TE Vfgh Erkenntnis 2003/9/30 V68/01

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Veröffentlicht am 30.09.2003
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6930 Wasserversorgung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
FAG 1997 §14 Abs1 Z15, Z16
FAG 1997 §15 Abs3 Z5
WasserleitungsgebührenO der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom 01.02.93 §2 Z2
WasserleitungsgebührenO der Gemeinde Wildermieming vom 12.12.86 §2 Z1 Abs2

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit der Festlegung einer als Benützungsgebühr zuwertenden Wasserleitungsanschlußgebühr; Zulässigkeit derAusschreibung durch die Gemeinde aufgrund desFinanzausgleichsgesetzes ohne landesgesetzliche Ermächtigung

Spruch

Dem Antrag wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist ein Verfahren über eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

Die vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführende Partei ist Eigentümerin einer Liegenschaft in der Gemeinde Wildermieming. Mit Bescheid des Bürgermeisters dieser Gemeinde vom 5. November 1999 wurde ihr die baubehördliche Bewilligung zum Ausbau des Ober- und Dachgeschoßes eines Wohnhauses und zu einer Nutzungsänderung erteilt. Aufgrund dieser Baubewilligung schrieb der Bürgermeister dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 24. November 1999 eine Wasseranschlußgebühr nach der Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Wildermieming vom 12. Dezember 1986, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 16. Dezember 1986 bis zum 16. Jänner 1987 (in der Folge: WLGO), vor. Der Gemeindevorstand wies eine Berufung gegen diesen Bescheid, die Tiroler Landesregierung eine Vorstellung gegen den Berufungsbescheid ab.

Gegen den Vorstellungsbescheid richtet sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.2. Aus Anlaß dieser Beschwerde stellt der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG den Antrag, in §2 Z1 Abs2 WLGO die Wortfolge "Zu- und Umbauten und bei", in eventu §2 Z1 Abs2 WLGO zur Gänze, als gesetzwidrig aufzuheben.

1.3. Die Tiroler Landesregierung hat die Verordnungsakten vorgelegt, jedoch davon abgesehen, eine Äußerung zu erstatten. Auch der Gemeinderat der Gemeinde Wildermieming hat sich nicht geäußert.

2. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten wie folgt:

2.1. §14 Abs1 des - hier maßgeblichen - Finanzausgleichsgesetzes 1997, Art65 BG BGBl. 201/1996 (FAG 1997), lautet auszugsweise:

"Ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben sind insbesondere:

1. - 14. ...

15.

Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern;

16.

Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen;

              17.              ..."

§15 Abs3 FAG 1997 lautet auszugsweise:

"Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:

1. - 4. ...

5. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt."

Vergleichbare Bestimmungen enthielt auch das Finanzausgleichsgesetz 1985, BGBl. 544/1984, in §14 Abs1 Z14 und 15 sowie in §15 Abs3. (In §15 Abs3 Z5 stellte es noch nicht auf das doppelte Jahreserfordernis ab; dies hat für den vorliegenden Fall jedoch keine Bedeutung.)

2.3. Die WLGO lautet auszugsweise (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§1

Einteilung der Gebühren

Für den Anschluß eines Grundstückes an die Gemeindewasserleitung und für den laufenden Wasserbezug, sowie für die Benützung von Wasserzählern erhebt die Gemeinde Benützungsgebühren in Form einer Anschlußgebühr, einer laufenden Wassergebühr und einer Zählergebühr.

Im Falle von wesentlichen Erweiterungen der Wasserversorgungsanlage behält sich die Gemeinde das Recht der Vorschreibung einer Erweiterungsgebühr vor.

§2

Entstehen der Gebührenpflicht

1. Die Pflicht zur Entrichtung der Anschlußgebühr entsteht mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses von Grundstücken an die Gemeindewasserleitungsanlage.

Bei Zu- und Umbauten und bei Wiederaufbau von abgetragenen Bauten entsteht die Beitragspflicht mit Rechtskraft der Baubewilligung und nur insoweit, als die neue Bemessungsgrundlage den Umfang der früheren übersteigt.

2. Die Pflicht zur Entrichtung der Erweiterungsgebühr entsteht mit dem Anschluß der Erweiterungsanlage an die bestehende Gemeindewasserleitung.

3. Die Pflicht zur Entrichtung der laufenden Wassergebühr und der Zählergebühr entsteht mit dem erstmaligen Wasserbezug.

§3

Bemessungsgrundlage und Höhe der Anschluß- und Erweiterungsgebühr

1. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Anschlußgebühr ist der Kubikmeter umbaute Raum.

2. Die Anschlußgebühr beträgt pro m3 der Bemessungsgrundlage

S 15,-- (zuzüglich 10 % Mwst), mindestens jedoch S 10.000,-- (zuzüglich 10 % Mwst).

3. - 5. ... "

3. Der Verwaltungsgerichtshof führt aus, er habe die WLGO anzuwenden; §2 Z1 Abs2, dessen Regelung hinsichtlich der Zu- und Umbauten der Abgabenbemessung zugrundegelegt worden sei, sei für seine Entscheidung präjudiziell.

In der Sache verweist der Verwaltungsgerichtshof zunächst auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs Slg. 16116/2001, mit dem Teile der Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental als gesetzwidrig aufgehoben worden sind. Nach §2 Z1 Abs1 WLGO entstehe die Pflicht zur Leistung der Anschlußgebühr mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses an die Gemeindewasserleitungsanlage; es handle sich daher dabei - entsprechend der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg. 10947/1986, 16116/2001) - um eine Benützungsgebühr. Nach dem präjudiziellen §2 Z1 Abs2 WLGO hingegen entstehe die Beitragspflicht bei Zu- und Umbauten und beim Wiederaufbau abgetragener Bauten mit Rechtskraft der Baubewilligung. Damit werde der Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenpflicht weiter nach vor und damit vor den Zeitpunkt der tatsächlichen Benützbarkeit der Zu- oder Umbauten oder des wiederaufgebauten Bauwerkes verlagert, und zwar noch weiter, als dies in der dem Erkenntnis VfSlg. 16116/2001 zugrundeliegenden Kanalgebührenordnung der Marktgemeinde Hopfgarten im Brixental der Fall war (nämlich - dort - mit dem Baubeginn).

Der Verwaltungsgerichtshof hege das Bedenken, daß die angefochtene Verordnungsbestimmung gesetzwidrig sei, weil eine Wasseranschlußgebühr, bei welcher der Gebührenanspruch mit Rechtskraft der Baubewilligung für Zu- und Umbauten bzw. für den Wiederaufbau abgetragener Bauten entstehe, nicht als Benützungsgebühr iSd §14 Abs1 Z16 und §15 Abs3 Z5 FAG 1997 beurteilt werden könne und es daher einer landesgesetzlichen Grundlage für den Abgabentatbestand bedurft hätte.

Der Eventualantrag werde für den Fall gestellt, daß durch eine Teilaufhebung entsprechend dem Primärantrag eine umfassende Bereinigung der Rechtslage nicht erzielt werden könne.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989).

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit des Antrags zweifeln ließe. Es ist jedenfalls denkmöglich anzunehmen, daß der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Beschwerde, in der es um die Vorschreibung einer Wasseranschlußgebühr für Zu- und Umbauten geht, jene Bestimmung der WLGO anzuwenden hat, die das Entstehen der Beitragspflicht für diesen Fall regelt.

2.1. In der Sache beruft sich der Verwaltungsgerichtshof auf das Erkenntnis VfSlg. 16116/2001. Darin hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß eine Kanalanschlußgebühr, die nicht am Beginn eines Benützungsverhältnisses steht, sondern bei welcher die Gebührenpflicht bereits mit Eintritt der Rechtskraft des Anschlußbescheides entsteht, nicht als Benützungsgebühr iSd §14 Abs1 Z16, §15 Abs3 Z5 FAG 1997 zu qualifizieren ist, sondern als Interessentenbeitrag iSd §14 Abs1 Z15 FAG 1997. Damit führte der Gerichtshof die Überlegung aus VfSlg. 10947/1986 fort, wonach Benützungsgebühren - anders als etwa der Kanalisationsbeitrag nach dem Steiermärkischen Kanalabgabengesetz 1955 LGBl. 71 - immer erst mit Beginn eines Benützungsverhältnisses (an der Anlage) entstehen (in diesem Sinne vgl. weiters VfSlg. 11376/1987 und 15608/1999). In weiteren Entscheidungen hat der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsprechung zum Unterschied zwischen Interessentenbeiträgen und Benützungsgebühren ausgebaut und gefestigt (zur Tiroler Rechtslage VfSlg. 16377/2001 - Entstehen des Gebührenanspruchs mit Rechtskraft der Aufforderung zum Anschluß an den Kanal; VfGH 18.6.2002, V122/01 - Entstehen mit der bescheidmäßigen Verpflichtung zum Anschluß; VfGH 10.6.2003, V10/03 - ebenso; weiters zur niederösterreichischen Rechtslage VfGH 28.6.2003, V96/00).

Der Verfassungsgerichtshof versteht das Vorbringen des Verwaltungsgerichtshofs, die Wasseranschlußgebühr nach §2 Z1 Abs2 WLGO sei nicht als Benützungsgebühr zu qualifizieren und hätte daher einer landesgesetzlichen Grundlage bedurft, dahin, daß der Verwaltungsgerichtshof diese Anschlußgebühr als Interessentenbeitrag wertet. Interessentenbeiträge sind nämlich ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben, die, sollen sie aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung erhoben werden, gemäß §8 Abs5 F-VG eines Landesgesetzes bedürfen, das die Gemeinden zur Erhebung solcher Abgaben ermächtigt (vgl. VfSlg. 10947/1986 und die im vorigen Absatz zitierte Rechtsprechung zur Tiroler Rechtslage sowie VfGH 2.12.2002, V123/01). Ein solches Gesetz besteht in Tirol nicht.

2.2. In seinem Erkenntnis vom 2. Dezember 2002, V123/01, hat der Verfassungsgerichtshof jedoch auf einen Unterschied hingewiesen, der in dieser Hinsicht zwischen Kanalanschlußgebühren und Wasseranschlußgebühren besteht, und ausgeführt:

"Die Landesregierung weist zu Recht darauf hin, daß das Erfordernis einer Abwasserbeseitigung typischerweise erst entsteht, sobald ein Gebäude benützt wird, während Wasser typischerweise schon gebraucht wird, sobald mit dem Bau eines Gebäudes begonnen wird. Die ... Rechtsprechung zu Kanalanschlußgebühren in Tirol läßt sich daher auf Wasseranschlußgebühren nicht übertragen. Vielmehr ist im vorliegenden Fall - angesichts der hier zulässigen Durchschnittsbetrachtung - davon auszugehen, daß der Beginn der Wasserversorgung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Baubeginn steht. Die Anschlußgebühr steht damit am Beginn eines förmlichen Benützungsverhältnisses und ist somit als Benützungsgebühr zu qualifizieren (vgl. VfSlg. 10947/1986). Für eine Benützungsgebühr bedarf es jedoch keiner landesgesetzlichen Grundlage; sie kann aufgrund des jeweiligen Finanzausgleichsgesetzes (hier: §15 Abs3 Z5 FAG 1997) ausgeschrieben werden (VfSlg. 8847/1980, 10738/1985, 14642/1996 ua.)."

Diese Gedanken lassen sich ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen. Dazu kommt, daß es bei der angefochtenen Wortfolge nur um die Anschlußgebühr bei Zu- und Umbauten geht und daß der Wasserbedarf, der mit Zu- und Umbauten verbunden ist, typischerweise aus dem ohnedies vorhandenen Wasseranschluß des Altbestandes gedeckt werden wird. Unter diesen Umständen begegnet es auch keinen Bedenken, daß die Gebührenpflicht nicht - wie in dem dem Erkenntnis vom 2. Dezember 2002, V123/01, zugrundeliegenden Fall - mit Baubeginn des Objektes, sondern bereits mit Rechtskraft der Baubewilligung entsteht.

2.3. Da die Bedenken des antragstellenden Verwaltungsgerichtshofes nicht zutreffen, erweist sich der Antrag als unbegründet und war deshalb abzuweisen, ebenso der Eventualantrag.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Abgabenbegriff, Gebühr, Interessentenbeiträge, Finanzverfassung,Finanzausgleich, Abgaben Gemeinde-, VfGH / Prüfungsumfang,Wasserversorgung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V68.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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