TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/11 2007/08/0141

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Veröffentlicht am 11.09.2008
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AMSG 1994 §34;
AMSG 1994 §35;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des M in Wien, vertreten durch Mag. Banu Kurtulan, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Marc-Aurel-Straße 6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 11. Mai 2007, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2007-412, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Bezug von Notstandshilfe stehende Beschwerdeführer ersuchte zuletzt für den Zeitraum vom 8. Jänner bis zum 22. Juni 2007 gemäß §§ 34 und 35 AMSG um eine "Beihilfe zur Förderung der beruflichen Mobilität", nach dem entsprechenden Formular bezüglich der Maßnahme "BPQ" (nach der Aktenlage: Berufspraktische Qualifizierung - berufliche Integration als kaufmännische Hilfskraft in der Systemgastronomie) beim Schulungsträger B GmbH. Das vom Beschwerdeführer unterfertigte Formular enthielt eine Verpflichtungserklärung des Beschwerdeführers als Förderungswerber und eine vom Beschwerdeführer zur Kenntnis zu nehmende Information; danach verpflichte sich der Beschwerdeführer insbesondere, dem Arbeitsmarktservice zum Zwecke der Prüfung der widmungsgemäßen Verwendung einen Nachweis über die Teilnahme an der Ausbildungsmaßnahme (Teilnahmebestätigung) bis spätestens vier Wochen nach dem Ende des Förderungszeitraumes oder dem Ende der Ausbildungsmaßnahme vorzulegen, da andernfalls bereits ausbezahlte Beihilfenbeträge rückgefordert werden müssten. Er nehme (unter anderem) zur Kenntnis, dass unberechtigt empfangene Beihilfenbeträge mit sofortiger Wirkung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen mit zukünftig gebührenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bzw. weiteren Beihilfen gegenverrechnet würden. Ferner nehme er zur Kenntnis, dass die rechtsverbindliche Entscheidung über die begehrte Beihilfe ausschließlich in Form einer schriftlichen Mitteilung durch die zuständige Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice erfolge. Im Falle der Gewährung der Beihilfe würden die Verpflichtungserklärung und die in dieser Mitteilung getroffenen Regelungen als vereinbart gelten. Auf die Gewährung von Beihilfen bestehe gemäß § 34 Abs. 3 AMSG kein Rechtsanspruch.

Am 23. Jänner 2007 wurde vom Arbeitsmarkservice Wien, Regionale Geschäftsstelle Schloßhofer Straße (in der Folge: AMS Schloßhofer Straße), mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift über die "Vereitelung des Erfolges einer Nach-(Um-)schulung" aufgenommen. Aus dieser geht hervor, dass dem Beschwerdeführer, da seine persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht ausreichten, vom Arbeitsmarktservice am 8. Jänner 2007 der Auftrag erteilt worden sei, sich einer Nach(Um)schulung zum Systemgastronomen bei der B GmbH zu unterziehen. Der Beschwerdeführer habe nach Belehrung über die Rechtsfolgen nach § 10 AlVG erklärt, dass er die Nach(Um)schulung am 18. Jänner 2007 vorzeitig beendet habe, da er aus disziplinären Gründen vom Kurs ausgeschlossen worden sei. Das Problem sei gewesen, dass er am Freitag (Ergänzung: für das Freitagsgebet) nur 50 Minuten Zeit "bekommen hätte".

Der Niederschrift war eine Stellungnahme des Schulungsträgers B GmbH angeschlossen, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am 8. Jänner 2007 in die BPQ (Integration als kaufmännische Hilfskraft in der Systemgastronomie) "eingestiegen" sei. Gleich zu Beginn der Maßnahme habe er sich über die Möglichkeit, am Freitagsgebet für Muslime teilzunehmen, erkundigt. Er sei über die Regelung informiert worden, dass er jeden dritten Freitag frei bekäme, jedoch die anderen Freitage am Unterricht "(Deutsch als Fremdsprache)" teilnehmen müsse. Diese Regelung sei gängige Praxis und stehe im Einklang mit (erg. wohl: den Anforderungen) der Islamischen Gemeinde Österreichs. Auch aus pädagogischen Gründen käme eine Befreiung nicht in Frage, da der Teilnehmer massive Mängel (in seinen Kenntnissen) der deutschen Sprache habe. Der Beschwerdeführer habe sich mit der Regelung nicht einverstanden gezeigt und habe einen Termin mit der Fachleitung (Herrn Sch.) gewünscht. Am 17. Jänner 2007 sei der Beschwerdeführer von Herrn Sch. noch einmal über diese Regelung informiert und mit der Fragestellung konfrontiert worden, wie er denn gedenke, ein Praktikum oder Dienstverhältnis anzunehmen, wenn der zukünftige Praktikums- bzw. Dienstgeber nicht jeden Freitag frei gebe. Der Beschwerdeführer habe gesagt, dass er sich dann krankschreiben lassen würde. Am 18. Jänner 2007 habe der Beschwerdeführer begehrt, dass er am 19. Jänner 2007 (Freitag) nachmittags frei haben wolle, um zur islamischen Gemeinde zu gehen. Ihm sei mitgeteilt worden, dass er schon letzten Freitag in "Deutsch als Fremdsprache" wegen des Freitagsgebets gefehlt habe. Der Beschwerdeführer sei daraufhin wieder "sehr massiv" geworden und habe angegeben, er fühle sich so unter Druck gesetzt, dass er krank werden würde. Er sei nicht auf die Argumente eingegangen und habe gemeint, dass ihn die Regelung nicht interessiere, sondern dass er sich jeden Freitag krankschreiben lassen würde. Nachdem der Teilnehmer immer massiver versucht habe, die Fachleitung als auch die "Prozessverantwortliche" einzuschüchtern, sei er darüber informiert worden, dass die B GmbH dem AMS vorschlagen werde, die Maßnahme aus disziplinären Gründen abzubrechen, da die mangelnde Kooperationsbereitschaft und das völlig unangemessene Kommunikations- und Sozialverhalten einer positiven beruflichen Rehabilitation entgegenstünden. Zusammenfassend werde angemerkt, dass der Beschwerdeführer kein Interesse an der Schulung "Deutsch als Fremdsprache" gezeigt habe, die unbedingt notwendig sei. Die Freitagsregelung werde seit Jahren ohne Probleme mit Teilnehmern muslimischen Glaubens praktiziert.

Mit Bescheid des AMS Schloßhofer Straße vom 31. Jänner 2007 wurde dem Beschwerdeführer die Notstandshilfe für den Zeitraum vom 19. Jänner bis zum 1. März 2007 entzogen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den Erfolg einer ihm vom AMS zugewiesenen Schulungsmaßnahme bei der B GmbH durch seine Weigerung, alle Termine wie vorgeschrieben einzuhalten, vereitelt habe. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe könnten nicht berücksichtigt werden.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Der Berufung legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich bei, aus der hervorgeht, dass das Freitagsgebet (Freitag Mittag) eine obligatorische religiöse Verpflichtung eines jeden volljährigen und zurechnungsfähigen Muslims sei. Das Freitagsgebet könne nur in Gemeinschaft verrichtet und nicht wie die täglichen fünf Gebete - bei begründeter Verhinderung - zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.

In einer am 11. April 2007 von der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er den gegenständlichen Kurs selbst gewählt habe und unbedingt machen wolle. Dieser sei Teil einer Schulung, von welcher er mehrere Module erfolgreich absolviert habe. Bei den bisherigen Modulen habe es in Bezug auf das Freitagsgebet keine Probleme gegeben, da die Kurse Freitag zu Mittag geendet hätten. Bei dem gegenständlichen Deutschkurs sei erstmals das Problem des Freitagsgebets aufgetreten. Er habe mit Herrn Sch. gesprochen, der gemeint habe, es sei kein Problem, wenn er nur 50 Minuten für das Freitagsgebet brauche. In der ersten Woche habe er problemlos gehen können; am folgenden Donnerstag hätten sowohl die Trainerin als auch Herr Sch. verärgert reagiert, als er den Wunsch, am Freitag zum Gebet zu gehen, angesprochen habe. Es sei nicht richtig, dass er kein Interesse am Deutschkurs habe. Er spreche zwar recht passabel Deutsch, dies reiche jedoch nicht für die von ihm angestrebte kaufmännische Tätigkeit aus, weshalb er noch besser Deutsch lernen und den gegenständlichen Kurs immer noch machen wolle. Er habe keineswegs den ganzen Freitag Nachmittag frei haben, sondern den Kurs nur für 50 Minuten unterbrechen wollen. Er habe nicht angedroht, er würde sich jeden Freitag krank schreiben lassen, vielmehr habe er gesagt, dass er, falls er weiterhin so unter Druck gesetzt würde, noch krank werde. Die belangte Behörde hielt dazu fest, dass der Beschwerdeführer recht gut Deutsch spreche, auch komplexere Zusammenhänge anscheinend ohne Schwierigkeiten verstehen könne und in der Lage sei, die Stellungnahme der B GmbH sinnerfassend zu lesen.

Die B GmbH erstattete im Berufungsverfahren am 9. Mai 2007 eine weitere schriftliche Stellungnahme, aus welcher im Wesentlichen hervorgeht, dass bei Abklärungs-, Orientierungs- und Stabilisierungsmaßnahmen am Freitagnachmittag kein Unterricht stattfinde. Die Ganztagskursmaßnahmen seien so konzipiert, dass die Kurse oftmals Freitag zu Mittag endeten und die am Freitagnachmittag zur Verfügung stehende Zeit für individuellen Förderbedarf genützt werde. Diese individuelle Förderung sei vereinbarter Bestandteil der einzelnen Ausbildungskonzepte, die pädagogische Bedarfsentscheidung obliege der B GmbH und sie diene der Absicherung der avisierten Zielsetzungen. So würden Teilnehmer betreute Übungseinheiten für die Vorbereitung auf einzelne ECDL Prüfungen oder sie wurden nach längeren Abwesenheiten (z.B. aufgrund Krankenstandes) individuellen fachspezifischen Förderunterricht erhalten oder den Unterricht "Deutsch als Fremdsprache" besuchen. Unter Berücksichtigung der angestrebten Zielsetzung und der erhobenen Mängel in der deutschen Sprache sei seitens der B GmbH aus pädagogischen Gründen die verbindliche Teilnahme am Unterricht "Deutsch als Fremdsprache" festzulegen gewesen. Der Unterricht im Fach "Deutsch als Fremdsprache" finde regelmäßig von 12.30 bis 15.00 Uhr statt. Die vom Beschwerdeführer geplante bzw. beabsichtigte Abwesenheit vom Nachmittagsunterricht wäre weder am Beginn noch am Ende des Unterrichts gelegen, sondern hätte sich genau in der zeitlichen Mitte befunden. Die B GmbH habe sich aus pädagogischen bzw. didaktischen Gründen gegen dieses Ansinnen aussprechen müssen, da eine kurze Anwesenheit am Beginn und am Ende des Unterrichts pädagogisch unvertretbar gewesen wäre. In mehreren Gesprächen seien dem Beschwerdeführer die erforderliche Teilnahme am Unterricht erläutert und verschiedene Alternativen offen gelegt worden, etwa die mögliche Teilnahme an jedem dritten Freitag (diese Regelung sei gelebte Praxis bei der B GmbH und stehe im Einklang mit Anforderungen der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs) oder die Teilnahme nach dem Unterricht. Der Beschwerdeführer habe jedoch keinerlei kooperative Haltung erkennen lassen. Er habe der B GmbH Behinderung der Religionsausübung vorgeworfen und gemeint, dass der ausgeübte Druck negative gesundheitliche Auswirkungen hervorrufen würde. Die Verfolgung seines Zieles habe in Drohungen und Einschüchterungsversuchen ausgeartet, sodass die B GmbH die vorzeitige Beendigung der Maßnahme als unabdingbar erachtet habe, da eine positive Zielerreichung aufgrund der massiv erschütterten Kooperationsbasis seitens der B GmbH nicht mehr zu gewährleisten gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Begründend führte sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten den Erfolg des Deutschkurses, den er im Rahmen seiner Ausbildung zum Systemgastronomen besuchen sollte, um seine Sprachkenntnisse zu verbessern, vereitelt habe. Er habe sich trotz mehrfacher Belehrungen durch die B GmbH, dass sein Wunsch mit den Unterrichtszielen nicht vereinbar sei, darauf versteift, dass er das Recht habe, den Unterricht an jedem Freitag Nachmittag für eine Stunde zu verlassen, um am vorgeschriebenen Freitagsgebet seiner Religionsgemeinschaft teilzunehmen. Kompromissangebote, nämlich dass er, wie das seit Jahren auch mit anderen muslimischen Kursteilnehmern gehandhabt werde, an jedem dritten Freitag Gelegenheit zum Besuch des Freitagsgebetes erhalten könne, habe der Beschwerdeführer kategorisch abgelehnt und der B GmbH vorgeworfen, man versuche ihn unter Druck zu setzen und in seiner Religionsausübung zu behindern. Es sei dem Beschwerdeführer auch als gläubigem Muslim zuzumuten gewesen, sich in dieser Angelegenheit kompromissbereiter zu zeigen, da auch von Seiten der Islamischen Glaubensgemeinschaft bestätigt werde, dass aus theologischer Sicht der Besuch des Freitagsgebets ausnahmsweise versäumt werden dürfe, wenn sonst unabwendbarer Schaden drohe. Bei wöchentlichem Fehlen von einer Stunde bei einem insgesamt nur 2 1/2 Stunden dauernden Kurs könne das Kursziel nicht erreicht werden. Eine gewisse Kompromissbereitschaft sei vom Beschwerdeführer daher zu erwarten und ihm auch zuzumuten gewesen. Dass die B GmbH schlussendlich zur Entscheidung gelangt sei, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer nicht möglich sei, und diesen deswegen aus der Maßnahme ausgeschlossen habe, sei dem Verhalten des Beschwerdeführers zuzuschreiben, nachdem sich dieser sämtlichen Belehrungen und Kompromissvorschlägen beharrlich widersetzt habe. Er habe dadurch den Tatbestand der Vereitelung gemäß § 10 AlVG verwirklicht. Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 ist arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

§ 10 Abs. 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 77/2004 lautet:

"(1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde."

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG sinngemäß auch auf die Notstandshilfe anzuwenden.

Gemäß § 34 AMSG sind unter Beachtung der in § 31 Abs. 5 erster Satz leg. cit. genannten Grundsätze einmalige oder wiederkehrende finanzielle Leistungen an und für Personen (Beihilfen) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erbringen, auf die nach Abs. 3 der genannten Gesetzesstelle kein Rechtsanspruch besteht.

Gemäß § 39 AMSG werden die Bestimmungen des AlVG durch die genannten Vorschriften nicht berührt.

Unter einer Nach(Um)schulung ist eine Maßnahme zu verstehen, die entweder der Umstellung auf eine andere berufliche Tätigkeit (um mit dieser Tätigkeit ein weiteres Verweisungsfeld für den Arbeitslosen herzustellen) oder der Auffrischung von Kenntnissen im erlernten (allenfalls auch im früher ausgeübten) Beruf dient. Für die Zuweisung zu einer Nach(Um)schulung ist es aber erforderlich, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind. Erst wenn dem Arbeitslosen eine seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung nicht zugewiesen werden kann, ist er einer Nach(Um)schulung zuzuweisen. Die Behörde hat die Voraussetzungen für eine solche Zuweisung zu ermitteln und das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung - zur Kenntnis zu bringen. Von einer den Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld nach sich ziehenden ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen kann nur dann gesprochen werden, wenn sie in objektiver Kenntnis des Inhaltes der erforderlichen Nach(Um)schulung und der Zumutbarkeit und Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolgt. Dem Arbeitslosen sind die objektive Notwendigkeit der in Rede stehenden Maßnahme anlässlich der Zuweisung zu derselben, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Ansehung seiner fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes und die Notwendigkeit gerade dieser Maßnahme darzulegen. Darüber hinaus ist er aktenkundig auf die Rechtsfolgen einer Weigerung hinzuweisen (vgl. das Erkenntnis vom 15. März 2005, Zl. 2004/08/0210, mwN).

Die belangte Behörde behandelt die Maßnahme "BPQ" als eine dem Beschwerdeführer im Sinne des § 9 Abs. 1 AlVG unter der Sanktion des § 10 Abs. 1 AlVG aufgetragene Schulung.

Diese Auffassung der belangten Behörde steht mit dem Akteninhalt insoweit im Widerspruch, als danach das AMS Schloßhofer Straße mit dem Beschwerdeführer ausdrücklich im Rahmen der §§ 34 und 35 AMSG eine privatrechtliche Vereinbarung über die Gewährung einer Förderung durch die Teilnahme an der Maßnahme "BPQ" abgeschlossen hat. Die vom Beschwerdeführer über diese Maßnahme zur Kenntnis genommenen Informationen bzw. die von ihm abgegebene Verpflichtungserklärung sahen keine Sanktionen im Sinne des § 10 AlVG vor, sondern vielmehr andere Folgen, insbesondere die Rückzahlung unberechtigt empfangener Beihilfenbeträge bzw. deren Gegenverrechnung mit künftig gebührenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Aus dem Akt ergibt sich überdies kein Hinweis, dass der Beschwerdeführer vor der ihm angelasteten Vereitelung über die Rechtsfolgen des § 10 AlVG informiert worden ist.

Die regionale Geschäftsstelle hat dem Beschwerdeführer den gegenständlichen Kurs somit als Förderungsmaßnahme im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung nach den §§ 34 und 35 AMSG gewährt, sein Besuch beruhte nicht auf einer von der regionalen Geschäftsstelle ausgehenden, verpflichtenden - unter der Sanktion des § 10 Abs. 1 AlVG stehenden - Zuweisung nach § 9 Abs. 1 AlVG. Die Forderung des Beschwerdeführers, den Kurs "Deutsch als Fremdsprache" jede Woche für etwa 50 Minuten verlassen zu dürfen, um am Freitagsgebet in der Moschee teilnehmen, hat die belangte Behörde jedoch als Vereitelung einer Schulung nach § 9 Abs. 1 AlVG qualifiziert und eine Sanktion nach § 10 Abs. 1 AlVG verhängt, was jedoch bei Maßnahmen, die zwischen dem AMS und der arbeitsuchenden Person im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung vereinbart werden, in Ermangelung einer diesbezüglichen gesetzlichen Ermächtigung in den §§ 34ff AMSG nicht rechtens ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2004/08/0208).

Abgesehen davon ist zu bemerken, dass es insbesondere hinsichtlich der mangelnden Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers einer eingehenden Begründung bedurft hätte, warum im vorliegenden Fall ein Sprachkurs notwendig ist, geht die Behörde doch nach der Aktenlage davon aus, dass der Beschwerdeführer über recht gute Deutschkenntnisse verfüge.

Der angefochtene Bescheid war schon aus den oben dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben, wobei es sich erübrigt, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 11. September 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007080141.X00

Im RIS seit

10.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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