TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/18 2006/09/0051

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Veröffentlicht am 18.09.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
77 Kunst Kultur;

Norm

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
DMSG 1923 §26 Z8;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde

1. der H S und 2. des M S, beide in Klosterneuburg, vertreten durch Dr. Alexandra Sedelmayer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 29/11, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 9. September 2005, Zl. 13.609/0001-IV/3/2005, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Denkmalschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird abgewiesen.

Die Erstbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus Anlass der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Zweitbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung:

Die Erstbeschwerdeführerin ist Alleineigentümerin einer Statue "Sitzende Madonna mit Kind", Höhe 75 cm, Sandstein gefasst, Wien um 1315/20, für welche der Zweitbeschwerdeführer mit Eingabe vom 29. März 2002 um Ausfuhrgenehmigung ansuchte. Das mit der Erledigung dieses Ansuchens befasste Bundesdenkmalamt leitete daraufhin von Amts wegen ein Unterschutzstellungsverfahren nach §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes - DMSG, BGBl. Nr. 533/1923, in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 170/1999, ein. Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesdenkmalamt wurde bereits festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin Alleineigentümerin der antragsgegenständlichen Statue ist. In diesem Sinne wurde der Erstbeschwerdeführerin auch mit Schreiben des Bundesdenkmalamtes vom 11. September 2002 vor Erlassung des Unterschutzstellungsbescheides das Parteiengehör im Sinne der §§ 37, 45 Abs. 3 AVG eingeräumt.

Mit dem (nur) an den Zweitbeschwerdeführer als Bescheidadressaten gerichteten Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 1. September 2003 wurde festgestellt, dass die Erhaltung der Figur "Sitzende Madonna mit Kind", Höhe 75 cm, Sandstein gefasst, Wien um 1315/20, gemäß §§ 1 und 3 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen sei. Dieser Bescheid wurde auch ausschließlich dem Zweitbeschwerdeführer zugestellt.

Auf einem Briefpapier mit dem Briefkopf "Familie M S" wurde gegen diesen Bescheid Berufung erhoben. In der Berufungsbegründung wird die "Wir"-Form verwendet und auch der Berufungsantrag beginnt mit den Worten: "...beantragen wir... ". Unterfertigt ist die Berufung mit dem maschinenschriftlichen Vermerk "Familie M S" sowie der Handparaphe des Zweitbeschwerdeführers.

Am 24. Februar 2004 sprach der Zweitbeschwerdeführer bei der Berufungsbehörde vor und verwies (noch einmal) darauf, dass die gegenständliche Sandsteinmadonna im Alleineigentum seiner Mutter, der Erstbeschwerdeführerin, stehe. Daraufhin wurde dem Zweitbeschwerdeführer mit Verfügung der belangten Behörde vom 15. April 2004 unter Berufung auf § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, binnen zwei Wochen nach Zustellung eine "schriftliche, ordnungsgemäß ausgestellte und unterfertigte Vertretungsvollmacht für das gegenständliche Verfahren vorzulegen". Mit Verfügung vom 4. Mai 2004 wurde die dem Zweitbeschwerdeführer eingeräumte Frist bis einschließlich 14. Mai 2004 verlängert.

Am 4. Juni 2004 übergab der Zweitbeschwerdeführer der belangten Behörde eine Vollmacht mit folgendem Wortlaut:

"Ich H S Alleineigentümer der gegenständlichen Sandsteinmadonna erteile meinem Sohn M S Vollmacht im laufenden Berufungsverfahren!"

Datiert wurde diese Vollmacht mit dem 3. Juni 2004, handschriftlich unterfertigt mit einem nur teilweise leserlichen Namenszug, der aber vermutlich von der Erstbeschwerdeführerin stammt.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. September 2005 wurde die Berufung der "Familie M S" gegen den Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 1. September 2003 als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung verweist die belangte Behörde auf den von ihr erteilten Verbesserungsauftrag und die erst verspätet übergebene Vollmacht, aus deren Wortlaut hervorgehe, dass die Erstbeschwerdeführerin den Zweitbeschwerdeführer (nur) ex nunc bevollmächtige, daher davon auszugehen sei, dass die Vollmacht im Zeitraum der Einbringung der Berufung noch nicht bestanden habe. Die Heilung des Mangels der Vollmacht sei nachträglich möglich, wenn sie im Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung bereits bestanden habe. Da im vorliegenden Fall das Vollmachtsverhältnis erst nach Erhebung der Berufung begründet worden sei, sei eine Sanierung nicht möglich. Die Berufungsbehörde komme daher zum Ergebnis, dass für die Berufung im hier relevanten Zeitpunkt, nämlich im Moment ihrer Einbringung, keine Vollmacht bestanden habe, weshalb die Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides erhobene Beschwerde.

Die Beschwerde wird wie folgt begründet:

"Die Behörde sah keine ausreichende Vollmacht für die Berufung. Diese Ansicht der Behörde ist unrichtig. Es lag eine gültige Vollmacht meiner Mutter an mich auch für die Berufung vor. Die Behörde hätte von einer Vertretung meiner Mutter durch mich ausgehen und meine Berufung inhaltlich behandeln müssen. Ich fühle mich von der Behörde getäuscht, da man offenbar versucht mit formalen Gründen, sich einer Sachentscheidung zu entziehen. Die Behörde hätte von einer ausreichenden Vollmacht ausgehen müssen oder, wäre sie der Meinung gewesen eine solche liegt nicht vor, mich bzw. meine Mutter anleiten müssen, eine ausreichende Vollmacht vorzulegen.

In Gesprächen während der Abhandlung, hat die Behörde mitgeteilt, für das laufende Verfahren schriftlich Vollmacht zu brauchen. Der Wortlaut für diese Vollmacht wurde mir von der Behörde genannt und entsprechend von meiner Mutter an die Behörde gesendet.

Ich erachte es als nicht gerechtfertigt, nach langjährigen Gesprächen und Verhandlungen in dieser Angelegenheit, bei welchen anfangs meine Mutter auch persönlich anwesend war, die Vollmacht in Frage zu stellen, im laufenden Verfahren eine weitere Vollmacht zu verlangen, und nach Erhalt dieser, welche sich nach meinem Verständnis auf das ganze Verfahren bezog und nicht auf den Zeitpunkt ab dem Erhalt, von der Behörde selbst formulierten Vollmacht, auch diese zu beanstanden, und unter dieser Begründung nicht auf den Sachverhalt meiner Berufung einzugehen!

Ich beantrage meiner Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, und der belangten Behörde die Behandlung meiner Berufung aufzutragen!"

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

1. Zur Abweisung der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin:

Beschwerdeberechtigt vor dem Verwaltungsgerichtshof ist jedermann, in dessen Rechte der Bescheid einer Verwaltungsbehörde eingreift, auch wenn er im Verwaltungsverfahren keine Parteistellung hatte. Der angefochtene Bescheid wurde - auch - der Erstbeschwerdeführerin zugestellt, sie ist daher beschwerdeberechtigt.

Der erstinstanzliche Unterschutzstellungsbescheid hingegen wurde der Erstbeschwerdeführerin bisher noch nicht zugestellt und ist ihr gegenüber daher noch nicht rechtswirksam ergangen. Im Zeitpunkt der Einbringung der vom Zweitbeschwerdeführer unterfertigten Berufung lag aus den von der belangten Behörde zutreffend dargelegten Gründen auch noch kein aufrechtes Vollmachtsverhältnis vor. Gleichgültig, ob der Zweitbeschwerdeführer intendierte, die Berufung (auch) im Namen der Erstbeschwerdeführerin erheben zu wollen oder nur im eigenen Namen, kann sie mangels eines im Zeitpunkt der Berufungserhebung aufrechten Vollmachtsverhältnisses der Erstbeschwerdeführerin jedenfalls nicht zugerechnet werden. Durch die an sie erlassene Zurückweisung dieser ihr nicht zuzurechnenden Berufung wird die Beschwerdeführerin jedoch in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt. Diese Zurückweisung ändert insbesondere nichts daran, dass der erstinstanzliche Unterschutzstellungsbescheid ihr gegenüber noch nicht rechtswirksam erlassen war und erst durch Erlassung des Unterschutzstellungsbescheides an sie als Eigentümerin die Unterschutzstellung der streitgegenständlichen Skulptur bewirkt werden kann. Dagegen stünden ihr alle Rechtsmittel offen.

2. Zur Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers:

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der "Familie M S" als unzulässig zurückgewiesen. Im Zuge eines von der belangten Behörde angestrengten Zwischenverfahrens stellte sich erstmals heraus, dass lediglich die Erstbeschwerdeführerin als Alleineigentümerin der unter Denkmalschutz zu stellenden Madonna sachlich legitimiert ist. Ausgehend davon begründete die belangte Behörde daher ihren Zurückweisungsbescheid in der (irrigen) Annahme, nur der Eigentümerin als einzig Sachlegitimierter sei diese Berufung zuzurechnen, mit dem Mangel der Vollmacht des Zweitbeschwerdeführers durch die Erstbeschwerdeführerin im Zeitpunkt der Berufungserhebung. Diese Annahme aber war unzutreffend, denn der erstinstanzliche Bescheid wurde nur an den Zweitbeschwerdeführer gerichtet (nur er war Bescheidadressat) und auch zugestellt. Zwar verleiht weder die Zustellung eines Bescheides noch die Benennung als Bescheidadressat Sachlegitimation. Die (wenn auch unrichtige) Bezeichnung als Bescheidadressat verlieh dem Zweitbeschwerdeführer aber die prozessuale Möglichkeit, diesen an ihn gerichteten Bescheid in seinem Namen zu bekämpfen (vgl. in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom 11. April 1991, Zl. 90/06/0199, mwN). Daher hätte die belangte Behörde zunächst klären müssen, wer tatsächlich die ihr zur Entscheidung vorliegende Berufung erhoben hat.

Sollte sich auf Grund der Ergebnisse des ergänzenden Verfahrens herausstellen, dass die Berufung dem Zweitbeschwerdeführer zuzurechnen ist, müsste die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos beheben, weil gemäß § 26 Z. 8 zweiter Satz DMSG "in Verfahren zur bescheidmäßigen Feststellung des öffentlichen Interesses im Rahmen dieser Verfahren ....nur dem Eigentümer (jedem Miteigentümer) Parteistellung zu(kommt)".

Sollte sich hingegen herausstellen, dass die Berufung im Namen der Erstbeschwerdeführerin erhoben worden ist, wäre die Zurückweisung aus den im angefochtenen Bescheid genannten Gründen zutreffend gewesen.

Der angefochtene Bescheid war aus den dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - hinsichtlich des Kostenzuspruchs an den Zweitbeschwerdeführer im Rahmen des gestellten Begehrens - auf §§  47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. September 2008

Schlagworte

Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungslegitimation Person des BerufungswerbersMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006090051.X00

Im RIS seit

20.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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