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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art131 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl, den Hofrat Dr. Robl und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, in der Beschwerdesache der B, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Kiechl, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 115/9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. März 2008, Zl. 317.903/2-III/4/07, betreffend Zurückweisung einer Berufung, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 13. März 2008 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. September 2007, mit dem der Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" abgewiesen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren gemäß § 35 VwGG ein. Mit Schreiben vom 22. Juli 2008 teilte die belangte Behörde mit, dass sie das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wegen neu hervorgekommener Tatsachen und Beweismittel von Amts wegen wiederaufgenommen und einen neuerlichen Bescheid (vom 14. Juli 2008, Zl. 317.903/8-III/4/08) erlassen habe, womit die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien abgewiesen worden sei.
Die hiezu gemäß § 33 VwGG um Stellungnahme ersuchte Beschwerdeführerin teilte mit, dass sich aus der nunmehr vorliegenden Sachentscheidung der belangten Behörde ergebe, dass der angefochtene Bescheid originär rechtswidrig gewesen sei. Die Beschwerdeführerin hätte im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof obsiegt, da die Bundesministerin für Inneres im Bescheid vom 14. Juli 2008 außer Streit stelle, dass die Berufung der Beschwerdeführerin rechtzeitig und daher nicht zurückzuweisen gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof möge daher nach freiem Ermessen dem Beschwerdeführer die vollen verzeichneten Kosten des Verfahrens zuerkennen.
Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist, wenn in irgend einer Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde, nach dessen Einvernahme die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Nach der hg. Rechtsprechung kommt bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG eine Klaglosstellung nur bei einer formellen Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht (vgl. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, VwSlg 10.092/A).
Durch die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens tritt im Anwendungsbereich des AVG der Bescheid, mit dem das wiederaufzunehmende Verfahren abgeschlossen wurde, von selbst außer Kraft. Vor diesem Hintergrund ist daher auch der angefochtene Bescheid - nach Einbringung der vorliegenden Beschwerde - mit der Zustellung des besagten Bescheides der belangten Behörde vom 14. Juli 2008 außer Kraft getreten, ohne dass er durch eine formelle Aufhebung in der beschriebenen Art beseitigt worden wäre. Im Beschwerdefall ist somit keine formelle Klaglosstellung gegeben (vgl. den hg. Beschluss vom 13. Februar 2007, 2004/18/0186).
§ 33 Abs. 1 leg. cit. ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann sinngemäß anzuwenden, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat, wenn also sein Rechtsschutzinteresse weggefallen ist (vgl. nochmals den Beschluss vom 13. Februar 2007). Ein solcher Wegfall des Rechtsschutzinteresses ist gegeben, wenn eine Sachentscheidung ohne Bedeutung wäre.
Wie erwähnt, ist der angefochtene Bescheid mit der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 14. Juli 2008 außer Kraft getreten. Die Beschwerdeführerin kann damit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine rechtliche Besserstellung mehr erreichen. Mithin ist ihr Rechtsschutzinteresse nachträglich weggefallen.
Somit war die Beschwerde unter sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG ist der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.
Für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies Folgendes:
Die belangte Behörde ist in ihrem Bescheid vom 13. März 2008 davon ausgegangen, dass der erstinstanzliche Bescheid laut Schreiben der Österreichischen Botschaft Sarajewo vom 9. November 2007 rechtswirksam am 20. Oktober 2007 zugestellt worden sei. Die Beschwerde bringt jedoch vor, dass der Beschwerdeführerin die Beschwerde frühestens am 25. Oktober 2007 zugestellt worden sei, was sich aus dem Originalkuvert der Österreichischen Botschaft mit Postaufgabestempel vom 24. Oktober 2007 ergebe. Zu dem Schreiben der Österreichischen Botschaft Sarajewo vom 9. November 2007 sei der Beschwerdeführerin kein rechtliches Gehör gewährt worden.
Vor der Zurückweisung einer Berufung als verspätet hat die Berufungsbehörde nach der hg. Judikatur entweder von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist - wenn Umstände auf einen solchen hinweisen - oder dem Beschwerdeführer die offenbare Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten; unterlässt sie dies, so kann der Beschwerdeführer ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot den Zustellmangel in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof geltend machen. Die belangte Behörde hat offenbar dem Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen, die Berufung zurückweisenden Bescheides die angebliche Versäumung der Berufungsfrist nicht vorgehalten. Dadurch ist ihr ein relevanter Verfahrensfehler unterlaufen. Hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin Parteiengehör gewährt, hätte diese auf den für den Verfahrensausgang wesentlichen Umstand, nämlich dass ihr die Beschwerde nicht am 20. Oktober 2007, sondern frühestens am 25. Oktober 2007 zugestellt worden sei, hinweisen können. Der angefochtene Bescheid wäre von daher im Fall einer Sachentscheidung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben gewesen.
Wien, am 17. September 2008
Schlagworte
Zuspruch von Aufwandersatz gemäß §58 Abs2 VwGG idF BGBl 1997/I/088ParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008220024.X00Im RIS seit
05.02.2009Zuletzt aktualisiert am
19.02.2009