Index
L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
BDG 1979 §112 Abs4 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des Ing. G S in G bei M, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 29. Mai 2006, Zl. MA 2/690133 B, betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung der Gehaltskürzung nach § 94 Abs. 4 der Wiener Dienstordnung 1994 (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 10. März 2006 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 94 Abs. 1 der Wiener Dienstordnung, LGBl. Nr. 56/1994 (in der Folge: DO 1994), mit Wirksamkeit vom 10. März 2006 vorläufig vom Dienst suspendiert. Mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 4. April 2006 wurde der Beschwerdeführer mit Wirksamkeit vom 5. Mai 2006 gemäß § 94 Abs. 6 DO 1994 endgültig vom Dienst suspendiert.
Mit Schreiben vom 13. März 2006 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Aufhebung der mit der Suspendierung ipso iure einhergehenden Kürzung seines Monatsbezuges für die Dauer seiner Suspendierung. Er begründete diesen Antrag damit, er habe monatlich anfallende Ausgaben für Kredit- und Förderungsraten für den Hauskauf bzw. -umbau, Betriebskosten, Versicherungsraten für Hausbau-Risiko-, Haushalts- und Lebensversicherung, Mehraufwendungen für seinen an einer Lebensmittelallergie leidenden minderjährigen Sohn und Schulaufwendungen für zwei schulpflichtige Kinder in der Gesamthöhe von EUR 1.656,--. Unter Berücksichtigung seines nunmehr um ein Drittel gekürzten Monatseinkommens und der Verpflichtung der Gewährung des Lebensunterhaltes für seine Ehefrau und seine beiden Kinder sei daher sein sowie der Lebensunterhalt der weiteren drei Familienmitglieder auf das Äußerste gefährdet, bei nicht fristgerechter Rückzahlung der von ihm angeführten Förderungs- und Kreditraten drohe der Verlust der Wohnmöglichkeit und Obdachlosigkeit.
In Ergänzung zu diesem Antrag legte der Beschwerdeführer überdies dar, dass das von ihm, seiner Ehefrau und den gemeinsamen minderjährigen Kindern bewohnte Haus eine Wohnnutzfläche von 170m2 aufweise, er für die beiden Kinder Familienbeihilfe beziehe und seine Ehegattin ein durchschnittliches monatliches Einkommen von EUR 1.200,-- beziehe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag als unbegründet abgewiesen.
Die belangte Behörde führte nach Zitierung der Bestimmung des § 94 Abs. 4 DO 1994 und Darlegung der von ihr als im vorliegenden Fall relevant erachteten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründend im Wesentlichen aus, dass einem suspendierten Beamten, der keinen Dienst leiste, eine Einschränkung der bisherigen Lebensgestaltung durchaus zugemutet werden könne, zumal er ohnehin gewisse Aufwendungen einspare, die ihm sonst bei der Dienstausübung entstünden.
Versicherungsleistungen und Kreditrückzahlungen dienten nicht der Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes, sondern der Vermögensbildung bzw. -erhaltung. Der suspendierte Beamte habe zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes vielmehr auch sein eigenes Vermögen heranzuziehen und zu verwerten. Hinsichtlich der Kreditrückzahlung sei überdies zu bemerken, dass mit den Gläubigern für die Dauer der Suspendierung eine Umschuldung, eine Aussetzung des Vertrages oder der Rückzahlungen oder andere Vereinbarungen getroffen werden könnten, welche die monatliche Zahlungsverpflichtung mindern oder beseitigen könnten. Die Bestimmung des § 94 Abs. 4 zweiter Satz DO 1994 bezwecke lediglich die Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes, somit der grundlegenden Bedürfnisse, nicht aber die Ermöglichung der Rückzahlung einer in der Vergangenheit eingetretenen Schuld. Eine Aufhebung der mit dem Ausspruch der Suspendierung verbundenen Bezugskürzung könne jedenfalls nicht so weit gehen, dass dem Betroffenen hierdurch die Aufrechterhaltung seines bisherigen Lebensstils ermöglicht werde. Vielmehr sei ihm durchaus zuzumuten, dass er diesen auf die zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes unbedingt erforderlichen Ausgaben reduziere und hinsichtlich der vor der Suspendierung eingegangenen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten eine Lösung zur Überbrückung des durch die erfolgte Gehaltskürzung eingetretenen finanziellen Engpasses anstrebe. Die Wiener Dienstordnung enthalte keine Legaldefinition des Begriffes des "notwendigen Lebensunterhaltes". Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung seien daher die einschlägigen Regelungen des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG), LGBl. Nr. 11/1973, in der geltenden Fassung, sowie der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Richtsatzverordnung), LGBl. Nr. 13/1973, in der geltenden Fassung, sinngemäß heranzuziehen. Unter Zugrundelegung der sich aus den Sozialhilfe-Richtsätzen ergebenden Beträge ergäbe sich ein insgesamt verbleibender mindesterforderlicher Betrag von EUR 882,-- (in der Heizperiode) bzw. EUR 842,-- (außerhalb der Heizperiode). Der auf Grund der im Folgenden näher dargestellten dienstrechtlichen Einreihung des Beschwerdeführers diesem gebührende Monatsbezug betrage seit Jänner 2006 EUR 2.647,01 brutto. Die infolge der Suspendierung eingetretene Verkürzung seines Monatbezuges um ein Drittel vermindere diesen Monatsbezug auf EUR 1.764,77 (brutto). Ein Vergleich des sich auf Grund der Bestimmungen des WSHG und der Sozialhilfe-Richtsatzverordnung ergebenden Aufwandes für den notwendigen Lebensunterhalt mit den oben genannten Netto-Beträgen habe ergeben, dass der "notwendige" Lebensunterhalt für den Beschwerdeführer und seine Familie durch die ihm gebührenden verkürzten Monatsbezüge gesichert sei und die von ihm geltend gemachte monatliche Kostenbelastung damit abgedeckt werden könne. Im Übrigen übersteige der ihm gebührende verkürzte Monatsbezug die Aufwendungen seines notwendigen Lebensunterhaltes, weshalb die zur Auszahlung gelangenden Beträge auch zur Erstattung allfälliger anderer Kosten herangezogen werden könnten. Die Voraussetzungen für eine Verminderung oder Aufhebung der Kürzung des Monatsbezuges gemäß der Bestimmung des § 94 Abs. 4 DO 1994 lägen somit nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer geltend, er habe in seinem Antrag behauptet und bewiesen, dass er zur Sicherung von Unterhalt und Unterkunft seiner Familie monatliche Ausgaben von EUR 1.656,-- zu leisten habe. Durch die Gehaltskürzung um ein Drittel beziehe er statt bisher EUR 2.647,-- monatlich brutto nur EUR 1.764,77 monatlich brutto. Daraus sei ein monatlicher Nettobezug von nicht über EUR 1.250,-- abzuleiten. Dieser allein sei für die Bedienung seiner monatlichen Zahlungsverpflichtungen von EUR 1.656,-- heranzuziehen. Das Argument der belangten Behörde, bei Suspendierung vom Dienst könne der Beschwerdeführer "gewisse Aufwendungen ersparen, die ihm sonst bei der Dienstausübung entstünden", gehe an der Sache vorbei, weil der Beschwerdeführer in seinem Antrag keine Zahlungsverpflichtungen geltend gemacht habe, die nur bei aktiver Dienstausübung entstünden. Durch die Suspendierung erspare er sich nichts. Aus der Gegenüberstellung seines monatlichen Nettogehaltes vor und nach der Suspendierung ergebe sich rein rechnerisch, dass bei einer Gehaltskürzung der notwendige Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familienangehörigen, für welche er sorgepflichtig sei, gefährdet sei und für sie alle ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstehe.
Aus Gründen prozessualer Vorsicht werde auch geltend gemacht, der angefochtene Bescheid lasse weder erkennen, wer die erlassende Behörde tatsächlich sei, da im Briefkopf auf 'Blatt 1 oben' des angefochtenen Bescheides kein Hinweis darauf enthalten sei, noch sei aus dem maschinenschriftlichen Hinweis "Für die Abteilungsleiterin: ..." zu entnehmen, wer den Bescheid genehmigt und erlassen habe.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, die Bestimmung des § 94 Abs. 4 DO 1994 sei eine "Kann"- Bestimmung, deren Nichtanwendung eine nachvollziehbare Darlegung der inneren Gedankengänge und Überlegungen der Behörde bedinge. Die belangte Behörde habe nicht ausreichend dargelegt, weshalb sie trotz begründeten Antrages keine Reduzierung der Gehaltskürzung vorgenommen habe. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren dauere an, sodass bei aufrechter Gehaltskürzung der bereits eingetretene Verlust, insbesondere der Wohnung, deren Wiederbeschaffung im gleichen Ausmaß auf Grund der Markt- und Kreditlage in der Zukunft auszuschließen sei, einen unwiederbringlichen Schaden darstelle. Der angefochtene Bescheid sei in diesem Sinne nicht ausreichend begründet.
1. Zur Bescheidqualität:
Gemäß § 18 Abs. 4 zweiter Satz AVG, in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 5/2008, hat die Ausfertigung der Erledigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Sie kann ferner entweder vom Genehmigenden eigenhändig unterzeichnet oder als von der Kanzlei beglaubigte Ausfertigung ergehen. Die Verwendung einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) entfaltet jedenfalls die Wirkung einer Beglaubigung durch die Kanzlei.
Der angefochtene Bescheid enthält in seinem Rubrum die Bezeichnung "Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 2 - Personalservice", samt vollständiger Anschrift und Kontaktadressen, Datum und Geschäftszahl. Unterzeichnet ist der Bescheid "Für die Abteilungsleiterin" mit einer handschriftlichen lesbaren Unterschrift unter Hinzufügung des Namens in Maschinschrift.
Damit enthält der angefochtene Bescheid die eindeutige Bezeichnung jener Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Aber auch die handschriftliche Unterzeichnung durch den Genehmigenden, nämlich den im internen Organisationsbetrieb mit der sachlichen Erledigung beauftragten und approbationsbefugten Organwalter ist vorhanden. Damit erweist sich der angefochtene Bescheid als formal richtig.
2. Zur sachlichen Berechtigung der Beschwerde:
Gemäß § 94 Abs. 4 DO 1994 verkürzt sich der Monatsbezug des Beamten - unter Ausschluss der Kinderzulage - während der Dauer einer Suspendierung um ein Drittel. Der Magistrat kann auf Antrag des Beamten die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, oder zur Vermeidung eines nicht wiedergutzumachenden Schadens erforderlich ist. Die Verfügung der Verminderung (Aufhebung) der Bezugskürzung wird mit dem ersten Tag der Suspendierung wirksam, wenn der Antrag binnen zwei Wochen ab Erlassung des Suspendierungsbescheides gestellt wird, sonst mit dem Tag der Antragstellung. Gegen die Entscheidung des Magistrats ist kein Rechtsmittel zulässig.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu der vergleichbaren Bestimmung des § 112 Abs. 4 BDG 1979 - die gleichfalls an der Aufrechterhaltung des "notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist", orientiert ist - ausgesprochen hat, kommt eine Verminderung oder Aufhebung der Bezugskürzung nicht in Betracht, wenn und soweit sie zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des genannten Personenkreises nicht unbedingt erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 99/09/0238, mwN). An die alternative Voraussetzung des § 94 Abs. 4 zweiter Satz DO ("... Vermeidung eines nicht wiedergutzumachenden Schadens erforderlich") ist ein vergleichbar strenger Maßstab anzulegen. Die Aufhebung bzw. Verminderung der Bezugskürzung ist nur als letzter Ausweg zu sehen, einen nicht wiedergutzumachenden Schaden abzuwenden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 6. März 2008, Zl. 2007/09/0142).
Der Beschwerdeführer macht inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften betreffend beide alternativen Voraussetzungen des § 94 Abs. 4 Satz DO, nämlich die "Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist" einerseits und die "Vermeidung eines nicht wiedergutzumachenden Schadens" andererseits, geltend. Entscheidend für die gesetzliche Ermessensregelung ist daher im Beschwerdefall das Vorliegen jedenfalls einer dieser beiden alternativen Voraussetzungen.
Bei der Ermittlung des Vorliegens der erstgenannten dieser beiden Alternativen zog die belangte Behörde zulässigerweise die Regelungen des WSHG sowie der Sozialhilfe-Richtsatzverordnung heran. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Heranziehung der Sätze der Existenzminimum-Verordnung, aber auch der Sozialhilferichtsätze als Maßstab für die Berechnung des notwendigen Lebensunterhaltes u.a. im Sinne des § 94 Abs. 4 DO 1994 anerkannt (vgl. z.B. da hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1998, Zl. 95/09/0186, und das oben genannte Erkenntnis vom 6. März 2008, Zl. 2007/09/0142, u.v.a.).
Im vorliegenden Fall ging die Behörde von einem aufgrund der mit der Suspendierung verbundenen Verkürzung des dem Beschwerdeführer gebührenden Monatsbezuges um ein Drittel verbleibenden Monatsbezug von EUR 1.764,77 aus, übersah aber, dass sie ihrer Berechnung jeweils die Bruttobeträge des Monatsbezuges des Beschwerdeführers zugrunde legte. Der darin gelegene Rechtsirrtum, der auch in der Beschwerde gerügt wurde, erweist sich jedoch nicht als entscheidungswesentlich, weil die belangte Behörde bei ihren rechtlichen Erwägungen zu berücksichtigen hatte, dass nach ihren Feststellungen (die im Übrigen den Angaben des Beschwerdeführers entsprachen) die Ehegattin des Beschwerdeführers ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.200,-- ins Verdienen bringt. Ausgehend von dem derart verbleibenden Familieneinkommen kann weder von einer Gefährdung seines Lebensunterhaltes und dem seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, noch von dem Drohen eines nicht wiedergutzumachenden Schadens die Rede sein.
Die Beschwerde war aus diesem Grunde im Ergebnis gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 18. September 2008
Schlagworte
Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006090117.X00Im RIS seit
19.11.2008Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009