TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/10 2006/05/0126

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Veröffentlicht am 10.09.2008
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Index

L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Kärnten;
L82000 Bauordnung;
L82002 Bauordnung Kärnten;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §19 Abs2;
AVG §41 Abs1 idF 2004/I/010;
AVG §41 Abs2 idF 2004/I/010;
AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §42 idF 2004/I/010;
AVG §8;
AVG §82 Abs7 idF 1998/I/158;
BauO Krnt 1996 §23 Abs1;
BauO Krnt 1996 §23 Abs3;
BauO Krnt 1996 §23 Abs5;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. der CJ und 2. des MJ, beide in Pischeldorf, beide vertreten durch Dr. Frank Kalmann und Dr. Karlheinz De Cillia, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Pernhartgasse 3, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 17. März 2006, Zl. 7-B-BRM-880/9/2006, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: M in Pischeldorf, vertreten durch Dr. Gerhard Fink, Dr. Peter Bernhart und Dr. Bernhard Fink, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insofern wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als mit ihm der Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde Völkermarkt vom 8. September 2005, soweit er sich auf die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Holzlagernebengebäudes bezogen hat, aufgehoben wurde und die Angelegenheit in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde Völkermarkt zurückgewiesen wurde.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführerenden Bauwerber sind Eigentümer der Liegenschaft Salchendorf 30, 9064 Pischeldorf, dem Mitbeteiligten (im Folgenden: Nachbar) gehört die ostseitig angrenzende Liegenschaft Salchendorf 29.

Mit Schreiben vom 25. März 2005 suchten die Beschwerdeführer um die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines Carports, eines Holzlagers (in Form eines Gebäudes) und einer Sicht- und Lärmschutzwand auf ihrer Liegenschaft an. Mit Kundmachung vom 19. April 2005 beraumte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Völkermarkt (im Folgenden: Bürgermeister) unter Hinweis auf § 42 AVG eine örtliche mündliche Bauverhandlung für den 26. April 2005 an. Einem Aktenvermerk der Baubehörde ist zu entnehmen, dass am 25. April 2005 der Gattin des Nachbarn ein Lageplan mit Situierung aller Bauvorhaben ausgefolgt worden sei.

Im Zuge der Bauverhandlung äußerte der Nachbar Bedenken hinsichtlich einer Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes durch die Sicht- und Lärmschutzwand; die Sicht- und Lärmschutzwand stimme nicht mit dem Bebauungsplan überein. In der Verhandlungsniederschrift wurde durch Vermerk zwischen den Zeilen und am Rand festgehalten, die Einwendungen bezögen sich ausschließlich auf die Sicht- und Lärmschutzwand.

Am 4. Mai 2005 sprach der Nachbar bei der Behörde vor und gab an, er hätte sich gegen alle verhandlungsgegenständlichen Bauvorhaben ausgesprochen; die Verhandlungsschrift, wonach Einwendungen nur gegen die Errichtung der Sicht- und Lärmschutzwand erhoben wurden, sei nicht richtig. Auf Anfrage des Bürgermeisters teilten der Verhandlungsleiter und der bautechnische Amtsachverständige mit Schreiben vom 10. Mai 2005 hinsichtlich des Ablaufes der Bauverhandlung mit, das gesamte Bauvorhaben sei ausführlich erläutert worden, die mitbeteiligte Partei hätte Bedenken nur gegen die Errichtung der Sicht- und Lärmschutzwand wegen einer Beeinträchtigung des Landschaftsbeziehungsweise Ortsbildes gehabt. Der bautechnische Amtsachverständige habe ausdrücklich erklärt, die geplante Sicht- und Lärmschutzwand beeinträchtige das Ortsbild nicht, diese Wand werde durch eine ca. 4 m hohe Laubhecke auf der Grundstücksgrenze abgedeckt. Die Verhandlungsschrift sei nach Fertigstellung verlesen und von den Anwesenden unterfertigt worden. Nach der Unterfertigung habe der Nachbar den Verhandlungsleiter gebeten anzumerken, seine Einwendungen hätten sich nur gegen die Sicht- und Lärmschutzwand gerichtet, diesen Nachsatz habe der Verhandlungsleiter zwischen den Zeilen und am Rand der Verhandlungsschrift angemerkt.

Mit Bescheid vom 3. Juni 2005 erteilte der Bürgermeister unter einer Reihe von Auflagen die Baubewilligung zur Errichtung des Carports, eines (nunmehr so bezeichneten) Holzlagernebengebäudes und einer Sicht- und Lärmschutzwand. Mit dem Genehmigungsvermerk der Baubehörde versehen wurde unter anderem ein Lageplan 1:250, der alle Vorhabensbestandteile und insbesondere die Grundgrenze zum Nachbarn enthält. Die Nordrichtung ist auf diesem Plan nicht eingetragen. Der Plan enthält aber die handschriftliche Einfügung, dass der Abstand zwischen dem Holzlagernebengebäude und der Grundgrenze 0,50 m betrage, wobei diese Einfügung von einem Organwalter der Baubehörde stammt und von diesem samt Siegel der Gemeinde unterfertigt wurde. Mit dem Genehmigungsvermerk der Baubehörde versehen ist weiters der Plan "Grundriss Holzlager Wildzaun u. Sichtschutz M-1:100", der eine Eintragung der Nordrichtung enthält. Auch dort ist der Abstand von 0,50 m handschriftlich von Seiten der Baubehörde eingetragen, die Eintragung im Plan (0,25) ist durchgestrichen. Weiters ist mit dem Genehmigungsvermerk versehen der Plan "Ansichten u. Schnitt Holzlager M-1:100". Nach dem Grundrissplan soll dieses Gebäude eine Länge von 8,0 m und eine Tiefe von 4,0 m aufweisen. Aus dem Ansichts- und Schnittplan ist ersichtlich, dass, dem Geländeverlauf folgend, das Gebäude in zwei Teilen mit unterschiedlichen Höhen ausgeführt wird, sodass das aufsteigende Mauerwerk gegenüber der Grundgrenze zum Beschwerdeführer (Ostansicht) im nördlichen Teil eine Höhe von 2,42 m, im südlichen Teil aber eine Höhe von 2,70 m aufweist. Ausgehend davon wird das Pultdach in einem Winkel von 45 Grad gebildet, sodass bei dem im Nordbereich hergestellten Schnitt A-A eine Firsthöhe von 6,59 m eingetragen ist (im südlichen Bereich könnte, wie aus der Nordansicht entnehmbar, die Firsthöhe die vom Nachbarn behaupteten 6,90 m erreichen).

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Nachbar aus, im Vorfeld der mündlichen Bauverhandlung sei ihm keine volle Akteneinsicht gewährt worden, weshalb ihm konkretere Einwendungen nicht möglich gewesen seien. Es sei keine verständliche Rechtsbelehrung erteilt worden, die Behörde habe lediglich erklärt, das Bauvorhaben entspreche der Kärntner Bauordnung und dem Bebauungsplan. Die Errichtung des Holzlagers direkt an der Grundstücksgrenze stehe dem Bebauungsplan entgegen, weil dort festgehalten sei, dass Neben- und Garagengebäude bei offener und halboffener Bebauung nur dann an der Grundstücksgrenze situiert werden dürften, wenn auf Grund der geringen Größe des Grundstückes keine andere Möglichkeit bestehe. Dies liege im gegenständlichen Fall nicht vor, da das Baugrundstück und zwei angrenzende, den Beschwerdeführern gehörende Grundstücke ein Ausmaß von ca. 4.000 m2 hätten. Die Abstandsvorschriften seien folglich nicht eingehalten. Der Sachverständige hätte prüfen müssen, ob durch die vom Holzlager ausgehenden Lärmemissionen der Anspruch des Nachbarn auf Gesundheitsschutz verletzt sei und ob dieses Gebäude mit seiner (First-)Höhe von 6,90 m zu einer massiven Schattenbildung führe.

Während des Berufungsverfahrens führte der Leiter der vor der Baubehörde erster Instanz abgeführten Bauverhandlung ergänzend aus, die Ehefrau des Nachbarn hätte einen Tag vor der mündlichen Bauverhandlung im Stadtgemeindeamt Völkermarkt Einsicht in den Bauakt genommen und es sei ihr eine Kopie des Lageplans mit Darstellung aller Bauvorhaben und mit den Abstandsmaßen ausgehändigt worden.

Mit Bescheid vom 8. September 2005 wies der Stadtrat der Stadtgemeinde Völkermarkt die Berufung als unbegründet ab. Der Nachbar hätte Einwendungen nur gegen die Errichtung der Sicht- und Lärmschutzwand erhoben, andere in der Berufung vorgebrachte Einwendungen seien präkludiert.

Auf Grund der dagegen vom Nachbarn erhobenen Vorstellung holte die belangte Behörde das Gutachten eines bautechnischen Amtsachverständigen vom 25. Jänner 2006 ein, welches unter anderem ausführte, dass das Holzlagernebengebäude ein eigenständiges Bauwerk sei, welches an der Südseite unmittelbar, jedoch ohne statischer Einbindung an die geplante Sicht- und Lärmschutzwand anschließe; beide Bauwerke könnten unabhängig voneinander eigenständig errichtet und positioniert werden, es bestünde keine Einheit.

Alle Verfahrensparteien gaben dazu Stellungnahmen ab. Mit Schreiben vom 22. Februar 2006 gab der bautechnische Amtsachverständige betreffend der Vollständigkeit und Richtigkeit der planlichen Darstellung des Holzlagernebengebäudes ergänzend an, der Lageplan sei im Maßstab 1:250 ausgeführt, die Angabe der Nordrichtung sei nicht am Lageplan, sondern im Grundriss dargestellt. Der Abstand zwischen Bauvorhaben zur Grundstücksgrenze sei handschriftlich angegeben. Der Grundriss enthalte alle zur Beurteilung des Bauvorhabens notwendigen Angaben. Der Verlauf des angrenzenden Geländes sowie dessen Höhenlage sei nicht dargestellt, diese seien in den vorliegenden Ansichten für jedermann erkennbar und ablesbar dargestellt. Das dargestellte Symbol mit den Himmelsrichtungen entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Der Schnitt (A-A) enthalte alle Angaben in Bezug auf die im Grundriss dargestellte Schnittstelle. Das Gebäude weise in den Gebäudeansichten in seiner Längsausdehnung einen Höhensprung auf, der in diesem Schnitt nicht dargestellt sei. Die Ansichten enthielten alle erforderlichen Angaben, die Himmelsrichtungen seien aber falsch bezeichnet. Die planlichen Darstellungen würden die für die Beurteilung des Vorhabens notwendigen Angaben enthalten, seien jedoch nicht mängelfrei.

Mit Schreiben vom 1. März 2006 gab die Stadtgemeinde Völkermarkt bezugnehmend auf diese ergänzende Stellungnahme an, im Zuge der örtlichen Bauverhandlung habe der Nachbar ersucht, das Holzlagernebengebäude mit einem Abstand von 0,5 m von der Grundstücksgrenze abzurücken; dies sei vom Verhandlungsleiter handschriftlich am Projektlageplan vermerkt worden, weil die Beschwerdeführer zugestimmt hätten. Weitere Einwendung in Bezug auf die Errichtung des Holzlagernebengebäudes beziehungsweise der Planausführung hätte es nicht gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid des Gemeinderates, soweit er sich auf die Errichtung eines Holzlagernebengebäudes bezog, auf und wies die Vorstellung, soweit sie sich auf die Errichtung eines Carports und einer Sicht- und Lärmschutzwand bezog, als unbegründet ab. Begründet wurde die Aufhebung damit, dass Präklusion nur dann eintreten könne, wenn die Planunterlagen ausreichten, dem Nachbarn jene Information zu vermitteln, die er zur Wahrung seiner Rechte brauche. Die belangte Behörde verwies auf die Anforderungen des § 7 Bauansuchenverordnung, LGBl. Nr. 42/2002. Auf Grund der Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen vom 25. Jänner 2006 würde im Lageplan die Angabe der Nordrichtung fehlen, der Abstand des Bauvorhabens zur Grundstücksgrenze sei ohne Datumsnennung nur handschriftlich offensichtlich durch einen Sachbearbeiter der Stadtgemeinde angemerkt. Änderungen von Einreichpläne hätten durch den Planverfasser und nicht durch Organe der Baubehörde zu erfolgen. Des Weiteren sei der eingereichte Grundriss mangelhaft, der Verlauf des angrenzende Geländes und dessen Höhenlage sei nicht dargestellt, das Symbol mit den Himmelsrichtungsbezeichnungen entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Im Schnitt (A-A) sei der Höhensprung nicht dargestellt. In den Ansichten seien die Himmelsrichtungen falsch bezeichnet. Da die Planunterlagen mangelhaft seien, hätten diese dem Nachbarn nicht jene Informationen vermittelt, die er zur Verfolgung ihrer Rechte benötige. Auf Grund der Mangelhaftigkeit der Planunterlagen hätten die Präklusionsfolgen des § 42 AVG nicht eintreten können.

Ausgehend davon, dass dem Anrainer gemäß § 23 Abs. 3 lit. e Kärntner Bauordnung 1996 ein Recht auf Einhaltung des festgelegten Seitenabstandes zustehe, hätten die Gemeindebehörden die im textlichen Bebauungsplan, Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Völkermarkt vom 14. März 1980, § 8 Abs. 4 lit. c, normierten Voraussetzungen der Heranrückung an die Nachbargrundstücksgrenze prüfen müssen. Dies haben die Gemeindebehörden nicht getan, weil sie zu Unrecht den Eintritt der Präklusionsfolgen des § 42 AVG angenommen hätten.

Gegen diesen Bescheid (erkennbar nur gegen den aufhebenden Teil) richtet sich die vorliegende Beschwerde der Bauwerber, mit welcher die Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, wie auch der mitbeteiligte Nachbar, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer bringen vor, hinsichtlich sämtlicher Einwendungen des Nachbarn bezüglich des Holzlagergebäudes sei Präklusion eingetreten. In der Stellungnahme des bautechnischen Amtsachverständigen vom 22. Februar 2006 sei festgehalten, dass in den Plänen die für eine Beurteilung des Bauvorhabens notwendigen Angaben enthalten gewesen seien.

Die Parteistellung des Nachbarn im Bauverfahren wird in § 23 K-BO beschrieben, dieser lautet auszugsweise:

§ 23 Kärntner Bauordnung 1996, hier in der Fassung der Kundmachung LGBl. Nr. 22/2004 (BO), lautet auszugsweise:

"§ 23

Parteien, Einwendungen

(1) Parteien des Baubewilligungsverfahrens sind:

...

e) die Anrainer (Abs. 2).

(2) Anrainer sind:

     a)        die Eigentümer (Miteigentümer) der an das

Baugrundstück angrenzenden Grundstücke und aller weiteren im

Einflussbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke sowie

     b)        entfällt

     (3) Anrainer im Sinn des Abs. 2 dürfen gegen die Erteilung

der Baubewilligung nur begründete Einwendungen dahingehend

erheben, dass sie durch das Vorhaben in subjektiv-öffentlichen

Rechten verletzt werden, die ihnen durch die Bestimmungen dieses

Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften, des Flächenwidmungsplanes

oder des Bebauungsplanes eingeräumt werden, welche nicht nur dem

öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz der Anrainer

dienen. Einwendungen der Anrainer im Sinn des ersten Satzes können

insbesondere gestützt werden auf Bestimmungen über

     a)        die widmungsgemäße Verwendung des Baugrundstückes;

     b)        die Bebauungsweise;

     c)        die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes;

     d)        die Lage des Vorhabens;

     e)        die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von

Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken;

     f)        die Bebauungshöhe;

     g)        die Brandsicherheit;

     h)        den Schutz der Gesundheit der Anrainer;

     i)        den Immissionsschutz der Anrainer.

(4) entfällt

(5) Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde, bei Vorhaben nach § 1 Abs. 2 lit. c und d auch durch Verlautbarung in der Kärntner Landeszeitung kundgemacht und wurden die Anrainer im Sinn des § 16 Abs. 2 lit. d persönlich geladen, so bleiben im weiteren Verfahren über die Erteilung der Baubewilligung nur jene Anrainer Parteien, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinn des Abs. 3 und 4 erhoben haben."

§ 23 BO blieb - abgesehen von den durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 2004, VfSlg. Nr. 17.143, aufgehobenen Bestimmungen des Abs. 2 lit. b und des Abs. 4 - seit der Stammfassung LGBl. Nr. 62/1996 unverändert. Zu dem in § 23 Abs. 5 geregelten Verlust der Parteistellung der Anrainer hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/05/0271, und vom 12. November 2002, Zl. 2000/05/0247, auf die Derogationsvorschrift des § 82 Abs. 7 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 verwiesen und ausgeführt, dass § 42 AVG in der Fassung dieser Novelle den abweichenden, vor dem 30. Juni 1998 kundgemachten Bestimmungen des § 23 Abs. 5 BO derogierte.

Die Frage des Verlustes der Parteistellung ist daher anhand des § 42 Abs. 1 AVG zu klären, wobei im Beschwerdefall sachverhaltsbezogen - der zu beurteilende Sachverhalt wurde zwischen dem 19. April 2005 (Ladung) und dem 26. April 2005 (Verhandlung) verwirklicht - die Fassung BGBl. Nr. 10/2004 Anwendung findet. Ausgehend davon, dass der Nachbar weder bis zum Tag vor der noch in der Verhandlung Einwendungen bezüglich des Holzlagergebäudes erhoben hat, ist zu prüfen, ob alle Voraussetzungen vorliegen, die die Folgen des § 42 Abs. 1 AVG bewirken.

§ 41 und § 42 Abs. 1 sowie 19 Abs. 2 AVG lauten:

"§ 41. (1) Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung kundzumachen.

(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei der Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekannt zu geben.

§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, wenn sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt; § 13 Abs. 5 zweiter Satz ist nicht anwendbar. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.

§ 19. (2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekannt zu geben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2005/05/0252, betont, dass Präklusion dann nicht eintritt, wenn der in der Kundmachung umschriebene Verfahrensgegenstand mit dem tatsächlich verhandelten Projekt nicht übereinstimmt und die Beteiligten auf Grund der unpräzisen Fassung des Gegenstandes nicht erkennen konnten, dass bzw. inwieweit ihre Interessen tangiert sein können. Die korrekte Umschreibung des Verfahrensgegenstandes ist Voraussetzung für die Erhebung zielführender Einwendungen, mit denen die Parteien ihre subjektiven Rechte verteidigen können.

Hier wurde in der Ladung der Verfahrensgegenstand mit "Errichtung eines Carports, Errichtung eines Holzlagers und Errichtung auch einer Sicht- und Lärmschutzwand" auf der gegenständlichen Liegenschaft bezeichnet. Die Ladung enthielt den Hinweis, in welchen Räumlichkeiten der Baubehörde die dem Bauansuchen zu Grunde liegenden Pläne, Berechnungen und Beschreibungen während der Amtsstunden zur Einsichtnahme auflägen. Es ist unbestritten, dass tatsächlich die im Akt erliegenden Pläne, wie sie oben aufgezählt wurden, sowie die Baubeschreibung, bei der Baubehörde zur Einsicht aufgelegen sind.

Jedenfalls kannte der Nachbar auf Grund der Ladung den "Gegenstand der Amtshandlung" im Sinne des § 19 Abs. 2 AVG; im Sinne des letzten Satzes des § 41 Abs. 2 AVG wurde auch angegeben, wo und zu welcher Zeit in die Unterlagen Einsicht genommen werden könne. Auf Grund der Beschreibung des Gegenstandes konnte der Nachbar ohne weiteres erkennen, ob bzw. inwieweit seine Interessen tangiert sein könnten. Gerade weil § 41 Abs. 2 letzter Satz AVG nur fordert, dass die Möglichkeit aufgezeigt werden muss, sich mit dem Projekt im Detail vertraut zu machen, folgt nicht, dass schon in der Ladung alle diese Details angeführt werden müssen.

Schließlich ist noch auf den (vom Nachbarn nie geltend gemachten) Umstand einzugehen, dass die Ladung hinsichtlich des Hinweises auf die Folgen des § 42 Abs. 1 AVG die Wendung enthalten hat, wonach mit Ablauf der Frist für die Erhebung von Einwendungen "alle Rechte, die an die Parteistellung anknüpfen, entfallen". Diesbezüglich wird auf die Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2006/05/0124, verwiesen, wonach kein Unterschied des auch hier gewählten Wortlautes gegenüber dem Gesetzeswortlaut "Stellung als Partei verliert" erkennbar ist.

Zusammenfassend ist somit davon auszugehen, dass die hier ergangene Ladung nicht mit Mängeln behaftet war, die die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG gehindert hätten.

Der Nachbar hat bezüglich des Holzlagergebäudes in der Verhandlung überhaupt keine Einwendung erhoben; er hat auch nicht eingewendet, dass die Pläne unzureichend wären. Der Nachbar hat ja auch kein Recht darauf, dass die Planunterlagen und sonstigen Belege vollständig der Rechtslage entsprechend der Baubehörde vorgelegt werden (Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, 318), sodass vom Standpunkt der Verletzung von Nachbarrechten eine minutiöse Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Pläne allen Anforderungen des § 7 Bauansuchenverordnung, LGBl. Nr. 42/2002, entsprochen haben, zu unterbleiben hat. Gefordert wird nur, dass die Planunterlagen ausreichen, dem Nachbarn jene Informationen zu vermitteln, die er zur Verfolgung seiner Rechte braucht (hg. Erkenntnis vom 21. September 2007, Zl. 2006/05/0042, mwN).

Im Zusammenhang mit der Frage, ob der Nachbar die Parteistellung verloren hat, weil er keine Einwendung gegen diesen Projektsbestandteil erhoben hat, kommt es daher allein darauf an, ob die Pläne so unvollständig oder unrichtig waren, dass der Nachbar nicht in der Lage war, zu erkennen, dass dieses Gebäude so nahe an seiner Grundgrenze situiert ist, dass Bestimmungen über die Abstände von den Grundstücksgrenzen verletzt werden können.

Diese Verletzungsmöglichkeit bestand, und zwar unabhängig davon, ob das Gebäude, wie im ursprünglichen Grundrissplan, 25 cm, oder, wie anlässlich der Bauverhandlung abgeändert, 50 cm von seiner Grundgrenze entfernt war. Der Nachbar war also nicht, und schon gar nicht wegen der von der belangten Behörde aufgezeigten Planmängel gehindert, eine Abstandsverletzung in der Bauverhandlung einzuwenden.

Da der Nachbar in der Verhandlung Einwendungen nur hinsichtlich der Sicht- und Lärmwand erhoben hat, hat er bezüglich des Projektsbestandteils "Holzlager" seine Parteistellung gemäß § 42 Abs. 1 AVG verloren. Die belangte Behörde hätte daher auch insofern der Vorstellung des Nachbarn nicht stattgeben dürfen.

Die belangte Behörde belastete daher ihren Bescheid insofern, als sie die Baubewilligung für die Errichtung eines Holzlagernebengebäudes aufgehoben hat, mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, sodass der Bescheid in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 10. September 2008

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9 Baurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006050126.X00

Im RIS seit

08.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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