TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/16 2007/11/0162

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Veröffentlicht am 16.09.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
67 Versorgungsrecht;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

BBG 1990 §40 Abs1;
BBG 1990 §41;
KOVG 1957 §7;
KOVG 1957 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Mag. Roland Schratter, Rechtsanwalt in 9400 Wolfsberg, Freidlgasse 12, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom 27. März 2007, Zl. 41.550/558-9/06, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß Bundesbehindertengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundessozialamtes, Landesstelle Kärnten, vom 16. Mai 2006 wurde der Antrag des im Jahr 1984 geborenen Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40 Abs. 1 und 45 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) abgewiesen und festgestellt, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 20 v.H. betrage. In der Begründung ihres Bescheides verwies die Behörde erster Instanz auf das eingeholte Sachverständigengutachten, wonach der ermittelte Grad der Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers 20 v.H. betrage (in diesem Gutachten vom 27. April 2006 war festgehalten worden, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers wegen Zöliakie nach der Richtsatzposition 355 20 % und wegen einer allergischen Disposition des Beschwerdeführers nach der Richtsatzposition 655 10 % betrage, wobei sich ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 20 v.H. ergebe). Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses seien daher nicht gegeben.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung und stützte sich insbesondere auf die Stellungnahmen des Facharztes für Pathologie und Immunologie o.Univ.Prof. Dr. W. vom 6. Dezember 2005 sowie der Amtsärztin und Ärztin für Allgemeinmedizin-Sportmedizin Dr. W. vom 3. Juni 2006, woraus sich nach der anzuwendenden Richtsatzposition 357 ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. ergebe.

In der Stellungnahme (Dris. W) vom 6. Dezember 2005 heißt es

unter anderem wie folgt:

"Diagnose:

77 (I): Lymphozytäre Duodenitis mit geringer bis mässiger Zottenatrophie. Das morphologische Bild vereinbar mit einer Zöliakie (destruktiver Typ, Marsh III a).

78 (II): Magenmucosa vom Antrumtyp ohne pathologische Veränderungen. HP nicht nachweisbar.

79 (III): Magenmucosa vom Corpustyp ohne pathologische Veränderungen. HP nicht nachweisbar."

In der Stellungnahme Dris. W. vom 3. Juni 2006 wird u. a. Folgendes ausgeführt:

"(Der Beschwerdeführer) leidet an einer, sowohl durch Dünndarmbiopsie, als auch immunologisch nachgewiesenen Cöliakie.

Nach den neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen wird die Cöliakie oder Sprue zu den autoimmunologischen Dünndarmerkrankungen gezählt. Als Autoantigen dient die Gewebstransglutaminase, welche Gliadin (Weizeneiweiß) als Substrat benutzt, Es kommt zur Selbstzerstörung von Dünndarmzellen und dadurch bedingt anfangs zu Symptomen eines Reizdarmsyndroms, oft auch zu Blutverlusten wegen unzureichender Eisenresporption und Eisenmangelanämie. Die Diagnose einer Sprue erfolgt erst viele Jahre nach Beginn der Krankheit (im Mittel etwa 5 Jahre). Außerdem haben Patienten mit Cöliakie ein erhöhtes Risiko für andere immunologische Erkrankungen, wie Psoriasis, Diabetes Typ I, Autoimmunthyreoititis und Hepatitis auch Gastritis, Dermatitis und multiple endokrine Neoplasie.

Die Therapie besteht in einer konsequenten glutenfreien Diät. Bei 17 % der Patient bleibt jedoch der Durchfall, trotz Diät weiter bestehen, wegen Colitis oder Pankreasinsuffizienz.

Beim (Beschwerdeführer) bestanden, laut Anamnese bereits seit der Kindheit Probleme mit der Verdauung, wobei diese sich seit ca einem guten halben Jahre drastisch verschlechtert haben. Wenn man die wissenschaftlichen Untersuchungen betrachtet, wonach die Diagnose erst viele Jahre nach Beginn der Krankheit gestellt wird (im untersuchten Kollektiv im Mittel 5 Jahre) und berücksichtigt, dass eine Assoziation der Sprue mit dem Chromosom 19p13.1 gefunden wurde (Gastroenterlogy 2003; 125: 1032-1041) so ist zweifellos der Beginn der Erkrankung vor dem 18. Lebensjahr gelegen.

Was die Einschätzung des Grades der Behinderung betrifft, so kommt nach der 150. Verordnung: Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit, 29.6.1965: die Richtsatzposition III d 357 zum Tragen:

50 % Darmerkrankungen mit schweren anatomischen Veränderungen, da es zu einer nachgewiesenen Zottenatrophie der Dünndarmschleimhaut gekommen ist, unterer Rahmensatz, da durch Diät Besserung. Die Allergie gegen die Blütenpollen verschiedener Gräser und Bäume, sowie die Hausstaubmilbenallergie ist nach VII b 655 einzuschätzen mit 20 %, da sie zwar behandelbar ist jedoch, bedingt durch die Hausstauballergie das ganz Jahr über auftritt.

Die Migräne hat sich offenbar gebessert, sodass dadurch kein Grad der Behinderung mehr gegeben ist.

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt daher 50 %.

Die Allergie gegen Blütenpollen und Hausstaubmilbe führt zu keiner Steigerung des Rahmensatzes.

Da die Sprue eine lebenslange Erkrankung ist, die sogar die Gefahr von Nachfolgekrankheiten, wie andere Autoimmunkrankheiten aber auch bösartige Neubildung in sich trägt, ist mit einer Besserung nicht zu rechnen.

Eine besondere Diät ist lebenslang einzuhalten. Eine Erwerbsunfähigkeit ist nicht gegeben."

Die belangte Behörde führte ein Ermittlungsverfahren durch, in welchem sie folgende Gutachten und ärztliche Stellungnahmen einholte:

1) Gutachten des Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr. H. vom 15. September 2006:

"... Anamnese:

Vor ca. 6 Jahren im Sommer Auftreten von behinderter Nasenatmung mit Juckreiz im Bereich Nase und Rachen. Vom Hautarzt wurde eine allergische Rhinitis (Frühblüher, Gräser, Hausstaubmilbe) festgestellt. Seither wird in der Zeit von Mai bis Oktober Zyrtec eingenommen. Damit sind die Beschwerden gut beherrschbar. Regelmäßige Nachkontrollen beim Hautarzt wurden durchgeführt. Im Dezember 2005 wurde eine Zöliakie diagnostiziert. Eine entsprechende Diät wird eingehalten. Der Ernährungszustand ist gut. Beim Internisten erfolgen regelmäßige Kontrollen. Wegen der allergischen Rhinitis wurde ein GdB von 10 %, wegen der Zöliakie ein GdB von 20 %, Ges.-GdB 20 % zuerkannt. Diese Einstufung wurde beeinsprucht.

Status:

Mund, Mesopharynx: unauffällige Schleimhautverhältnisse.

Epipharynx: Tubenostien und Choanen frei. Larynx, Hypopharynx:

normale, seitengleiche Stimmbandmotorik, unauffällige

Schleimhautverhältnisse. Nase frei. Ohren: Cerumen obturans rechts, randständiges Cerumen links, nach Reinigung Gehörgänge und Trommelfelle o.B.

Befunde:

Allergietest: ++ Erle, Gräser, Roggen, D.pteronyssinus +

Birke, Hasel, Buche, Esche, Eiche, Spitzwegerich, D.farinae,

Katze, Hund. (+) Beifuss.

Beurteilung:

Allergische Rhinitis. Unter Zyrtec Beschwerden gut beherrschbar. Die Beschwerden in erster Linie durch Pollen bedingt, die Hausstaubmilbenallergie offensichtlich ohne größere klinische Relevanz, da durch Hausstaubmilbenbelastung Probleme vor allem in der kalten Jahreszeit auftreten aber im gegenständlichen Fall genau zu dieser Zeit keine behandlungspflichtigen Beschwerden auftreten. Einstufung gemäß Abschnitt VII B. 655: 10 % (somit die bisherige Einstufung korrekt). Eine Besserung der allergisch bedingten Beschwerden zwar möglich, aber unwahrscheinlich (wahrscheinlicher ist eine im Laufe der Jahre zunehmende Verschlechterung). Eine Nachuntersuchung ist nur bei Verschlechterung notwendig. Bezüglich der Zöliakie kann vom HNO-Arzt keine Einstufung vorgenommen werden. "

2) Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. F. vom 4. November 2006 (Untersuchung des Beschwerdeführers am 2. November 2006):

" BEURTEILUNG

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der festgestellten Gesundheitsschädigungen in Anlehnung an die in den Rechtssätzen gebrauchte Ausdrucksweise (Diagnose)

Richtsatzposition der die Gesundheits- schädigung zuzuordnen ist

Grad der MdE, entsprechender Richtsatzposition

ausge- drückt in einem Bruch

somit kausale MdE

1.

Zöliakie

III d 356

30%

1/1

30%

BEGRÜNDUNG UND ZUSAMMENFASSUNG

ad 1)

Beim Antragsteller besteht das Vollbild einer klassischen Zöliakie. Die durchgeführten Antikörperbestimmungen sind entsprechend und auch der endoskopische Befund hat eine Zöliakie ergeben. Unter Einhaltung einer glutenfreien Diät ist die Stuhlfrequenz mit ca. 2-3x täglich gegeben.

Beim Antragsteller besteht eine allergische Disposition, welche bereits im HNO-Gutachten abgehandelt wurde. Hinweise für ein Asthma bronchiale sind dzt. nicht gegeben.

Die Gesamtinvalidität ergibt sich mit 30% v.H.

Der Antragsteller ist Student.

Die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel

ist gegeben.

Weitere Entwicklung:

Eine Nachuntersuchung aus interner Sicht ist nicht notwendig.

Gegenüber der aktenmäßigen Einstufung ergibt sich eine höhere Einstufung aufgrund der bestehenden Klinik 2-3 Stühle täglich unter glutenfreier Kost."

3) Stellungnahme des Amtsarztes der belangten Behörde Dr. L. vom 21. Dezember 2006:

"Nr.

Gesundheitsschädigung

Position in den Richtsätzen

Grad der Behinderung

1

Zöliakie

Unterer Rahmensatz, da labormäßig und endoskopisch bewiesen und da unter glutenfreier Kost gut kompensiert

g.Z. 356

30%

2

Allergische Rhinitis

Unter Rahmensatz, da gut behandelbar und keine Beteiligung der tiefen Luftwege

g.Z. 655

10%

Gesamtgrad der Behinderung

30%

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30%, weil der führende Grad der Behinderung unter Nr. 1 durch Leiden unter Nummer 2 wegen fehlender ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht weiter erhöht wird."

Die belangte Behörde forderte daraufhin den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 2. Jänner 2007 auf, zu diesen Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 12. Jänner 2007 kam der Beschwerdeführer dieser Aufforderung nach und erwiderte insbesondere, dass auf ihn - wie schon die Ärztin Dr. W. beurteilt habe - wegen des Bestehens einer Darmerkrankung mit schweren anatomischen Veränderungen die Richtsatzposition 357 und demzufolge ein Grad der Behinderung von 50 bis 70 v.H. zur Anwendung zu gelangen habe.

Die belangte Behörde holte in der Folge die ergänzende Stellungnahme Dris. L. vom 1. Feber 2007 ein, in welcher es lautet wie folgt:

"Das vorliegende Leiden 'Zöliakie' ist keinesfalls der Richtsatzposition 357 zuzuordnen, sondern wie im Gutachten ausgeführt und begründet mit Pos 356 sowie 30 %! Die nachgewiesene Zottenatrophie ist unter dieser Einschätzung berücksichtigt - entspricht aber nicht schweren anatomischen Veränderungen!

Eine neuerliche Vorschreibung an bereits befasste medizin. SV ist nicht notwendig; auch ein weiteres SVGA ist nicht notwendig.

Der festgestellte Grad der Behinderung ist ab 2005 anzunehmen und die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung 'D1' liegen vor!

Die Zusatzeintragung 'D1' ist ab 2005 anzunehmen, da in diesem Jahr objektive Befunde erhoben wurden, die das Leiden Zöliakie einwandfrei bestätigen - siehe dazu die Befunde der Mediz. Univ. Graz vom 6.12.2005 und den Befund Prof. W., Ausdruck vom 28.10.2005.

Unter Berücksichtigung der o.a. objektiven Befunde ist auch der ermittelte Gesamt GdB ab 2005 anzunehmen."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde daraufhin die Berufung des Beschwerdeführers ab. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und vertrat die Auffassung, dass die von ihr eingeholten ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen schlüssig seien und der Beschwerdeführer nichts vorgebracht und auch keine Beweismittel vorgelegt habe, die geeignet seien, die Beurteilung der Sachverständigen bzw. die Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Gegenüber der erstinstanzlichen Beurteilung ergebe sich eine Veränderung insoweit, als der Gesamtgrad der Behinderung mit 30 v.H. einzuschätzen sei. Die Voraussetzungen für die Ausstellung des Behindertenpasses seien damit gemäß § 40 Abs. 1 BBG nicht erfüllt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgebenden Bestimmungen des § 40 (idF BGBl. I Nr. 150/2002) und § 41 (idF BGBl. I Nr. 136/2004) BBG lauten wie folgt:

"BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach den Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Bestimmungen keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend gemacht wird.

(3) Entspricht ein Behindertenpasswerber oder der Inhaber eines Behindertenpasses ohne triftigen Grund einer schriftlichen Aufforderung zum Erscheinen zu einer zumutbaren ärztlichen Untersuchung nicht, verweigert er eine für die Entscheidungsfindung unerlässliche ärztliche Untersuchung oder weigert er sich, die zur Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Angaben zu machen, ist das Verfahren einzustellen. Er ist nachweislich auf die Folgen seines Verhaltens hinzuweisen."

In der Anlage über die Richtsätze zur Verordnung des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965 für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 150/1965, ist u.a. nach der Richtsatzposition 356, "Chronische Gastroenterocolitis (Achylie, Dyspepsie), schlechte Ausnützung der Kost" eine MdE. von 30-40 v.H. anzusetzen, nach der Richtsatzposition 357, "Darmerkrankungen mit schweren anatomischen Veränderungen", eine MdE. von 50-70 v.H.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob die belangte Behörde zu Recht von einem Grad der Behinderung des Beschwerdeführers von 30 v.H. ausgegangen ist, und er daher die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG nicht erfülle, oder ob (und, bejahendenfalls, seit wann) beim Beschwerdeführer ein Grad der Behinderung von zumindest 50 v.H. gegeben sei. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf die von ihr als schlüssig erachteten ärztlichen Sachverständigengutachten bzw. Stellungnahmen, insbesondere auch auf die abschließende ärztliche Stellungnahme Dris. L., worin dieser seine schon bisher vertretene Auffassung bekräftigte, dass beim Beschwerdeführer die nachgewiesene "Zottenatrophie" unter der Richtsatzposition 356 berücksichtigt sei, beim Beschwerdeführer schwere anatomische Veränderungen nicht gegeben seien und daher die Richtsatzposition 357 nicht zur Anwendung gelange. Dem folgend stellte die belangte Behörde im Hinblick auf die Vorschriften des §§ 7 und 9 Abs. 1 KOVG bzw. der Richtsatzverordnung den Grad der Behinderung des Beschwerdeführers mit 30 v.H. fest.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die belangte Behörde einen ministeriellen Erlass ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt habe, der keine allgemein verbindliche Rechtsgrundlage darstelle, und in welchem im Übrigen in gegen den Gleichheitssatz verstoßender Weise, was die Anwendung von Richtsatzpositionen anlange, zwischen Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und Personen nach Vollendung des 18. Lebensjahres unterschieden werde, ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde einen derartigen Erlass nach der tragenden Begründung ihrer Entscheidung nicht als verbindliche Rechtsgrundlage angewendet hat. Die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers sind daher verfehlt. Im Übrigen ist das Beschwerdevorbringen jedoch zielführend:

Der Beschwerdeführer hatte sein Berufungsvorbringen insbesondere auch auf die Stellungnahme der Ärztin Dr. W. gestützt, worin diese ausführte, dass das Leiden beim Beschwerdeführer bereits vor dem 18. Lebensjahr begonnen habe und im Hinblick auf die nachgewiesene Zottenatrophie der Dünndarmschleimhaut eine Darmerkrankung mit schweren anatomischen Veränderungen vorliege, sodass nach der Richtsatzposition 357 ein Grad der Behinderung von 50 v.H. zum Tragen komme. In der erwähnten ergänzenden Stellungnahme Dris. L. vom 1. Feber 2007, die offensichtlich auf das Vorbringen des Beschwerdeführers und die Ausführungen Dris. W. eingeht, wird dem zur entscheidenden Frage, ob schwere anatomische Veränderungen im Darmbereich vorliegen, bloß entgegengesetzt, dass die Zottenatrophie "nicht schweren anatomischen Veränderungen entspreche". Eine nähere Begründung hiezu, ein detailliertes Eingehen auf die Ausführungen Dris. W., oder Ausführungen, warum auf Grund der eigenen Befundung durch Dr. L. seine Beurteilung im Gegensatz zur Beurteilung der Dr. W. richtig sei, findet sich darin nicht.

Die belangte Behörde hat (ebenso wie der Sachverständige Dr. L.) nicht näher begründet, warum - ungeachtet der unterschiedlichen ärztlichen Beurteilungen - eine weitere Untersuchung des Beschwerdeführers "nicht notwendig" und ein ergänzendes Sachverständigengutachten nicht erforderlich sei. Desgleichen wird die Beurteilung des Sachverständigen, dass der festgestellte Grad der Behinderung "seit 2005 anzunehmen" sei, nicht nachvollziehbar begründet. Da somit das von der Behörde eingeholte Sachverständigengutachten unvollständig geblieben ist, hätte sie es nicht ihrer Entscheidung zu Grunde legen dürfen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die bereit im Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand enthaltene Umsatzsteuer.

Wien, am 16. September 2008

Schlagworte

Begründung BegründungsmangelBesondere Rechtsgebiete"zu einem anderen Bescheid"

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007110162.X00

Im RIS seit

16.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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