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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §205;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des H E in L, vertreten durch Dr. Erich Bernögger, Rechtsanwalt in 4580 Windischgarsten, Bahnhofstraße 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 25. Mai 2007, GZ. RV/0252-G/07, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 21. November 2006 beantragte der Beschwerdeführer, Geschäftsführer einer in der Rechtsform einer GmbH geführten Wirtschaftstreuhandkanzlei, die Nachsicht folgender Abgaben:
Einkommensteuer 2001
EUR
9.869,26
50% der Einkommensteuer 2002
EUR
11.091,90
50% der Anspruchszinsen 2002
EUR
1.199,88
Begründet wurde der Antrag zum einen mit dem Verhalten des Finanzamtes, das - obwohl die einzelnen Abgabenerklärungen 2001 bis 2004 fristgerecht eingereicht worden seien - aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Einkommen- und Umsatzsteuer dieser Jahre mit einem Gesamtbetrag von EUR 67.278,94 (erst) am 16. Oktober 2006 zeitgleich veranlagt habe.
Zum anderen ergebe sich eine Unbilligkeit aus dem persönlichen Umfeld des Beschwerdeführers. Seine finanziellen Angelegenheiten seien durch Jahrzehnte von seiner Ehefrau wahrgenommen worden, die jedoch im Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärung für das Jahr 2001 bereits schwer erkrankt gewesen sei, sodass dem Beschwerdeführer vermutlich aus diesem Grund keine Information über eine zu erwartende Steuernachzahlung zugekommen sei. Die Steuererklärungen 2002 seien erst nach dem Tod seiner Frau fertiggestellt und ihm zur Unterschrift vorgelegt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer infolge der Vorgänge rund um das Ableben seiner Frau derart traumatisiert gewesen, dass er die sich abzeichnenden Konsequenzen der Steuererklärungen (Steuernachzahlung) nicht wahrgenommen habe. Hätte die Abgabenbehörde innerhalb angemessener Zeit nach Einreichung der Steuererklärungen reagiert, wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, sich rechtzeitig darauf einzustellen und die Entrichtung der Steuernachforderungen zu bewerkstelligen.
Dem Ersuchen des Finanzamtes, das ihm gleichzeitig übermittelte Vermögensverzeichnis auszufüllen, entsprach der Beschwerdeführer mit der Begründung nicht, dass die Abgabenbehörde die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses nur unter den (hier nicht vorliegenden) Voraussetzungen des § 31a AbgEO verlangen könne. Eine plötzliche Steuernachzahlung in der Höhe von rund EUR 67.000,-- bringe die Finanzplanung eines durchschnittlichen Gehaltsempfängers auch dann durcheinander, wenn sie (wie beim Beschwerdeführer) nicht zum finanziellen Ruin führe.
Gegen den Bescheid des Finanzamtes, mit dem der Antrag um Bewilligung einer Nachsicht abgewiesen wurde, erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholte.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung und Erhebung eines Vorlageantrages entsprach auch die belangte Behörde dem Nachsichtsansuchen nicht. Der vom Beschwerdeführer vorgetragene Sachverhalt begründe keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO.
Das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung vom 14. Februar 2007 selbst verneint. Aber auch eine sachliche Unbilligkeit liege gegenständlich nicht vor. Aus dem Abgabenkonto gehe hervor, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers für die zu erwartende Steuernachzahlung des Jahres 2001 durch eine entsprechende Überweisung auf das Abgabenkonto ohnedies Vorsorge getroffen habe, sodass aus der im Jahr 2006 durchgeführten Veranlagung tatsächlich nur ein Betrag in Höhe von 69,26 EUR zur Nachzahlung verblieben sei. Die sich abzeichnende Steuernachzahlung für das Jahr 2002 habe der Beschwerdeführer als versierter Geschäftsführer einer Steuerberatungskanzlei ungeachtet der zeitlichen Nähe der Erklärungsabgabe zum Ableben der Ehefrau erkennen können, zumal er auch den täglichen fachlichen Anforderungen in seinem Beruf trotz der physischen und psychischen Anspannung nachgekommen sei. Die (erklärungsgemäße) Veranlagung für das Jahr 2004 sei innerhalb von sechs Monaten nach Erklärungsabgabe erfolgt. Solcherart sei die daraus resultierende Nachzahlung von EUR 18.815,73 vorhersehbar gewesen. Die Ursachen der vom Beschwerdeführer dargestellten Belastung mit Steuernachzahlungen lägen nicht im Verhalten der Behörde, sondern vor allem darin, dass der Beschwerdeführer jahrelang nur minimale Einkommensteuervorauszahlungen entrichtet habe. Dem Beschwerdeführer sei aus der erklärungskonformen Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2002 keine höhere Abgabenforderung erwachsen als von ihm erklärt. Die Einhebung der Anspruchszinsen 2002 sei im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer lukrierten Zinsgewinn durch den Zahlungsaufschub gleichfalls nicht sachlich unbillig.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre.
Die in § 236 Abs. 1 BAO geforderte Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im Besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet, wofür es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Einen Sachverhalt, der für die Qualifikation als persönliche Unbilligkeit in Betracht käme, hat der Beschwerdeführer ausdrücklich nicht geltend gemacht.
Sachlich bedingte Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der in der anormalen Belastungswirkung gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom 24. April 1996, 92/13/0309, vom 22. März 1995, 94/13/0264 und 0265, sowie vom 29. Jänner 2004, 2002/15/0002).
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Bescheidausführungen, er habe seine berufliche Tätigkeit nach dem Tod seiner Ehefrau "im vollem Ausmaß" weiter ausgeübt. Diese Feststellung sei unrichtig und von der belangten Behörde unter Verletzung seines Rechtes auf Parteiengehör getroffen worden. Tatsächlich befinde sich der Beschwerdeführer seit Dezember 2003 in Altersteilzeit. Auch stelle es eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes dar, wenn die belangte Behörde implizit zum Ausdruck bringe, dass traumatisierende Geschehnisse ganz allgemein für einen "fachlich versierten Geschäftsführer einer Steuerberatungskanzlei" geringere bis gar keine Auswirkungen im Vergleich zu einem "Normalbürger" hätten. Eine solche Annahme träfe - wie näher begründet - nicht zu. Auch könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er es unterlassen habe, die Vorauszahlungen der tatsächlichen Höhe der Einkünfte anzupassen, weil es bei einer "rechtskonformen, der Bestimmung des § 311 BAO entsprechenden Veranlagung innerhalb von 6 Monaten nach Einreichung der jeweiligen Steuererklärung" bereits von Amts wegen zu einer entsprechenden Anpassung der Steuervorauszahlungen gekommen wäre. Die von § 236 Abs. 1 BAO geforderte Unbilligkeit liege einerseits in eklatanten Versäumnissen der Abgabenbehörde durch rechtswidrige Verletzung der Erledigungspflicht des § 311 BAO, andererseits darin, dass dem Beschwerdeführer infolge des herrschenden Ausnahmezustandes im Zusammenhang mit der Erkrankung und dem Freitod seiner Ehefrau die Konsequenzen dieser Versäumnisse erst bei der kumulierten Vorschreibung der Steuernachzahlungen bewusst geworden seien.
Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt. Die Belastung des Beschwerdeführers mit Einkommensteuer hat durch den Umstand, dass die Abgabenfestsetzung nicht innerhalb der Frist des § 311 BAO erfolgt ist, keine Änderung erfahren.
Auch die Einhebung der Anspruchszinsen ist nicht sachlich unbillig. Anspruchszinsen im Sinne des § 205 BAO (BGBl. I Nr. 142/2000) sind eine objektive Rechtsfolge, um (mögliche) Zinsvorteile oder Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben (vgl. Ritz, BAO3, § 205 Tz. 2). Die Bestimmung berücksichtigt nicht die Gründe, aus welchen im Einzelfall Differenzbeträge an Einkommensteuer, die sich aus Abgabenbescheiden ergeben, nicht bis 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres entrichtet wurden. Insbesondere kommt es nicht auf ein Verschulden des Abgabepflichtigen am Entstehen zinsenrelevanter Nachforderungen an. Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er die Ursachen, die zur Abgabenentrichtung nach dem dort genannten Zeitpunkt geführt haben, im Anwendungsbereich des § 205 BAO grundsätzlich als unmaßgeblich erachtet hat. Die im vorliegenden Fall vorgetragenen Umstände übersteigen nicht das normale Ergebnis der allgemeinen Rechtslage; sie lassen angesichts der Funktion der Anspruchsverzinsung eine anormale Belastungswirkung oder einen atypischen Vermögenseingriff im Sinne eines vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnisses nicht erkennen.
Die Frage der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe für das Jahr 2002 ist nicht entscheidungswesentlich, sodass der diesbezüglichen Verfahrensrüge die rechtliche Relevanz fehlt.
Dass die sofortige Entrichtung von Abgabenforderungen, die mehrere Jahre betreffen und zu einem vom Abgabepflichtigen nicht erwarteten Zeitpunkt schlagend werden, im Einzelfall für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden sein kann, trifft zu. Um derartigen Härten zu begegnen, sieht die Bundesabgabenordnung die Möglichkeit einer Antragstellung gemäß § 212 vor.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. September 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007150175.X00Im RIS seit
21.10.2008Zuletzt aktualisiert am
05.02.2009