen. Ihr Vorbringen wäre zum Akt zu nehmen und es wäre darüber zu entscheiden gewesen, zumal über ihre rechtzeitig erhobenen Einwendungen vom 6. Dezember 1999 noch nicht entschieden worden sei und sie zumindest so lange als Partei zu behandeln sei, als sie dies behaupte und ihr die Parteistellung nicht rechtskräftig aberkannt worden sei.

Mit dem am 28. Juni 2000 eingelangten Devolutionsantrag (vom 26. Juni 2000) brachte die Beschwerdeführerin unter anderem vor, da die Baubehörde ohne vertretbaren Grund nicht nur ihre Parteistellung verneint habe, sondern sich auch weigere, diesbezüglich zu entscheiden und der Beschwerdeführerin damit die Möglichkeit genommen werde, sich am Bauverfahren als Partei zu beteiligen, beantrage sie, es möge nunmehr der Gemeinderat entscheiden, sei es, dass er die Einwendungen mangels Parteistellung zurückweise, sei es, dass er die Einwendungen als formal berechtigt ansehe und auch darüber im Rahmen des Bauverfahrens durch Erlassung eines Bescheides entscheide.

Mangels Entscheidung über ihre Begehren erhob die Beschwerdeführerin die gegenständliche, zur Zl. 2001/05/0020 protokollierte Säumnisbeschwerde (Postaufgabe am 23. Jänner 2001, tags darauf beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt). Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2001 wurde gemäß §35 Abs3 VwGG das Vorverfahren eingeleitet und die Beschwerde der belangten Behörde gemäß §36 Abs2 VwGG mit der Aufforderung zugestellt, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, und dazu gemäß §36 Abs1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen (Die Zustellung an die belangte Behörde erfolgte am 5. Februar 2001).

Die belangte Behörde hat den versäumten Bescheid nicht nachgeholt, vielmehr die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Auffassung vertreten, sie habe sich hinsichtlich der 'Einräumung einer Parteistellung [...] nicht nur auf die einschlägigen und unmissverständlich formulierten Bestimmungen des Burgenländischen Baugesetzes, sondern auch auf die ständige, eindeutige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gestützt. Da Einwendungen, die von Personen oder deren Rechtsvertreter, die keine Parteistellung besitzen, im Verfahren auch nicht zu berücksichtigen sind, hat die Gemeinde demnach auch keinen Verfahrensmangel begangen'."

4. Zur Frage der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung des Burgenländischen Baugesetzes führt der Verwaltungsgerichtshof aus:

"Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, dass die zur Zl. 2001/05/0020 protokollierte Säumnisbeschwerde formell zulässig ist und mangels einer Entscheidung durch die in jenem Verfahren belangte Behörde die diesbezügliche Entscheidungspflicht auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen ist.

In allen drei Anlassverfahren ist insbesondere strittig, ob den jeweiligen Beschwerdeführern im zugrundeliegenden Bauverfahren Parteistellung zukommt.

Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, dass diese Frage primär nach §21 Bgld. BauG zu beurteilen ist.

Zum Anfechtungsumfang wird aus Zweckmäßigkeitsgründen im Zusammenhang mit der Darstellung der Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes Stellung genommen werden."

5. Seine Bedenken gegen die angefochtene Regelung legt der Verwaltungsgerichtshof schließlich wie folgt dar:

"Der Burgenländische Landesgesetzgeber hat mit §21 Abs1 Z. 2 Bgld. BauG die Parteistellung des Nachbarn im Bauverfahren unmissverständlich auf die als 'Anrainer' bezeichneten Eigentümer der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke beschränkt. Diese Definition entspricht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch dem allgemeinen Sprachgebrauch. Der Begriff 'Nachbar' als der weitere Begriff findet sich im §3 Z. 5 leg. cit.; in den Erläuternden Bemerkungen (Ausschussbericht, Beilage 266 zu den Stenographischen Protokollen des Burgenländischen Landtages,

XVII. Gesetzgebungsperiode) heißt es demgemäß zu §3, die Behörde habe im Bauverfahren die von einem Bau zu erwartenden Beeinträchtigungen der Nachbarn von Amts wegen zu prüfen, wobei sich die Prüfung nicht nur auf die Anrainer beziehe. Der Begriff Nachbar in Z. 5 [des §3] gehe über den Begriff des Anrainers im Sinne des §21 (derjenige, dessen Grundstücke an das Baugrundstück unmittelbar angrenze) hinaus. Unter Nachbarn im Sinne der Z. 5 seien jene Personen zu verstehen, die in der Umgebung des Bauvorhabens wohnten oder arbeiteten und von dessen Auswirkungen betroffen sein könnten.

Diese im §21 leg. cit. normierte drastische Beschränkung der Parteistellung der Nachbarn auf 'Anrainer' (also auf 'unmittelbare Nachbarn') erscheint dem Verwaltungsgerichtshof unsachlich:

In seinem Erkenntnis VfSlg. 10.844/1986 zu §7 Abs1 Z. 1 lita des Salzburger Baupolizeigesetzes hatte der Verfassungsgerichtshof an seine bisherige Rechtsprechung angeknüpft und ausgeführt:

'Der VfGH vermag keine Verfassungsbestimmung zu finden, nach der es dem Gesetzgeber verwehrt wäre, die Parteistellung für Nachbarn im Baubewilligungsverfahren, in dem es (bloß) auf die Wahrung baurechtlicher Interessen - nicht aber sonstiger, in anderen, insbesondere im gewerberechtlichen Verfahren zu wahrender Belange - ankommt, auf Personen zu beschränken, bei denen nach einer Durchschnittsbetrachtung der typischerweise vom Bauwerk selbst ausgehenden Gefahren durch eine Bauführung Nachbarinteressen betroffen werden. Wenn der Gesetzgeber unter diesem Gesichtspunkt die Parteistellung als Nachbar den Personen einräumt, deren Grundstücke von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt sind, als im §7 Abs1 Z1 lita festgelegt ist, kann ihm ebenso wenig vorgeworfen werden, eine unsachliche Abgrenzung unter den als Nachbarn in Betracht kommenden Personen vorgenommen zu haben, wie es ihm unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes verwehrt wäre, im Hinblick auf die Besonderheiten der Gefährdungen bei Bauten mit erhöhten Anforderungen den Kreis der Personen, denen als Nachbarn Parteistellung zukommt, auszudehnen. Der Umstand, dass von den Bf. eine Regelung als rechtspolitisch wünschenswert erachtet wird, wonach bei Bauten mit erhöhten Anforderungen auch Eigentümern, deren Grundstücke von der Front des Baues weiter als 15 m entfernt sind, Parteistellung einzuräumen wäre (vgl. die Ausführungen bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, Eisenstadt 1980, S 138, 241), begründet keine Bedenken dahin, dass die geltende Bestimmung des §7 Abs1 Z1 lita BauPolG als eine gegen das Gleichheitsgebot verstoßende Regelung zu qualifizieren wäre.'

Der Verfassungsgerichtshof hat an dieser Auffassung auch jüngst in seinem Beschluss vom 29. Juni 2000, B304/00-6 (amtswegige Prüfung des §25 Abs2 erster Satz der Tiroler Bauordnung 1998), festgehalten und unter anderem weiter ausgeführt, er halte es für gerechtfertigt, dass dem Nachbarn ein Mitspracherecht nur hinsichtlich der Einhaltung jener raumordnungsrechtlichen und baurechtlichen Bestimmungen eingeräumt werde, die nicht nur dem öffentlichen, sondern auch dem besonderen Interesse der Nachbarschaft dienten.

In diesem Beschluss vom 29. Juni 2000 hat der Verfassungsgerichtshof weiters dargelegt, er hege auch Bedenken gegen die '5 m - Grenze' des §25 Abs2 der Tiroler Bauordnung 1998; diese Grenze von 5 m erscheine willkürlich gegriffen und in keinem Zusammenhang mit den dem Nachbarn einzuräumenden subjektiven öffentlichen Rechten zu stehen. Der Verfassungsgerichtshof habe zwar in seinem Erkenntnis VfSlg. 10.844/1986 eine Grenzziehung bei der Festlegung der Parteistellung für zulässig erachtet, jedoch scheine die im §7 Abs1 Z. 1 lita des Salzburger Baupolizeigesetzes normierte 15 m - Grenze im auffallenden Gegensatz zu der im §25 Abs2 TBO vorgenommenen Grenzziehung zu stehen, weshalb der Verfassungsgerichtshof Bedenken ob ihrer Sachlichkeit hege.

Vor diesem Hintergrund hegt der Verwaltungsgerichtshof Bedenken hinsichtlich der Sachlichkeit der im §21 Bgld. BauG normierten Einschränkung der Parteistellung von Nachbarn auf Eigentümer unmittelbar angrenzender Grundstücke. Dem Verwaltungsgerichtshof ist dabei klar, dass nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes Regelungen verfassungskonform sein könnten, wonach den Beschwerdeführern in den Bescheidbeschwerdeverfahren betreffend die Asphaltmischanlage aufgrund der Entfernung ihrer Liegenschaften zum Bauplatz keine Parteistellung als Nachbarn zukommen könnte; eine solche Regelung liegt aber hier nicht vor. Es soll auch der Gemeinde Neusiedl am See nicht unterstellt werden, dass sie die Grundteilung aus unsachlichen Gründen vorgenommen hätte, um die Beschwerdeführerin im Säumnisbeschwerdeverfahren gleichsam 'auszuschalten', weil es hier in Bezug auf die dargelegten Bedenken gegen §21 Bgld. BauG auf die Gründe für diese Grundteilung nicht ankommt.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist eine Aufhebung derart zu begrenzen, dass nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Beseitigung einer festgestellten Verfassungswidrigkeit erforderlich ist.

Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, dass §21 Abs1 Bgld. BauG ein geschlossenes System bildet, also die Z. 2 in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Rest dieses Absatzes steht; mit anderen Worten, eine Aufhebung bloß der Z. 2 dieses Absatzes dessen Sinngehalt verändern wurde.

§21 Abs1 Z. 2 leg. cit. definiert den Begriff der 'Anrainer' als 'Eigentümer der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke'. Diese Definition entspricht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes dem allgemeinen Sprachgebrauch. Damit wäre der Begriff 'Anrainer' im §21 Abs2 und Abs4 ebenfalls in diesem Sinne zu verstehen, womit diese Absätze gleichermaßen im zuvor aufgezeigten Sinn unsachlich erscheinen. Die Abs3 und 5 stehen wiederum in einem inneren, aus dem gegenständlichen Blickwinkel untrennbar erscheinenden Zusammenhang mit den Abs1, 2 und 4, sodass ebenfalls deren Aufhebung beantragt wird. Der Primärantrag des Verwaltungsgerichtshofes ist daher auf Aufhebung der Abs1 bis 5 des §21 gerichtet.

Der Eventualantrag wird für den Fall gestellt, dass der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten sollte, nach Aufhebung des genannten Abs1 könnte der Begriff 'Anrainer' in den Abs2 und 4 dieses Paragraphen verfassungskonform ausdehnend als 'Nachbarn' schlechthin (also ohne Einschränkung auf die Eigentümer der an das Baugrundstück angrenzenden Baugrundstücke) ausgelegt werden."

6. Die Burgenländische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung des Antrags des Verwaltungsgerichtshofs begehrt und seinen Ausführungen Folgendes entgegenhält:

"1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung (s. etwa VfSlg. 15.274/1998 mit ausführlichen Hinweisen auf die Vorjudikatur), dass grundsätzlich keine Verfassungsnorm bestehe, die Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantiert. Den Umfang der Parteirechte in einem Verwaltungsverfahren bestimme der einfache Gesetzgeber. Das die Parteirechte bestimmende Gesetz könne allerdings aus dem Grund mangelnder Determiniertheit oder wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrig sein.

2.a) Der Gesetzgeber ist (nach Maßgabe der eben zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs) unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgebots verhalten, eine differenzierte Behandlung bei verschiedenen tatsächlichen Gegebenheiten zu normieren.

b) Das Burgenländische Baugesetz 1997 geht nach Ansicht der Burgenländischen Landesregierung aus folgenden Überlegungen von einem derartig sachlich gerechtfertigten differenzierten Nachbarbegriff aus:

Den an ein Baugrundstück unmittelbar angrenzenden Grundeigentümern kommt Parteistellung zu, ohne dass damit die subjektiven öffentlichen Nachbarrechte eingeschränkt würden (vgl. §21 Abs4 des Burgenländischen Baugesetzes 1997, wonach, wenn die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften [z.B. Bauverordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien] behauptet wird, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Anrainer dienen [öffentlichrechtliche Einwendung], die Baubehörde hierüber im Bescheid zu erkennen hat und gegebenenfalls die Baubewilligung versagen oder die Einwendung als unbegründet abweisen und die Baubewilligung erteilen muss).

Die Rechte der übrigen Grundstückseigentümer, die im Regelfall von Emissionen eines Bauvorhabens nicht so massiv betroffen sind, werden (wie insbesondere auch aus den gleich unten in P. c zitierten parlamentarischen Materialien zu §3 des Burgenländischen Baugesetzes 1997 hervorgeht) von Amts wegen geschützt. Dabei kann den Baubehörden im Zuge der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der hier angefochtenen gesetzlichen Regelungen nicht von Vornherein unterstellt werden, dass sie dieser amtswegig wahrzunehmenden Aufgabe im Rahmen der Prüfung gemäß §3 Z5 des Burgenländischen Baugesetzes 1997 nicht nachkommen, sodass von Gesetzes wegen ein gleichwertiger Schutz für die Anrainer und Nachbarn gewährleistet ist. Im Falle der Unterlassung der Wahrnehmung des Schutzes für die Nachbarn greifen im Übrigen, wie ergänzend anzumerken ist, insbesondere Regelungen über die Amtshaftung und den Amtsmissbrauch.

c) Die aus den vom Verwaltungsgerichthof angefochtenen Gesetzesbestimmungen zum Ausdruck kommende Differenzierung im Tatsachenbereich ist somit in der Entfernung der Grundeigentümer zum Bauvorhaben zu sehen, wobei den Eigentümern unmittelbar angrenzender Grundstücke, die von allfälligen Immissionen im Regelfall am stärksten betroffen sind, als Rechtsfolge auch Parteistellung zukommt. Die vom Landesgesetzgeber hier getroffenen Regelungen entsprechen somit dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot des Art7 Abs1

B-VG.

Insbesondere sollen durch die hier in Rede stehenden Bestimmungen des §21 des Burgenländischen Baugesetzes 1997 von oftmals weit entfernten Grundstückseigentümern (allenfalls auch mutwillig) erhobene Behauptungen von Rechtsverletzungen hintangehalten werden, die in der Praxis nicht selten Baubewilligungsverfahren durch offenkundig unbegründete Einwendungen bzw. Erhebungen von Rechtsmitteln - im Falle des Wegfalls der vom Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bestimmungen - in sachlich nicht gerechtfertigter Weise verzögern könnten. Durch die amtswegige Wahrnehmung allfälliger Gefährdungen oder Beeinträchtigungen von Nachbarn bleibt jedoch eine gefahrenabwehrende Schutzpflicht für die Baubehörde jedenfalls bestehen. Der Verwaltungsgerichtshof weist in diesem Zusammenhang im Übrigen zutreffend auf die Bezug habenden Ausführungen in den parlamentarischen Materialien (Ausschussbericht) betreffend §3 des Burgenländischen Baugesetzes 1997 hin, wonach etwaige Beeinträchtigungen der Nachbarn (nicht bloß Anrainer als unmittelbar angrenzende Grundstückseigentümer an das Baugrundstück) ohnehin amtswegig zu prüfen sind.

Parallel dazu ist im Übrigen auch - im Gegensatz zu gewerblichen Betriebsanlagen - ein zivilrechtlicher Rechtsschutz im Sinne des §364a ABGB gegeben. Seit SZ 48/15 und SZ 48/45 vertritt der OGH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass hinsichtlich baubehördlicher Bewilligungen die Voraussetzung der behördlich genehmigten Anlage nach §364a ABGB nicht erfüllt wird, sodass Nachbarn (auch Anrainer) die von solchen Anlagen ausgehenden wesentlichen und ortsunüblichen Einwirkungen jedenfalls zivilrechtlich wirksam geltend machen können.

d) Ergänzend ist zu bemerken, dass die in §21 des Burgenländischen Baugesetzes 1997 enthaltene Regelung über die Parteistellung der Vereinfachung und Beschleunigung der Baubewilligungsverfahren dient und somit insbesondere im Dienste der Gebote der möglichsten Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit staatlichen Handelns steht. Auch dieser Aspekt ist bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der vom Verwaltungsgerichtshofangefochtenen Gesetzesbestimmungen zu beachten."

7. Die Beschwerdeführerin zur Zl. 2001/05/0020 erstattete eine Äußerung.

8. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen zu den Zlen. 2000/05/0002 und 2000/05/0003 erstatteten ebenfalls eine Äußerung.

9. Die Burgenländische Landesregierung erstattete zu den Äußerungen der mitbeteiligten Parteien eine ergänzende Stellungnahme.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Der Verfassungsgerichtshof geht entsprechend seiner ständigen Judikatur (z.B. VfSlg. 15.199/1998 und das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2002, G7/02 u.a. Zlen. mwN) davon aus, dass er nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung ein Gericht, das einen Gesetzesprüfungsantrag gemäß Art140 Abs1 B-VG stellt, an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache vorgreifen würde. Ein Antrag gemäß Art140 Abs1 B-VG darf daher vom Verfassungsgerichtshof mangels Präjudizialität nur dann zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig, also gleichsam denkunmöglich ist, dass die angefochtene Gesetzesbestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung eines Gerichts im Anlassfall bildet.

Der Verfassungsgerichtshof hegt im vorliegenden Fall keinen Zweifel darüber, dass der Verwaltungsgerichtshof die von ihm angefochtene Bestimmung sowohl im Verfahren zu den Zlen. 2000/05/0002 und 2000/05/0003 - mit dem dort angefochtenen Bescheid wurden die Berufungen der Beschwerdeführer unter Berufung auf §21 Abs1 Blgd. BauG mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen - als auch im Verfahren zur Z2001/05/0020 - die Zuständigkeit zur Entscheidung der Frage der Parteistellung gemäß §21 Abs1 Bgld. BauG ist infolge Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen - anzuwenden hätte. Der Antrag ist daher grundsätzlich zulässig; auf die Frage, ob der Primärantrag oder der Eventualantrag zulässig ist, wird im Zusammenhang mit der Erörterung in der Sache eingegangen werden.

2. Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist auch in der Sache begründet:

2.1. Festzuhalten ist zunächst, dass sich der Verfassungsgerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken hat (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 12.947/1991, 13.471/1993, G174/01 vom 1. März 2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrags dargelegten Gründen verfassungswidrig ist.

Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich in der Begründung seines Antrags u.a. auf die Ausführungen in dem zu B304/00 gefassten Prüfungsbeschluss vom 29. Juni 2000 betreffend die Bedenken ob der Sachlichkeit jener Regelung des §25 Abs2 erster Satz Tiroler Bauordnung 1998, gemäß der Nachbarn ua. nur Eigentümer solcher Grundstücke sind, die vom Bauplatz nur durch ein höchstens 5m breites Grundstück getrennt sind. Im Erkenntnis VfSlg. 16.040/2000 ist der Verfassungsgerichtshof jedoch auf die Frage der Sachlichkeit der "5m-Grenzziehung" nicht mehr eingegangen, weil er den gesamten ersten Satz des §25 Abs2 Tiroler Bauordnung 1998 deshalb als unsachlich erachtet hat, da dessen enger Nachbarbegriff das - als Konsequenz der Aufhebung des §25 Abs2 letzter Satz TBO durch das Erkenntnis VfSlg. 15.581/1999 bewirkte - weiter gehende Mitspracherecht des Nachbarn unterlaufen würde.

Vor dem Hintergrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in dem genannten Prüfungsbeschluss hegt der Verwaltungsgerichtshof Bedenken hinsichtlich der Sachlichkeit der im §21 Bgld. BauG normierten Einschränkung der Parteistellung von Nachbarn auf Eigentümer unmittelbar angrenzender Grundstücke.

Der Verfassungsgerichtshof teilt die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Vorjudikatur stets im Einzelfall geprüft, ob die Differenzierung der Parteirechte in Bezug auf die Regelung wesentlich und andererseits im Hinblick auf die im jeweiligen Verwaltungsverfahren zu berücksichtigenden Interessen durch Unterschiede im Tatsächlichen begründet ist. Er hat die Beschränkung der Parteistellung auf Grundeigentümer, deren Grundstücke in einer bestimmten Entfernung vom Grundstück des Bauwerbers gelegen sind, dann für sachlich angesehen, wenn diese Grundeigentümer nach einer Durchschnittsbetrachtung der typischerweise vom Bauwerk selbst ausgehenden Gefahren durch eine Bauführung in ihren durch das Gesetz geschützten Interessen betroffen werden (vgl. VfSlg. 10.844/1986 - auszugsweise wiedergegeben in Punkt I 5.).

Gemäß §21 Abs1 Bgld. BauG hat nur der Eigentümer eines an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes als Anrainer Parteistellung. Nur er kann gemäß §21 Abs2 leg. cit. gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass er durch das Vorhaben in seinen Rechten verletzt wird. Gemäß §21 Abs4 leg. cit. kann weiters nur der Anrainer mit Erfolg die Verletzung von Vorschriften des Bgld. BauG oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften (z.B. Bauverordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien) einwenden und damit gegebenenfalls erreichen, dass die Baubewilligung versagt wird. Nur der Anrainer kann auch über die Erhebung von Einwendungen, die Ergreifung von Rechtsmitteln gegen die die Einwendungen abweisenden Entscheidungen und über die Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit des dem Bauvorhaben zugrundeliegenden Flächenwidmungsplans oder des Bebauungsplans erreichen.

Gemäß §3 Bgld. BauG sind Bauvorhaben nur auf für die Bebauung geeigneten Grundstücken zulässig, wenn sie

1.

dem Flächenwidmungsplan, dem Bebauungsplan/ Teilbebauungsplan oder den Bebauungsrichtlinien nicht widersprechen,

2.

den Bestimmungen dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen entsprechen,

3.

nach Maßgabe des Verwendungszweckes dem Stand der Technik, insbesondere bezüglich

a)

Festigkeit und Standsicherheit

b)

Benützungssicherheit und Barrierefreiheit

c)

Wärmeschutz und Energieeinsparung

d)

Schall- und Brandschutz

e)

Feuchtigkeitsschutz, Gesundheit und Hygiene entsprechen,

4.

das Orts- oder Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigen,

5.

durch ihre bestimmungsgemäße Benützung eine Gefährdung oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigungen der Nachbarn nicht erwarten lassen sowie

6.

verkehrsmäßig erschlossen sind und ihre Ver- und Entsorgung gewährleistet ist.

Die Burgenländische Landesregierung sieht die durch das ausschließliche Anknüpfen an die Tatsache, ob das Nachbargrundstück an das Grundstück des Bauwerbers angrenzt, bewirkte Differenzierung der Parteistellung als sachlich gerechtfertigt an, weil die Eigentümer unmittelbar angrenzender Grundstücke von allfälligen Immissionen im Regelfall am stärksten betroffen seien. Bei den übrigen Nachbarn, die im Regelfall von Emissionen eines Bauvorhabens nicht so massiv betroffen seien, reiche ein Schutz ihrer Rechte im Rahmen der amtswegigen Prüfung, ob das Bauvorhaben gemäß §3 des Bgld. BauG zulässig ist, aus. Durch die der Vereinfachung und Beschleunigung der Baubewilligungsverfahren dienende Regelung des §21 Abs1 leg. cit. sollten von oftmals weit entfernten Grundstückseigentümern (auch mutwillig) erhobene Behauptungen von Rechtsverletzungen hintangehalten werden, die in der Praxis nicht selten Baubewilligungsverfahren durch offenkundig unbegründete Einwendungen bzw. Erhebung von Rechtsmitteln in sachlich nicht gerechtfertigter Weise verzögern könnten. Außerdem sei für den benachbarten Grundeigentümer ein zivilrechtlicher Rechtsschutz im Sinne des §364a ABGB gegeben.

Die von der Landesregierung ins Treffen geführten Argumente mögen auf jene Fälle zutreffen, in denen der Anrainer z.B. die Einhaltung des Seitenabstandes gegenüber seinem Grundstück geltend macht. Zieht man jedoch auch jene Fälle in die Betrachtung mit ein, in denen sich der Anrainer gemäß §21 Abs4 Bgld. BauG gegen die vom Betrieb eines Gebäudes ausgehenden Emissionen zu Wehr setzen will, so ist die Argumentation der Landesregierung insoweit nicht zielführend. Die Landesregierung bedenkt nämlich nicht ausreichend, dass sich - selbst ausgehend von einer Durchschnittsbetrachtung - die Betroffenheit eines Grundeigentümers durch Emissionen einer bestimmten vom Gesetzgeber geregelten Intensität, und damit die Betroffenheit in subjektiven öffentlichen Nachbarrechten nicht auf jene Fälle beschränkt, in denen das Grundstück des betroffenen Grundeigentümers an das zu bebauende Grundstück angrenzt.

Der Verfassungsgerichtshof findet jedenfalls keine sachliche Rechtfertigung dafür, dass etwa im Fall des Aufeinandertreffens von Bauland-Wohngebiet und Bauland-Industriegebiet nur der unmittelbar angrenzende Grundstückseigentümer die Möglichkeit haben soll, die Überprüfung des Flächenwidmungsplans an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts heranzutragen, während der nur geringfügig vom Baugrundstück entfernte, aber durch Emissionen gleichermaßen betroffene Grundstückseigentümer die im Sinne des rechtsstaatlichen Prinzips gebotene Beseitigung einer gesetzwidrigen Flächenwidmung aus der Rechtsordnung nicht erreichen kann. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 15.581/1999 ausgesprochen hat, steht dem Nachbarn mangels Anwendbarkeit der raumordnungsrechtlichen Vorschriften im Verfahren nach §364a Abs2 ABGB keine Möglichkeit offen, die allfällige Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplans geltend zu machen.

Die im §21 Abs1 Z2 Bgld. BauG vorgenommene Differenzierung zwischen Eigentümern, deren Grundstück an das Baugrundstück angrenzt, und solchen, die z.B. nur durch einen Grundstücksstreifen vom Baugrundstück getrennt sind, entbehrt daher einer sachlichen Rechtfertigung.

2.2. Zum Aufhebungsumfang:

Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 8155/1977 zusammenfassend dargelegt hat und seither in ständiger Rechtsprechung festhält, ist der Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Norm derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, hat der Verfassungsgerichtshof in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl. dazu VfSlg. 10.936/1986 und in den Ergebnissen VfSlg. 10.384/1985 und VfSlg. 11.574/1987). Es ist dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, der Norm durch Aufhebung bloßer Teile einen völlig veränderten, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt zu geben, weil dies im Ergebnis geradezu ein Akt positiver Gesetzgebung wäre (VfSlg. 12.465/1990, 128). Der Verfassungsgerichtshof hält an diesen Grundsätzen, die sowohl auf von Amts wegen als auch auf auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zutreffen (so VfSlg. 8155/1977, 13.701/1994), fest.

Im Hinblick auf die eben beschriebenen Grundsätze erweist sich der Hauptantrag des Verwaltungsgerichtshofes als zulässig: Zum einen regelt §21 Abs1 Bgld. BauG - als lex specialis zu §8 AVG - erschöpfend die Parteistellung im Bauverfahren und stellt damit eine in sich geschlossene Einheit dar. Eine Aufhebung nur der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren präjudiziellen Bestimmung des §21 Abs1 Z2 Bgld. BauG betreffend die Parteistellung der Anrainer im Bauverfahren hätte die vom burgenländischen Landesgesetzgeber jedenfalls nicht beabsichtigte Konsequenz zur Folge, dass im Bgld. BauG ausdrücklich nur die Parteistellung des Bauwerbers im Bauverfahren normiert wäre. Die allfällige Parteistellung der Nachbarn würde sich dann aus den gemäß §8 AVG aus dem Bgld. BauG zu erschließenden Rechtsansprüchen und rechtlichen Interessen der Nachbarn ergeben. Der verbleibende Teil des §21 Abs1 leg. cit. erhielte somit einen gänzlich sinnveränderten Inhalt, sodass vor dem Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung im Ergebnis der gesamte Abs1 der angefochtenen Regelung als verfassungswidrig aufzuheben ist.

Zum anderen räumen §21 Abs2 und 4 Bgld. BauG dem - im Sinne des §21 Abs1 Z2 leg. cit. definierten - Anrainer bestimmte Rechte ein. Im Hinblick darauf, dass der Begriff des Anrainers (im engeren Sinn verstanden) das Vorhandensein eines gemeinsamen Rains zwischen dem Baugrundstück und dem benachbarten Grundstück erfordert, erweist sich die Regelung auch bei Wegfall des §21 Abs1 Z2 als unsachlich. Würde man hingegen den Begriff des Anrainers (im weiteren Sinn) als Grundeigentümer, die von den Auswirkungen des Bauvorhabens in ihren subjektiven öffentlichen Rechten betroffen sein können, verstehen, so hätte eine solche Auslegung ebenfalls eine vom Burgenländischen Landesgesetzgeber nicht intendierte und verfassungsrechtlich auch nicht gebotene Ausweitung der Parteistellung zur Folge. Daher sind die Abs2 und 4 des §21 Bgld. BauG ebenfalls als verfassungswidrig aufzuheben. Schließlich stehen die Abs3 und 5, wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausführt, in einem untrennbaren Zusammenhang mit den Regelungen der Abs1, 2 und 4, sodass auch diese Bestimmungen aufzuheben waren.

Der Hauptantrag des Verwaltungsgerichtshofs entspricht daher den oben dargestellten Anforderungen bezüglich des Aufhebungsumfanges. Da auch die Bedenken ob der Gleichheitswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen zutreffen, waren die Abs1 bis 5 des §21 des Bgld. BauG als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Es war auszusprechen, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten. Dieser Ausspruch stützt sich auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

4. Im Hinblick auf eine allfällige Ersatzregelung war für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung eine Frist bis 31. Oktober 2004 zu bestimmen. Der diesbezügliche Ausspruch beruht auf Art140 Abs5 vorletzter und letzter Satz B-VG.

5. Die dem Landeshauptmann von Burgenland auferlegte Kundmachungspflicht ergibt sich aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG iVm §64 Abs2 VfGG.

6. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

Baurecht, Baubewilligung, Nachbarrechte, Rechtsstaatsprinzip, Verwaltungsverfahren, Parteistellung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G222.2001

Dokumentnummer

JFT_09969073_01G00222_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten