TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/18 2008/21/0394

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Veröffentlicht am 18.09.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
TilgG 1972 §2 Abs1;
TilgG 1972 §3 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. Josef Kaiblinger, Rechtsanwalt in 4623 Gunskirchen, Marktplatz 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. Februar 2008, Zl. St 004/08, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 11. Februar 2008 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) - in Bestätigung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10. Dezember 2007 - den aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den erstinstanzlichen Bescheid und die Berufung wörtlich wieder und zitierte danach die maßgeblichen Rechtsvorschriften. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung stellte sie fest, der Beschwerdeführer sei am 26. April 2002 per Flugzeug illegal nach Österreich eingereist. Sein in der Folge gestellter Asylantrag sei mit Berufungsbescheid vom 9. September 2005 negativ erledigt und die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 9. November 2007 abgelehnt worden. Daran anknüpfend führte die belangte Behörde weiter aus, der Beschwerdeführer halte sich seit 30. November 2007 (Datum der Zustellung des genannten Beschlusses) unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Angesichts der bisherigen Aufenthaltsdauer, seiner Deutschkenntnisse und in Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer (seit 6. Dezember 2005) mit A.N. verheiratet sei, diese von ihm ein Kind erwarte und ihr eine asylrechtliche "temporäre Aufenthaltsberechtigung" zukomme, sei dem Beschwerdeführer eine "diesen Umständen entsprechende Integration zuzugestehen". Diese werde in ihrem Gewicht jedoch dadurch erheblich gemindert, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers bis zum 30. November 2007 lediglich aufgrund eines sich letztlich als unberechtigt erweisenden Asylantrages rechtmäßig gewesen und seither jedenfalls rechtswidrig sei. Darüber hinaus werde diese Integration in ihrer sozialen Komponente angesichts der am 13. November 2002 erfolgten rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Salzburg wegen §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten relativiert. "Deshalb" sei gegen den Beschwerdeführer am 28. Juni 2002 auch ein rechtskräftiges und durchsetzbares Aufenthaltsverbot verhängt worden. Überdies sei zu berücksichtigen, dass der Asylantrag der am 11. August 2005 illegal eingereisten Ehefrau des Beschwerdeführers mit Berufungsbescheid vom 26. Jänner 2007 abgewiesen und ihre Ausweisung verfügt worden sei. Die dagegen erhobene Beschwerde, der vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. März 2007 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, sei noch nicht erledigt.

Der Beschwerdeführer halte sich - so begründete die belangte Behörde weiter - seit etwa zwei Monaten illegal in Österreich auf. Die öffentliche Ordnung werde aber schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die inländischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das gelte auch dann, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund sei auch das Ermessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers zu üben, insbesondere weil das dem Beschwerdeführer vorwerfbare (Fehl-)Verhalten (ausdrücklich erklärte mangelnde Bereitschaft zum freiwilligen Verlassen des Bundesgebietes trotz abgeschlossenen Asylverfahrens, darüber hinaus rechtskräftige Verurteilung im Jahr 2002 wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden) im Verhältnis zu der vom Beschwerdeführer geltend gemachten, allerdings (wie erwähnt) erheblich zu relativierenden Integration überwiege und weil auch sonst keine besonderen, für eine Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände ersichtlich seien.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird zugestanden, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Ihr sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Dafür bestehen nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte, sodass keine Bedenken gegen die behördliche Annahme bestehen, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

In diesem Zusammenhang wird in der Beschwerde kritisiert, im Hinblick auf den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers sowie wegen seiner familiären und privaten Bindungen sei die nur formelhaft begründete Interessenabwägung der belangten Behörde unzureichend. Vor allem verweist der Beschwerdeführer darauf, dass er im Falle seiner Ausweisung an der Führung seines Familienlebens mit seiner Ehefrau und dem im Juni 2008 zur Welt kommenden Kind gehindert wäre. Eine Trennung wäre aber weder ihm noch seiner schwangeren Ehefrau zumutbar. Dem habe die belangte Behörde zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen.

Schon dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Den Erwägungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid lässt sich nämlich nicht entnehmen, aus welchen Gründen die Ausweisung des Beschwerdeführers zu einem Zeitpunkt für notwendig erachtet wurde, als seine über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht verfügende schwangere Ehefrau die Geburt des gemeinsamen Kindes erwartete, und weshalb mit der Ausweisung des Beschwerdeführers nicht bis zur Beendigung des Asylverfahrens der Ehefrau und der damit verbundenen endgültigen Klärung ihres Aufenthaltstatus zugewartet werden konnte. In dieser besonderen Situation hätte die Rechtfertigung für den durch die Ausweisung bewirkten Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen tatsächlich eingehender und unter Bedachtnahme auf die damit konkret verbundenen Folgen einer möglichen Trennung auf die Lebenssituation der Beteiligten begründet werden müssen.

Außerdem hätte die belangte Behörde - wie der Beschwerdeführer ebenfalls zutreffend einwendet - berücksichtigen müssen, dass die strafrechtliche Verurteilung vom 13. November 2002 nach § 3 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Tilgungsgesetz 1972 angesichts des Beginns der fünfjährigen Tilgungsfrist mit Rechtskraft des Urteiles - laut der in den Verwaltungsakten befindlichen Strafregisterauskunft - am 19. November 2002 schon im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Ausweisung getilgt war. Im Übrigen konnte das im angefochtenen Bescheid erwähnte, (nach den behördlichen Annahmen) schon davor erlassene Aufenthaltsverbot vom 28. Juni 2002 - anders als die belangte Behörde meint - nicht wegen dieser strafgerichtlichen Verurteilung verhängt worden sein. Vor allem ist aber - worauf die Beschwerde ebenfalls zutreffend verweist - dessen Dauer von fünf Jahren bereits abgelaufen. Auch insoweit leidet die Interessenabwägung im angefochtenen Bescheid somit an einem Begründungsmangel.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 18. September 2008

Schlagworte

Begründung BegründungsmangelBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008210394.X00

Im RIS seit

17.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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