TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/17 2008/23/0675

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Veröffentlicht am 17.09.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Dr. Wurdinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des A E in G, geboren am 9. Februar 1937, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. September 2004, Zl. 225.417/6-IX/27/02, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 31. August 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 5. Oktober 2001 gab er an, er habe in Teheran ein Cafe geführt, das wegen Verstößen seiner Gäste gegen islamische Regeln und Sitten von Sittenwächtern geschlossen worden sei. Er sei verhaftet und zu einer Strafe von sechzig Peitschenhieben sowie einer Geldstrafe verurteilt worden. Später habe er im Cafe eines Freundes den - in Teheran eigentlich verbotenen - Verkauf alkoholischer Getränke übernommen, weil er Geld gebraucht habe. Als auch dieses Lokal von Sicherheitskräften überprüft worden sei, sei er aus Angst vor einer weiteren Strafe geflohen.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 30. November 2001 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran zulässig sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung (samt Berufungsergänzung) brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, bei seiner Ankunft in Österreich seien Spuren von Schlägen und Misshandlungen während seiner Anhaltung durch die Polizei noch sichtbar gewesen; er beantrage daher eine gerichtsmedizinische Untersuchung. Der Verkauf von Alkohol habe eine Missachtung des Islam dargestellt, weshalb ihm im Fall seiner Rückkehr Verfolgung drohe. Weiters brachte er vor, dass er in Österreich den Gottesdienst in christlichen Kirchen besuche. Dies habe er bereits im Iran tun wollen, sich aber nicht frei dafür entscheiden können. Innerlich sei er bereits zum Christentum übergetreten und habe sich vom Islam abgewandt, was den Iranern, zu denen er in Österreich Kontakt habe, bekannt sei. Es sei daher durchaus möglich, dass dies auch den iranischen Behörden bekannt geworden sei, weshalb ihm bei einer Rückkehr in den Iran eine schwere Strafe drohe.

Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 17. Februar 2004, 13. Juli 2004 und 3. August 2004, in deren Zuge auch ein im Berufungsverfahren von einem Sachverständigen aus dem Bereich der Unfallchirurgie erstattetes Gutachten erörtert sowie der Pfarrer, der den Beschwerdeführer und dessen Ehefrau mittlerweile getauft hatte, deren Taufpaten und die Frau des Beschwerdeführers einvernommen wurden, wies die belangte Behörde die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 AsylG ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der Beschwerdeführer im Iran inhaftiert, misshandelt und verletzt sowie zu einer Strafe von sechzig Peitschenhieben und einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Das in Bezug auf die behaupteten Verletzungen des Beschwerdeführers erstattete Sachverständigengutachten sei widerspruchsfrei und schlüssig gewesen, der erhobene Befund habe sich mit den Angaben des Beschwerdeführers zu den von ihm erlittenen Misshandlungen nicht in Einklang bringen lassen und es könnten die von ihm angegebenen Verletzungen unfallchirurgisch nicht objektiviert werden. Außerdem habe der Beschwerdeführer in der Frage der Behandlung seiner Verletzungen im Iran widersprüchliche Aussagen gemacht.

Zur Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum führte die belangte Behörde aus, es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer "nur zum Schein zum Christentum konvertiert" sei; er habe den christlichen Glauben nur vorübergehend, zum Zweck der Asylerlangung angenommen, sodass nicht anzunehmen sei, dass er im Falle einer Rückkehr in den Iran angeben würde, Christ zu sein, und trachten würde, ein christliches Leben zu führen. "Trotz des Umstandes, dass aufgrund der diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des (Beschwerdeführers) und seiner Ehefrau in Zusammenhang mit den (übereinstimmenden) Aussagen der Zeugen Pater Dr. L P sowie B und H H angenommen werden muss, dass der (Beschwerdeführer) seit 2004 regelmäßig Gottesdienste und andere Veranstaltungen der katholischen Pfarrgemeinde G besucht", müsse von einer "Scheinkonversion" ausgegangen werden. Denn weder im Vorbringen beim Bundesasylamt noch in der Berufung finde sich ein Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer im Iran eine Nahebeziehung zum Christentum oder Kontakt zu dort lebenden Christen gehabt habe. Erst in der Berufungsergänzung sei dieser Aspekt vorgebracht worden. In der Berufungsverhandlung habe er dann schließlich angegeben, dass 80% seiner Freunde der armenischen Volksgruppe angehörten und er öfter an ihren Veranstaltungen teilgenommen habe. Wer bereits vor seiner Ausreise Interesse an einer anderen Religion gehabt hätte und ernsthaft entschlossen gewesen wäre, seine Religionszugehörigkeit zu ändern, hätte dies von Anfang an angegeben und nicht erst im Laufe des Asylverfahrens. Dass der Beschwerdeführer mit seiner Konversion bloß die Erlangung von Asyl bezwecke, folge auch daraus, dass er im Zusammenhang mit der von ihm aufgestellten unglaubwürdigen Verfolgungsbehauptung vorgebracht habe, ein iranischer Richter sei davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer bereits (im Iran) zum Christentum übergetreten wäre. Auch die zeitlichen Zusammenhänge seien auffallend: sowohl eine vom Beschwerdeführer vorgelegte Bestätigung des Pfarramtes G als auch sein Taufschein seien jeweils kurz vor den darauffolgenden Terminen der Berufungsverhandlung ausgestellt worden.

Aufgrund dieser Erwägungen im Zusammenhang mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens, der Beschwerdeführer sei im Iran misshandelt und ausgepeitscht worden, sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass aus dem äußeren Verhalten des Beschwerdeführers nicht auf eine innere Überzeugung geschlossen werden könne, sodass nicht angenommen werden könne, dass der Beschwerdeführer "auch nach einer Rückkehr in den Iran Christ bleiben würde". Als nur zum Schein, also zum Zweck der Asylerlangung zum Christentum Konvertierter habe der Beschwerdeführer im Iran nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu befürchten, weil man im Iran - nach den von der belangten Behörde auf Grundlage einer Anfragebeantwortung des Deutschen Orientinstitutes vom 26. April 2004 getroffenen Feststellungen - Verständnis für eine solche "Konversion zum Zwecke der Beförderung des Asylverfahrens (...) hat und gebilligt wird, dass Iraner, die es 'anders nicht schaffen', es einmal so versuchen", Asyl zu erlangen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerde macht zu Recht einen Begründungsmangel in Bezug auf den geltend gemachten Nachfluchtgrund der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum geltend (vgl. zur asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum in Bezug auf den Iran zuletzt die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 2007, Zl. 2004/20/0485 und Zl. 2004/20/0215, mwN).

Die belangte Behörde hat die Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau sowie die Aussagen des Pfarrers, von dem der Beschwerdeführer getauft wurde, und der beiden Taufpaten insofern als glaubwürdig erachtet, als der Beschwerdeführer seit Beginn 2004 regelmäßig Gottesdienste und andere Veranstaltungen der katholischen Pfarrgemeinde G besucht hat. Ungeachtet dieses Umstandes hat sie aber eine "Scheinkonversion" angenommen und sich dabei im Wesentlichen auf die Gesichtspunkte des (im Verfahrensablauf) späten Vorbringens des Glaubensaspektes sowie darauf, dass einzelne Schritte zur Aufnahme in die katholische Kirche jeweils knapp vor Verfahrensterminen gesetzt worden seien, gestützt.

Da es für die Frage des Vorliegens des geltend gemachten Nachfluchtgrundes nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Beschwerdeführer schon im Iran mit dem Christentum in Berührung gekommen ist, sondern auf die Beurteilung der bei ihm nunmehr bestehenden Glaubensüberzeugung, hätte es für eine schlüssige Begründung der Einschätzung, es liege eine "Scheinkonversion" vor, vor allem einer konkreten Auseinandersetzung mit den Angaben des Pfarrers und der Taufpaten bedurft. Jener sagte über den Beschwerdeführer und dessen Frau aus, dass diese den Übertritt ernst nähmen: Er "habe schon viele Jahre als Priester Erfahrung und glaube auch eine gewisse Menschenkenntnis zu besitzen. Die beiden müssten Oscarpreisträger sein, um sich so verstellen zu können". Auch die beiden Taufpaten gaben übereinstimmend (sinngemäß) an, sie seien sicher, dass der Beschwerdeführer und seine Frau den Übertritt ernst meinten; diese hätten viele Fragen religiöser Natur gestellt und wirkliches Interesse an kirchlichen Vorgängen gezeigt, sodass sie trotz einer anfänglichen Skepsis von der Ernsthaftigkeit des Glaubensübertrittes des Beschwerdeführers überzeugt worden seien.

Die von der belangten Behörde bei ihrer Beweiswürdigung herangezogenen Gesichtspunkte stellen vor dem Hintergrund der Aussagen dieser - von der belangten Behörde auch als glaubwürdig bezeichneten - Zeugen keine schlüssige Begründung für die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Verneinung einer inneren Glaubensüberzeugung beim Beschwerdeführer dar. Der Bescheid leidet daher in Bezug auf den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Nachfluchtgrund an einem relevanten Begründungsmangel.

Da der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund aufzuheben ist, musste auf das übrige Beschwerdevorbringen nicht eingegangen werden.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. September 2008

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008230675.X00

Im RIS seit

17.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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